Dass es einen recht radikalen Schnitt und einige Enttäuschungen geben könne, hatte Julian Nagelsmann schon zuvor anklingen lassen. "Es wird bestimmt der eine oder andere nicht nominiert werden, von dem viele denken, der sei sicher dabei", hatte der Bundestrainer im Interview mit dem Spiegel gesagt. Dass einer dieser Enttäuschten Leon Goretzka heißt, war in den Tagen durchgesickert.
Der radikale Schnitt, den Nagelsmann bei der Bekanntgabe für die letzten Test-Länderspiele vor der EM vollzog, überraschte dann doch etwas: Sechs Rückkehrer, darunter Toni Kroos von Real, und sechs Neulinge stehen im Kader. Dazu fehlen nicht nur Goretzka, sondern bis auf Niclas Füllkrug alle zuletzt nominierten Spieler von Borussia Dortmund.
Nagelsmann in Richtung der Nicht-Nominierten: "Die Antworten muss der Spieler geben"
Nagelsmann begründete den Verzicht auf zum Beispiel Mats Hummels, den er nach seinem Amtsantritt noch reaktiviert hatte, mit recht deutlichen Worten: "Er ist nicht im besten Flow, hat zuletzt wenig gespielt." Andere Spieler seien an ihm vorbeigezogen, Robin Koch und Waldemar Anton etwa. Diese können die geforderte Rolle "besser ausfüllen als er". Dazu wird in der Nationalelf künftig wieder Vierer- statt Dreierkette gespielt, was einen Innenverteidiger weniger nötig macht. Generell sei die Zugehörigkeit zu einem Klub kein Grund, einen bestimmten Profi zu nominieren: "Die Antworten muss der Spieler geben."
Nach den enttäuschenden Darbietungen gegen die Türkei (2:3) und Österreich (0:2) sei klar gewesen, dass "definitiv Dinge verändert werden" mussten – und diese Einflussnahme könne der Bundestrainer am besten über die Nominierung steuern. Auch Goretzka traf der Bannstrahl des DFB-Trainers. "Bei Leon waren die letzten Spiele deutlich stabiler, aber ich sehe gerade zwei andere Spieler vor ihm."
Die DFB-Nominierung für Pavlovic ist laut Nagelsmann keine politische
Dass statt ihm mit Aleksandar Pavlovic ein anderer Bayern-Profi nominiert ist, sei weder eine Entscheidung gegen Goretzka noch eine politische Nominierung, um den 19-Jährigen, der auch für Serbien spielberechtigt wäre, an den DFB zu binden, so Nagelsmann: "Wenn er mir am Telefon gesagt hätte, dass er lieber für Serbien gespielt hätte, wäre das o.k. gewesen. Das ist die Folge des Leistungsprinzips und keine politische Entscheidung." Eben jenes Leistungsprinzip habe auch dazu geführt, dass der VfB Stuttgart mit Mittelstädt, Anton, Führich und Undav gleich vier Spieler stellt. Ohnehin, dieser VfB: "Ich hätte auch noch zwei weitere einladen können: Vagnoman oder Stiller machen es ebenfalls sehr gut." Mittelstädt ist laut Nagelsmann statistisch gesehen "aktuell der stabilste Linksverteidiger der Bundesliga".
Dass allein Leistung und Formkurve entscheiden – dieses Prinzip spiegelt sich bei Jan-Niklas Beste wider. Der Topscorer des Aufsteigers Heidenheim ist der erste Profi in der Vereinsgeschichte, der es zu einer DFB-Nominierung gebracht hat. Beste, der in der DFB-Aufstellung als Verteidiger geführt wird, wird von Nagelsmann dafür geschätzt, dass er auch gegen den Ball stark ist und "richtig gute Standards" liefert. Das könne durchaus auch bei der EM ein Faktor sein.
Tor: Manuel Neuer (FC Bayern), Marc-André ter Stegen (FC Barcelona), Oliver Baumann (Hoffenheim), Bernd Leno (Fulham)
Abwehr: Joshua Kimmich (FC Bayern), Antonio Rüdiger (Real Madrid), Jonathan Tah (Leverkusen), David Raum, Benjamin Henrichs (RB Leipzig), Waldemar Anton, Maximilian Mittelstädt (VfB Stuttgart), Robin Koch (Eintracht Frankfurt), Jan-Niklas Beste (1. FC Heidenheim)
Mittelfeld: Aleksandar Pavlovic, Jamal Musiala (FC Bayern), Ilkay Gündogan (FC Barcelona), Toni Kroos (Real Madrid), Robert Andrich, Florian Wirtz (Bayer Leverkusen), Pascal Groß (Brighton & Hove Albion), Chris Führich (VfB Stuttgart)
Sturm: Deniz Undav (VfB Stuttgart), Niclas Füllkrug (Borussia Dortmund), Maximilian Beier (TSG Hoffenheim), Thomas Müller (FC Bayern), Kai Havertz (Arsenal)