Die Zahl bekannter Alltagsphänomene ist groß. Selbstverständlich ist die ausgewählte Supermarktschlange immer diejenige, bei der es am längsten dauert. Das Nutella-Brot fällt natürlich auf die bestrichene Seite und Hundehalter gleichen sich optisch ihren Tieren an. Auch im Bereich der Bewegungskünste sammeln sich etliche Phänomene. Als solches galt beispielsweise jenes, das unter dem Begriff „Bayern-Dusel“ Einzug in die fußballerische Mystik Einzug gehalten hat. Vergangene Saison waren es dann allerdings die phänomenalen Leverkusener, die immer und immer wieder in den letzten Minuten einer Partie den Sieg herausschossen, „Bayer-Dusel“ dann eben.
Neuerdings sind es aber wieder die Münchner, die sich an einer nur schwer zu erklärenden fußballerischen Merkwürdigkeit versuchen. Obwohl sie kaum etwas verändert haben, veränderten sich die Ergebnisse. Nachdem die Münchner vor wenigen Wochen drei Tore gegen Frankfurt kassierten und gegen Barcelona gleich viermal den Ball aus dem Netz holen mussten, kam erstmals gar nicht mal so leise Kritik an Trainer Vincent Kompany auf. Zu risikoreich sei dessen bevorzugte Spielweise, zu anfällig bei kleinsten Fehlern. Nun aber haben die Bayern viermal in Folge gewonnen und dabei viermal kein Gegentor kassiert. Auch beim 1:0-Erfolg am Mittwoch gegen Benfica Lissabon bestand nur eine eher theoretische Gefahr, dass Manuel Neuer würde hinter sich greifen müssen. „Das, was wir uns in den Umschaltsituationen vorgenommen haben, hat nicht funktioniert, weil man vorne auch ein wenig auf sich alleine gestellt war gegen drei oder vier Leute. Das ist dann extrem schwer“, berichtete nach der Partie Jan-Niklas Best, der seit dieser Saison für die Portugiesen spielt und gegen die Bayern zur zweiten Halbzeit eingewechselt wurde.
Jamal Musiala trifft für den FC Bayern schon wieder per Kopf
Schwer war es in der Tat für den Mann, der in der vergangenen Spielzeit noch für Heidenheim spielte und nun an der Seite von Angel di Maria aufläuft. Allerdings sah er sich nur vermeintlich einer Übermacht von drei oder vier Leuten gegenüber. In der letzten Reihe spielten die Bayern nämlich häufig Mann gegen Mann. Es war auch der Qualität der Innenverteidiger Minjae Kim und Dayot Upamecano zu verdanken, dass Neuer einen recht ruhigen Abend verlebte. „Du kannst nicht alle drei Tage diese unglaubliche Intensität an den Tag legen - aber die Kontrolle, die Dominanz, die wir wieder permanent ausstrahlen, mit zwei Innenverteidigern, die es herausragend machen in den letzten Tagen und Wochen, das ist schon sehr gut“, lobte Sportvorstand Max Eberl seine Defensive. Er dürfte dazu auch noch Joao Palhinha gemeint haben, der ebenfalls einige Angriffe seiner Landsleute abfing und der Stellenbeschreibung einer „Holding Six“ diesmal recht nahe kam - auch wenn Kompany seinen Sechser weitaus offensiver Halt machten lässt, als das wohl beispielsweise Thomas Tuchel getan hätte.
Während Eberl die Abwehr lobte, fand Kompany wohlwollende Worte für einen seiner Offensivleute: „Ich bin natürlich sehr froh, dass ich die Qualität von Leroy Sané habe und Michael Olise auf der gleichen Position, nicht zu vergessen Kingsley Coman und Serge Gnabry. Heute hat Leroy das Spiel gedreht, das kann man so sagen.“ Sané kam für den diesmal blassen Olise nach 56 Minuten ins Spiel. Er hatte in den ersten fünf Minuten nach seiner Einwechslung mehr starke Aktionen als Olise zuvor. Schon gegen Union Berlin hatte der Franzose nicht an die zuvor gezeigten Leistungen anknüpfen können. Erstmals seit langer Zeit aber verfügen die Bayern über vier fitte, herausragende Könner auf den Flügeln. Kompany kann nach Tagesform entscheiden und nicht aufgrund medizinischer Bulletins. Gegen Lissabon war es nun Sané, der den besten Eindruck hinterließ. Kompany dürfte einigermaßen froh sein, dass Bundestrainer Julian Nagelsmann den Flügelmann nicht für die kommenden Länderspiele nominierte, auf dass er weiter an seiner Form arbeiten kann.
Für das entscheidende Tor gegen Benfica sorgte allerdings Jamal Musiala. Er traf erneut mit dem Kopf, was insofern bemerkenswert ist, als er auf diese Weise bereits das dritte Mal in den vergangenen vier Spielen ein Tor erzielte - obwohl er kein ausgewiesener Kopfballspezialist ist. „Ich weiß nicht, was gerade mit meinen Kopfballtoren los ist, aber der Ball ist ein paar Mal gut gefallen“, sagte er nach getaner Arbeit. So ist das eben mit Phänomenen. Sie lassen sich kaum erklären.
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