Nur der schlecht gefälschte Jachthafen am Streckenrand von Miami wirkt seltsam beim neuesten Hochglanz-Produkt der Formel 1.
Die Bilder von gestrandeten Booten auf meeresblau gepinseltem Fußboden sorgten für einigen Spott vor der Grand-Prix-Premiere in Florida, die der Rennserie als Meilenstein auf dem gelobten US-Markt dienen soll. Inmitten des unverkennbaren Booms der Formel 1 in den Staaten werden schon Vergleiche zum Super Bowl gezogen, der 2020 gleich nebenan im Hard Rock Stadium zelebriert wurde. "Es ist aufregend zu sehen, dass die Formel 1 immer größer in den USA wird", sagte Weltmeister Max Verstappen vor dem Miami-Debüt.
Das Geschäft mit dem PS-Spektakel brummt in den USA wie nie zuvor. Miami rückt als zweiter US-Standort nach Austin in den Rennkalender. Nächstes Jahr kommt in Las Vegas sogar ein dritter Grand Prix im Land der unbegrenzten Möglichkeiten hinzu. Die Einschaltquoten bei der Formel 1 im US-Fernsehen sind deutlich gestiegen, die Nachfrage nach Tickets war zuletzt schon in Austin riesig.
Hohes Interesse
Auch in Miami klingeln die Kassen. "Ich habe noch nie ein Rennen gesehen, bei dem es so große Nachfrage von Sponsoren und so hohes Interesse von Promi-Gästen gab", sagte McLaren-Chef Zak Brown, der auf 20 Jahre im Motorsport verweisen kann. "Für mich fühlt sich das wie der Super Bowl an, das größte Ereignis im Jahr", sagte der 50 Jahre alte Amerikaner.
Vergleiche mit dem American Football hätte bei den meisten der bisherigen Formel-1-Gastspiele in den USA wohl niemand gezogen. Über viele Jahre versuchte Chefvermarkter Bernie Ecclestone vergeblich, ein größeres US-Publikum für den in Europa geprägten Sport zu gewinnen. Die beiden Rennen auf dem Parkplatz des "Caesars Palace" in Las Vegas waren ein Fiasko. Als die Formel 1 in Phoenix gastierte, soll sogar ein zeitgleich in der Stadt angesetztes Straußenrennen mehr Zuschauer angelockt haben.
Ganz schlechte Werbung war auch der Skandal in Indianapolis 2005. Nur sechs Fahrer um Michael Schumacher starteten, weil der Rest wegen der Steilkurve Angst vor platzenden Reifen hatte.
US-Fangemeinde wächst
Miami ist schon der elfte Formel-1-Gastgeber in den USA. Die Fangemeinde ist zuletzt enorm gewachsen. "In der Endphase der Ära Bernie Ecclestone wurden wichtige Weichenstellungen nicht vorgenommen. Die Digitalisierung wurde verpasst, und damit wurde auch die Kommunikationsbrücke zur nachrückenden Generation gekappt", sagte Branchenexperte Lars Stegelmann, Marketingchef beim Motorsport Network, der Deutschen Presse-Agentur. Dieser Sackgasse ist die Formel 1 inzwischen entkommen.
Die erfolgreiche PR-Strategie der amerikanischen Formel-1-Besitzer Liberty Media, das Bespielen der sozialen Netze und der verstärkte Showfaktor rund um die Rennen spricht verwöhnte US-Sportfans an. Wichtigster Treiber für die neue Begeisterung ist wohl die Netflix-Serie "Drive to survive". Mit ihrer dramatischen Erzählweise und dem Blick hinter die Kulissen trifft der Streaming-Hit voll den Geschmack eines jüngeren Publikums.
"Mit der Serie produziert und transportiert die Formel 1 Geschichten, kommuniziert hierüber mit einer neuen Zielgruppe und damit auch überschneidend mit einer großen Zahl von Fans", sagte Stegelmann.
Das ist auch Volkswagen-Chef Herbert Diess nicht entgangen. "Die Formel 1 entwickelt sich weltweit extrem positiv. Netflix hat dazu geführt, dass die Anhängerschaft auch in den USA deutlich wächst", sagte Diess zu Wochenbeginn. Auch deshalb habe der Konzern zugestimmt, dass die Töchter Porsche und Audi ihre Pläne für einen Formel-1-Einstieg zum Jahr 2026 vorantreiben dürfen.
Andretti will Team
Großes Interesse an einem Platz in der Startaufstellung hat auch der US-Rennstallbetreiber Michael Andretti. Der Sohn des früheren Weltmeisters Mario Andretti scheiterte im Vorjahr bei der Übernahme des Sauber-Teams und will nun 2024 mit einem eigenen Team in die Formel 1. "Geld ist kein Problem", versicherte der 59-Jährige.
Ein Antrag für eine Startlizenz sei bereits beim Weltverband Fia hinterlegt. Noch aber bremsen wohl die aktuellen zehn Teams, weil jeder zusätzliche Konkurrent die Höhe des Anteils der anderen an den Einnahmen der Rennserie verringern würden. Ohnehin gibt es in Mick Schumachers Arbeitgeber Haas ja bereits ein Team aus den USA.
Einen Stammfahrer aus den Staaten hat die Formel 1 dagegen schon länger nicht mehr gesehen. Zuletzt fuhr Alexander Rossi 2015 für fünf Rennen im Marussia hinterher. Davor war Scott Speed trotz des klangvollen Namens ebenso erfolglos bei seinen 28 Grand Prix für Toro Rosso. Der junge Rennfahrer, der Speed 2007 ersetzte, machte es deutlich besser. Sebastian Vettel wurde vier Mal Weltmeister und startet in Miami seinen 283. Grand Prix.
(Von Christian Hollmann, dpa)