Die Zukunft ist geklärt. Mindestens fünf weitere Jahre wird Mercedes in der Formel 1 dabei sein, wie die übrigen neun Rennställe auch. Das regelt die kürzlich getroffene Abmachung. Damit ist eine wichtige Entscheidung also getroffen, noch längst aber nicht alle. Zwei wichtige Verträge laufen am Ende des Jahres bei Mercedes aus. Dass es sich dabei um Teamchef Toto Wolff und Topfahrer Lewis Hamilton handelt, trägt nicht zur Entspannung bei.
Sechs Titel in Serie in beiden WM-Wertungen, diese Bilanz kann sich Wolff voller Stolz auf seine Visitenkarte drucken lassen. Der Österreicher ist das perfekte Beispiel, was ein sehr guter Teamchef in der Formel 1 erreichen kann. Mattia Binotto dagegen ist das genaue Gegenteil.
Binotto ist der Mann, der Ferrari anführt und sich auf dem Weg zurück an die Spitze mehr und mehr verirrt. Binotto ist auch deshalb Teamchef geworden, weil sich die Scuderia zur Bedingung gemacht hat, dass ein Italiener das Team anführt. Bis dahin hatte der 50-Jährige eher seine Fähigkeiten als technischer Direktor bewiesen. Als ein Mann der Zahlen also, weniger der Menschenführung. Die ist aber im modernen Management ebenso wichtig wie klare Entscheidungswege. Während es Wolff bei Mercedes offenbar gelingt, ein Wohlfühlklima für seine Angestellten zu schaffen, sinkt die Lust der Arbeitnehmer bei Ferrari mehr und mehr. Vor allem bei Sebastian Vettel ist das deutlich zu spüren.
Sebastian Vettel muss sich wohlfühlen - das ist bei Ferrari nicht der Fall
Der viermalige Weltmeister muss sich wohlfühlen, um Erfolg zu haben. Bei Ferrari findet er diese Atmosphäre nicht mehr. Die Verkündigung seiner Entlassung nach diesem Jahr war der Tiefpunkt der Zusammenarbeit. Nun geht es darum, ein für beide Seiten versöhnliches Ende zu finden. Das gelingt nicht immer. Wenngleich die Ferrari-Verantwortlichen vehement betonen, dass sie den Heppenheimer gleich behandeln wie seinen Teamkollegen Charles Leclerc.
Der italienische Rennstall erwartet an diesem Wochenende in Spa wieder ein schwieriges Wochenende. Die Strecke in Belgien ist nicht nur lang, sondern eine Herausforderung für den Motor. Über eine Minute lang ist auf den sieben Kilometern Vollgas gefordert. Noch im vergangenen Jahr wäre das für den starken Ferrari-Motor eine willkommene Herausforderung gewesen. Nun aber wurden die Italiener eingebremst. Die Kritiker sagen, weil sie nun endlich nicht mehr bei ihrem Motor schummeln dürfen. Der Rennstall dagegen spricht von einer technischen Direktive, die bei allen Teams für Leistungsverluste sorge.
Die Formel-1-Weltmeister seit 1950
1950 Giuseppe Farina
1951 Juan Manuel Fangio
1952 und 1953 Alberto Ascari
1954 bis 1957 Juan Manuel Fangio
1958 Mike Hawthorn
1959 und 1960 Jack Brabham
1961 Phil Hill
1962 Graham Hill
1963 Jim Clark
1964 John Surtees
1965 Jim Clark
1966 Jack Brabham
1967 Denny Hulme
1968 Graham Hill
1969 Jackie Stewart
1970 Jochen Rindt
1971 Jackie Stewart
1972 Emerson Fittipaldi
1973 Jackie Stewart
1974 Emerson Fittipaldi
1975 Niki Lauda
1976 James Hunt
1977 Niki Lauda
1978 Mario Andretti
1979 Jody Scheckter
1980 Alan Jones
1981 Nelson Piquet
1982 Keke Rosberg
1983 Nelson Piquet
1984 Niki Lauda
1985 und 1986 Alain Prost
1987 Nelson Piquet
1988 Ayrton Senna
1989 Alain Prost
1990 und 1991 Ayrton Senna
1992 Nigel Mansell
1993 Alain Prost
1994 und 1995 Michael Schumacher
1996 Damon Hill
1997 Jacques Villeneuve
1998 und 1999 Mika Häkinnen
2000 bis 2004 Michael Schumacher
2005 und 2006 Fernando Alonso
2007 Kimi Räikkönen
2008 Lewis Hamilton
2009 Jenson Button
2010 bis 2013 Sebastian Vettel
2014 und 2015 Lewis Hamilton
2016 Nico Rosberg
2017 Lewis Hamilton
2018 Lewis Hamilton
2019 Lewis Hamilton
2020 Lewis Hamilton
Wie auch immer, die Konsequenz ist unübersehbar: Ferrari fährt hinterher und liegt derzeit nur auf Rang fünf der Konstrukteurswertung. Charles Leclerc warnt bereits vor dem Rennen in Spa (Sonntag, 15.10 Uhr/RTL): „Was die Erwartungen betrifft, wird es noch härter werden, was unsere Leistung angeht. Wir haben nicht das gleiche Level an Wettbewerbsfähigkeit, das wir noch 2019 hatten.“
Bei Ferrari konnte seit Jean Todts Abgang kein Teamchef überzeugen - auch nicht Binotto
Ob das auch an Binotto liegt? Seit Jean Todt 2007 Ferrari verlassen hat, konnte kein anderer Teamchef mehr überzeugen. Weder Stefano Domenicali noch Marco Mattiacci oder Maurizio Arrivabene. Auf dem Posten war ein Kommen und Gehen wie auf dem Flughafen in Rom außerhalb von Corona-Zeiten. Den Erfolg brachte keiner. Binotto hat seine Qualitäten als Ingenieur bewiesen. Das bedeutet aber noch lange nicht, dass er auch ein guter Teamchef ist. In der Formel 1 ist vor allem geschicktes Handeln und politisches Agieren gefragt. Da war Ferrari viele Jahre lang gut positioniert. Das allerdings ist Vergangenheit.
Kritiker werfen den Italienern vor, dass dem Team eine Struktur fehle. Dass zu viele Fehler die Stimmung zusätzlich trüben. Sei es auf Fahrer, vor allem aber auf der Strategieseite. All das liegt letztlich in der Verantwortung des Teamchefs. Da Binotto allerdings lange Zeit sowohl Teamchef als auch Technischer Direktor war, schien ihm die klare Linie zu fehlen. Mittlerweile hat sich die Organisation verändert, in Erfolgen aber ist das noch nicht abzulesen.
Ganz anders bei Mercedes. Dort weiß schon kaum einer mehr, wohin mit den vielen Pokalen. Und Wolff ist der Macher dahinter. Wird er aber weiter am erfolgreichen Team basteln? Noch ist die Zukunft des 48-Jährigen offen. Vielleicht Vertragsverlängerung, vielleicht ein Ausstieg aus der Formel 1, vielleicht aber auch eine neue Aufgabe. So war der Österreicher schon häufiger als ideale Besetzung für den Platz an der Formel-1-Spitze gesehen worden. Wolff wird wählen können. Ganz nach seinem Geschmack. Binotto dagegen muss froh sein, wenn er nicht bald ersetzt wird. Noch aber scheint er seine Chance bei Ferrari zu bekommen.
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