Im aufgeladenen WM-Duell richtet sich die Wut der McLaren-Bosse nach der umstrittenen Strafe für Lando Norris vor allem auf die Rennkommissare. Die fünf Sekunden, die er in letzter Sekunde noch während des Großen Preises der USA aufgebrummt bekam, kosteten den WM-Verfolger nicht nur einen Podiumsplatz, sondern vor allem wertvolle Punkte im ohnehin schweren Aufholkampf gegen Max Verstappen.
«Aus meiner Sicht war es unangebracht, wie die Stewards in dieses tolle Stück Motorsport eingegriffen haben», schimpfte Teamchef Andrea Stella.
Die Entscheidung kostete Norris drei Punkte mehr im Formel-1-Titelkampf mit Verstappen, der anstelle des 24 Jahre alten Briten mit Charles Leclerc und Carlos Sainz den ersten Doppelerfolg von Ferrari in den USA seit 2006 - damals Michael Schumacher vor Felipe Massa in Indianapolis - auf dem Podest mitfeiern durfte.
Der Niederländer selbst - ohnehin im verbalen Dauerclinch mit dem Internationalen Automobilverband - wollte nicht allzu viel zu der Szene kurz vor Schluss sagen. «Ich habe meine Meinung und die brauche ich hier nicht kundtun.» Die Rennkommissare würden ihre Arbeit machen.
Was war überhaupt passiert?
Der Reihe nach: Norris hatte sich nach dem Sprinterfolg von Verstappen in Austin die Pole vor dem WM-Spitzenreiter gesichert. In Kurve eins nach den ersten Metern bergauf mit bis zu 15 Prozent Steigung attackierte Verstappen innen, beide kamen von der Strecke ab. Leclerc schob sich an beiden vorbei und fuhr in der Folge ein beeindruckend souveränes Rennen zum Sieg.
Dank Carlos Sainz auf Rang zwei machte die Scuderia im Kampf um den Konstrukteurstitel einiges gut und liegt nur noch acht Punkte als Dritter hinter Titelverteidiger Red Bull und 48 Zähler hinter dem führenden McLaren-Team. Für Mega-Spannung ist also gesorgt, die Konstrukteurswertung hat zwar nicht das Prestige des Fahrer-Titels, entscheidet aber über die Verteilung der TV-Gelder an die Teams.
«Dass er kein Waisenknabe ist, ist klar»
Im Showdown von Texas zwischen Verstappen und Norris holte der Brite nach einem späteren Reifenwechsel einen deutlichen Rückstand schnell auf, Runde um Runde leisteten sich beide einen packenden Zweikampf. Norris versuchte immer wieder zu überholen, Verstappen wehrte sich, wie er konnte.
«Er hat sich verteidigt, und dass er kein Waisenknabe ist, ist klar. Er ist einer der kontrolliertesten, aber auch härtesten Fahrer. Das weiß Lando», sagte Red Bulls Motorsportberater Helmut Marko bei Sky.
Die Folge: Als es Norris in Kurve zwölf außen versuchte, verließ er die Strecke. Verstappen innen allerdings auch. In der Begründung der Rennkommissare heißt es, dass Norris aber nicht auf Höhe von Verstappens Wagen im Scheitelpunkt der Kurve war und damit das Recht auf die Kurve verloren habe.
Bestraft wurde er dann, weil er sich einen Vorteil verschafft hatte, als er vor Verstappen wieder auf die Strecke fuhr. Nicht unerwähnt ließen die Rennkommissare, dass das Manöver dem Regelwerk zufolge eigentlich mit einer Zehn-Sekunden-Strafe geahndet hätte werden müssen.
Sie beließen es bei fünf Sekunden, die dafür sorgten, dass nicht Norris Dritter in Austin wurde, sondern Verstappen. Zeit, noch auf der Strecke mehr als fünf Sekunden gegen Verstappen rauszufahren, war Norris nicht mehr geblieben. «Ich denke, ich habe alles korrekt gemacht», betonte er: «Aber ich mache nicht die Regeln.»
Ralf Schumacher: «Ich halte es nicht für fair.»
«Beide waren abseits der Strecke und niemand hatte einen Vorteil», betonte McLarens Teamchef Andrea Stella: «Es ist sehr schade, denn es hat uns ein Podium und ein Rennen gekostet.» Sky-Experte Ralf Schumacher hielt die Strafe auch für unnötig: «Es war Racing für mich. Max hat alles versucht, Lando hat alles versucht», sagte der Ex-Pilot: «Ich halte es nicht für fair.»
Norris werde bestraft, Verstappen nicht – «ein Duell sorgt für Wirbel», schrieb der Schweizer Tagesanzeiger: «Max Verstappen gegen Lando Norris heißt der Zweikampf in der WM – auf der Strecke von Austin wird er erbittert geführt. Mit zumindest halblegalen Mitteln.»
Angefochten kann die Entscheidung der Rennkommissare nicht mehr. Heißt auch: Es bleibt bei den 57 Punkten Rückstand, mit denen Norris von Austin nach Mexiko-Stadt reisen wird, wo es bereits an diesem Wochenende weitergeht. Eine Woche später wird in São Paulo gefahren, fünf Grand Prix sind es insgesamt noch in diesem Jahr und damit noch einige weitere Knallhart-Duelle mit Wut-Potenzial vorprogrammiert.
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