Der pikante Skandal um Teamchef Christian Horner war nur der Anfang. In einem Jahr mit vielen Negativ-Schlagzeilen um Machtkämpfe, Anfeindungen und sportliche Rückschläge bewahrte Max Verstappen den teilweise erschreckend schwächelnden Branchenführer Red Bull vor dem Totalschaden. Wenn er sich an diesem Sonntagmorgen zur besten deutschen Frühstückszeit tatsächlich zum vierten Mal als Formel-1-Weltmeister krönt und dem Legenden-Status in der Motorsport-Königsklasse wieder einen Schritt näher kommt, dann hat das einen Grund: Verstappen selbst.
«Max Verstappen ist für mich der beste Fahrer der Welt und das hat er auch in den schwierigen Phasen dieser Saison unter Beweis gestellt», lobte sein oberster Boss, Red Bulls Geschäftsführer Oliver Mintzlaff. «Er hat sein Ziel, Weltmeister zu werden, zu keiner Zeit aus den Augen verloren und ist auf dem besten Weg, den Titel zum vierten Mal in Folge zu gewinnen», sagte der 49-Jährige der Deutschen Presse-Agentur.
Ein Satz, der alles über Verstappen in dieser Saison sagt
Talent ist das eine, Entschlossenheit formt Weltmeister. «Wenn du auf der Strecke gewinnen willst, wenn du ein Champion sein willst, musst du am Limit sein», betonte Verstappen in einem BBC-Interview vor dem womöglich schon entscheidenden Großen Preis von Las Vegas (07.00 Uhr MEZ/RTL und Sky). Büßt der 27 Jahre alte Niederländer höchstens zwei Punkte auf seinen zuletzt auch wieder Nerven zeigenden McLaren-Herausforderer Lando Norris ein, steht er wie 2021, 2022 und 2023 als Weltmeister fest.
Mit vier Titeln zöge er mit dem deutschen ehemaligen Red-Bull-Star Sebastian Vettel und dem Franzosen Alain Prost gleich. Mehr Titel holten dann nur noch die beiden Rekordchampions Lewis Hamilton und Michael Schumacher mit jeweils sieben sowie der Argentinier Juan-Manuel Fangio mit fünf. Klangvolle Namen des Motorsports, zu denen nicht wenige Verstappen auch ohne den noch ausstehenden vierten Triumph längst schon zählen.
Der Ritterschlag vom ehemaligen Formel-1-Herrscher
Bernie Ecclestone habe ihn nach dem Großen Preis von Brasilien angerufen, erzählte Verstappens Teamchef Horner. Ecclestone, mittlerweile 94 Jahre alt, und jahrzehntelanger Geschäftsführer der Formel 1, sagte nach Angaben von Horner: «Ich habe alle Großen gesehen, aber das ist einer der Besten, die ich je gesehen habe.» Verstappen hatte zuvor unter schwierigsten Bedingungen von Startplatz 17 aus das Rennen in São Paulo gewonnen. «Das war pures Talent, pure Magie unter extremen Bedingungen», hatte das spanische Sportblatt «As» geschrieben und gefordert: «Gebt ihm jetzt den Pokal.»
Die finale Krönung wirkt nur noch wie eine Formsache. Das sieht selbst Verfolger Norris so: «Die Tür ist fast zu.» Doch bis zu dieser Gelegenheit in der Zockermetropole steht eine Saison, in der Verstappen sich weder auf ein top funktionierendes Auto, geschweige denn auf eine harmonische Atmosphäre in seinem Rennstall verlassen konnte. Ganz im Gegenteil: Die Vorwürfe des unangemessenen Verhaltens von einer Mitarbeiterin gegen Horner belasteten Red Bull monatelang.
Aus dem Funkspaß mit seinem Renningenieur wurde Ernst
Mal schien ein Aus von Horner bevorzustehen, befeuert auch durch öffentliche Aussagen von Verstappens Vater Jos. Dann wiederum schien es im internen Machtkampf für Verstappen-Intimus Helmut Marko, 81 Jahre alter Motorsportberater von Red Bull, eng zu werden. Ein Krisengipfel mit Mintzlaff beendete die Spekulation auch um einen möglichen vorzeitigen Weggang von Verstappen trotz Vertrags bis einschließlich 2028 erstmal.
Verstappen ließ sich sportlich davon zumindest nicht besonders beirren und gewann sieben der ersten zehn Rennen. Doch bei der Weiterentwicklung des Wagens wählte das Team den falschen Weg. Auf einmal blieb Verstappen zehn Grand Prix ohne Sieg. Taktische Fehler kamen hinzu, selbst Paradedisziplinen wie Reifenwechsel machten auf einmal Probleme. Der oft so launig-freche Dialog zwischen Verstappen und seinem Renningenieur Gianpiero Lambiase artete bisweilen in gegenseitiges Angiften aus.
Im Mai war zudem der Abgang von Design-Genie Adrian Newey nach dieser Saison bekannt geworden, in der Sommerpause folgte die Mitteilung, dass Sportdirektor Jonathan Wheatley das Red-Bull-Team zum Jahresende verlassen wird.
Verstappen holte auch in der Phase aus dem Auto heraus, was möglich war - und hielt den Punktverlust in Grenzen. Um jeden Zähler kämpft(e) er mit aller Macht, was im Duell mit dem stärkeren McLaren mit Kumpel Norris nichts anderes wieder zutage brachte als den knallharten und kompromisslosen Rennfahrer in Max Verstappen.
Am Limit - und auch immer ein bisschen darüber hinaus, ob er dafür bestraft wurde oder nicht. «Wenn du Weltmeister werden willst, kannst du dir schlechte Ergebnisse nicht leisten», betonte Verstappen. Schon zwei Rennen vor Schluss könnte sich dieser Ehrgeiz ein weiteres Mal ausgezahlt haben - allen Widerständen zum Trotz. «Wenn man sich am Ende einer solchen Saison mit Höhen und Tiefen durchsetzt, dann zeigt das die herausragende Qualität von Max Verstappen und unserem gesamten Team», betonte Mintzlaff.
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