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Interview: Ex-Rennfahrer Nico Rosberg: "Nach der Formel 1 hatte ich keinen Plan"

Interview

Ex-Rennfahrer Nico Rosberg: "Nach der Formel 1 hatte ich keinen Plan"

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    Nico Rosberg wusste zunächst nach seinem Karriereende in der Formel 1 nicht, was er tun möchte.
    Nico Rosberg wusste zunächst nach seinem Karriereende in der Formel 1 nicht, was er tun möchte. Foto: Thomas Frey, dpa (Archivbild)

    Herr Rosberg, Sie haben die Formel 1 auf Ihrem sportlichen Höhepunkt als Weltmeister 2016 verlassen. Im Rückblick die richtige Entscheidung?

    Nico Rosberg: Für meine Fans weiß ich, dass es schade war. Sie haben sich noch auf ein paar Jahre gefreut. Für mich war es der richtige Moment. Ich hatte meinen Traum verwirklicht und habe gespürt, dass eine Veränderung gut ist.

    Seit Ihrem Abschied dominiert Lewis Hamilton noch mehr. Macht das Ihren Titel noch wertvoller, dass Sie ihn besiegen konnten?

    Rosberg: Ich wusste, wie gut er ist. Für die Außenwelt ist es nun eine Bestätigung, dass er auch nach Titeln der Beste aller Zeiten ist. Dass ich ihn im gleichen Auto geschlagen habe, gibt mir Extrabestätigung für meinen Erfolg.

    An Lewis Hamilton führt in der neuen Saison kein Weg vorbei

    Ist Lewis Hamilton auch in der neuen Saison wieder der große Favorit?

    Rosberg: Ja, er hat ein unglaubliches Talent und das beste Auto. Der Einzige, der ein bisschen rankommen kann, ist Max Verstappen. Vielleicht auch dessen neuer Teamkollege Sergio Perez, wenn das Auto von Red Bull gut läuft. Sonst noch sein Mercedes-Kollege Valtteri Bottas. Aber bei ihm schwinden die Chancen mit jedem Jahr, in dem er es nicht packt.

    Wo sehen Sie Sebastian Vettel?

    Rosberg: Sebastian hat eine Veränderung gebraucht. Er war bei Ferrari in einer negativen Spirale drin, das war am Ende kein schönes Erlebnis mehr. Es freut mich, dass er jetzt eine neue Chance gefunden hat. Bei Aston Martin wird er wieder der Held sein und gefeiert werden. Mit einem Erfolg kann er wieder der Alte sein. Er ist ja nach wie vor einer der Besten aller Zeiten.

    Sie sind mittlerweile Unternehmer geworden. Nachhaltigkeit ist Ihnen dabei wichtig. Wie kamen Sie dazu?

    Rosberg: Auf der Suche nach einem größeren Sinn, auch in meinem Unternehmertum. Ich habe mir versprochen, dass ich nach meinem Sport mit einer großen Hingabe für andere tätig sein möchte. Klimawandel und Nachhaltigkeit sind dringende Themen. Da engagiere ich mich mit Herzblut, gerade auch im Bereich Mobilität. Ich habe zudem das Greentech Festival in Berlin mitgegründet, eines der führenden Techfestivals in Europa. Da geht es um nachhaltige Technologien.

    Deutschland hinkt in der E-Mobilität hinterher

    Wie sehen Sie Deutschland im Bereich der E-Mobilität aufgestellt?

    Rosberg: Für deutsche Unternehmen ist es schwer, mit den USA mitzuhalten, gerade was die Bereiche Batterie oder Software betrifft. Tesla zum Beispiel hat eine große Power und kann die besten Mitarbeiter holen. Jeder will jetzt dort arbeiten. Da ist es für die deutschen Hersteller sehr schwierig, zum Beispiel die nötige Softwarekompetenz ins Haus zu holen. Zusammenhalt wird dabei ganz entscheidend sein, alleine schafft das keiner. Und große Unterstützung durch die Politik ist nötig.

    Haben die deutschen Hersteller die E-Mobilität verschlafen?

    Rosberg: Sie laufen auf jeden Fall hinterher. Das Geschäftsmodell basiert nun seit 100 Jahren auf Verbrennermotoren. Es birgt aber auch große Risiken, wenn man zu früh dran ist. Tesla hat alles auf eine Karte gesetzt, sogar Elon Musk hat teilweise gezweifelt und Angst vor einer Insolvenz gehabt. Das war höchstes Risiko, das jetzt aufgegangen ist. Das konnten sich die deutschen Hersteller nicht erlauben, ohne überhaupt zu wissen, ob jemand Elektroautos kauft. Jetzt ist die große Aufholjagd nötig. Von der Hardware schaffen das die deutschen Hersteller, von der Qualität der Autos sind sie eh voraus, die Batterie kriegen sie auch hin. Die größte Herausforderung ist die Software.

    Motorsport kann den Wandel unterstützen

    Wie sehen Sie die Akzeptanz für E-Autos in Deutschland?

    Rosberg: Zuletzt gab es gute Verkaufszahlen, die steigen stetig an. Das ist eine gute Nachricht, wenngleich noch viel passieren muss. Die Verbraucher sehen aber langsam mehr und mehr die Vorteile der E-Mobilität: Sauberkeit, Geräuschlosigkeit, das einfache Laden, zumindest in der Stadt. Der Preis hat sich mittlerweile auch angenähert.

    Welche Rolle kann bei solch einem Wandel der Motorsport spielen?

    Rosberg: Die Formel E, in die ich früh investiert habe, ist eine Plattform, die sehr hilfreich ist. Sie zeigt uns, wie gut Elektromobilität sein kann und welche Vorteile sie hat. Die Rennen finden in der Stadt statt, sie sind leise, da kann man auch mit kleinen Kindern entspannt bei den Rennen zuschauen.

    Audi hat sich nun aber für einen Ausstieg aus der Formel E entschieden, was ist das für ein Zeichen?

    Rosberg: Für die Formel E ist das ein Rückschlag. Andererseits ist der Schritt verständlich. Audi war lange in der Formel E und wurde Weltmeister. Jetzt ist der Moment da für den nächsten Schritt bei der Suche nach neuen Bereichen, in denen man mit technologischen Fortschritten glänzen kann. Gleichzeitig sind andere Hersteller in der Formel E eingestiegen. McLaren hat sich eine Option gekauft. Für die Formel E ist es wichtig, die Kosten zu senken, damit sich das private Teams leisten können. Auf lange Sicht ist entscheidend, dass sie dort Geld verdienen können. Dafür braucht es eine Kostendeckelung. Momentan belaufen sich die Kosten auf bis zu 20 Millionen pro Jahr, der Deckel sollte bei zwölf Millionen liegen. Das könnte man mit Sponsoren refinanzieren.

    Rennen an Orten, die der Klimawandel beschädigt hat

    Sie werden in diesem Jahr mit einem Team in die Extreme E einsteigen, einer ganz neuen elektrischen Serie, die auch am Amazonas oder in Grönland fahren wird. Was steckt da dahinter?

    Rosberg: Das verbindet meine beiden Leidenschaften: den Kampf gegen den Klimawandel und Rennsport. Wir fahren mit Elektromobilität abseits fester Straßen. Der Sinn der Rennen ist, dem Klimawandel Aufmerksamkeit zu geben und lokale Projekte an Orten zu unterstützen, an denen der Klimawandel schon Schäden verursacht hat.

    Die Rennen können aber nur stattfinden, wenn das gesamte Material an diese Orte transportiert wird. Wie lässt sich das vereinbaren?

    Rosberg: Die Extreme E hat das gleiche Boot gekauft, mit dem auch Greenpeace unterwegs ist. Das ist eines der effizientesten Schiffe der Welt, damit wird die Logistikemission um zwei Drittel reduziert. Das Schiff wird alle Autos und die Fahrer von Rennen zu Rennen um die Welt bringen. Gleichzeitig ist es ein Forschungsschiff, auf dem Wissenschaftler Forschung zum Thema Klimawandel betreiben. Die Energie für die Elektroautos wird mit Wasserstoffgeneratoren direkt vor Ort produziert. Überall, wo wir antreten, wollen wir den Platz in einem besseren Zustand verlassen, als wir ihn vorgefunden haben.

    Synthetische Kraftstoffe als große Chance der Formel 1

    Wie sehen Sie die Zukunft des Motorsports, wie wird er sich entwickeln?

    Rosberg: Der Motorsport muss seinen Sinnfaktor verstärken und Aufmerksamkeit erzeugen für die dringenden Themen unserer Gesellschaft. Es war wichtig, dass sich die Formel 1 beim Thema "Black Lives Matter" positioniert. Aber auch technologisch muss der Motorsport relevant sein. Es muss Entwicklungen geben, die für uns alle im Alltag nützlich sind. Die Formel 1 versucht das schon immer, zum Beispiel mit den Turbomotoren, von denen wir heute noch profitieren, oder leichten Materialien. Für die Zukunft sehe ich synthetische Kraftstoffe als große Chance. Für viele Jahrzehnte werden Verbrennungsmotoren noch einen großen Anteil an der globalen Mobilität haben. Wenn es da eine synthetische Kraftstofflösung geben könnte, die auch noch erschwinglich ist und die die Formel 1 mit anschiebt, fände ich das genial.

    Sie sind auch bei der "Höhle der Löwen", einer Sendung auf Vox, zu sehen, bei der sich junge Unternehmer um die Gunst von Investoren bemühen. Wie kamen Sie dazu?

    Rosberg: Ich bin schon viele Jahre als Nachhaltigkeitsinvestor in der Start-up-Szene vor allem im Bereich der Mobilität unterwegs. Die Höhle der Löwen war der nächste Schritt. Es ist spannend, aber auch eine Herausforderung, mich gegen die besten Investoren Deutschlands zu messen.

    Rosberg erlebt nach Karriereende Entdeckungsreise

    Wonach suchen Sie Ihre Investitionen aus, was ist für Sie entscheidend?

    Rosberg: Die Idee muss mich faszinieren und der Gründer. Zudem müssen das Potenzial zu einem positiven Beitrag und das Potenzial für Gewinn stimmen.

    War Ihnen sofort nach dem Karriereende in der Formel 1 klar, dass Sie in diese Richtung tendieren?

    Rosberg: Nach der Formel 1 habe ich zunächst gar nicht gewusst, was ich mache. Da hatte ich keinen Plan. Das war eine große Entdeckungsreise für mich. Ich habe mich mit vielen Menschen aus vielen verschiedenen Bereichen ausgetauscht. Da habe ich viel Inspiration gefunden.

    Wie sehr hat Ihnen da der Formel-1-Titel geholfen?

    Rosberg: Der Formel-1-Titel ist ganz wichtig, ich nutze ihn so oft wie möglich. Manchmal kann er aber auch hinderlich sein. Einige sehen mich als den Emissionenrausblaser von früher. Da kann ich nur mit Inhalten dagegenhalten, damit sie sehen, dass ich tiefgründig arbeite.

    Nico Rosberg war gerade Formel-1-Weltmeister geworden, als er überraschend zurücktrat.
    Nico Rosberg war gerade Formel-1-Weltmeister geworden, als er überraschend zurücktrat. Foto: Valdrin Xhemaj, dpa (Archivbild)

    Auch im Büro ist Rosberg Nachhaltigkeit wichtig

    Wie erleben Sie die aktuelle Corona-Situation?

    Rosberg: Das beeinflusst natürlich auch meinen Alltag. Wir haben in Monaco noch Glück gehabt, hier hat es sich nicht so ausgebreitet wie andernorts. Wir können mit den Kindern zum Strand, die Restaurants sind mittags geöffnet. Aber meine besten Freunde habe ich ein Jahr nicht gesehen.

    Wie hat sich Ihr beruflicher Alltag durch Corona verändert?

    Rosberg: Ich mache jetzt mehr Homeoffice. Das hat mir gezeigt, dass ich in Sachen Reisen wieder langsamer machen möchte. Es ist schön, von zu Hause aus zu arbeiten und bei den Kindern und meiner Frau zu sein. Einige Dinge haben sich trotz aller Schwierigkeiten auch zum Besseren entwickelt. Für mich ist Nachhaltigkeit auch im Büro ganz wichtig. Wir sind CO2 neutral und plastikfrei. Zuletzt haben wir vieles über Videotelefonie gelöst, das wird auch so bleiben. Das ist für die Lebensqualität meiner Kollegen besser, da sie bei ihren Familien sein können statt hier in Monaco.

    War das eine reine Folge von Corona oder hatten Sie ohnehin schon in diese Richtung gedacht?

    Rosberg: Ich hatte mich vorher noch nicht getraut. Vor Corona hatten wir angefangen mit einem Tag pro Woche zu Hause. Durch Corona wurde das beschleunigt. Und wir haben gesehen, dass das gut funktioniert. Also wollen wir das beibehalten, uns aber einmal im Monat alle zusammen treffen.

    Zur Person: Nico Rosberg wurde am 27. Juni 1985 geboren, er ist der Sohn von Ex-Formel-1-Weltmeister Keke Rosberg. 2016 wurde Nico Rosberg selbst Weltmeister in der Formel 1, danach beendete er seine Karriere. Seitdem ist er Unternehmer. Er ist verheiratet und hat zwei Kinder.

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