Sebastian Vettel hätte genug haben können. Es hätte wohl keinen überrascht. Die vergangenen Jahre in der Formel 1 waren zermürbend. Immer wieder kassierte er Rückschläge wie ein unterlegener Boxer schwere Treffer. Mit Ferrari kämpfte er sechs Jahre um den Anschluss an die Spitze. Er hatte darauf gehofft, die Scuderia so weit zu formen, dass mit ihr sein fünfter WM-Titel möglich ist. Daran ist er gescheitert.
Durch seinen Wechsel zu Aston Martin hat sich nur wenig gebessert. Vettel ist derzeit auf Rang zwölf der Fahrerwertung. In Baku landete er immerhin einmal als Zweiter auf dem Podium, in Ungarn wurde ihm sein zweiter Platz nach bravouröser Fahrt genommen – zu wenig Benzin im Tank. Ein viermaliger Weltmeister geht mit anderen Erwartungen und Zielen in eine Saison. Das nächste enttäuschende Jahr aber führte nicht zu einer erwartbaren Reaktion: Vettel hört nicht auf. Vettel kämpft weiter. Am Donnerstag bestätigte ihn Aston Martin ebenso wie seinen Teamkollegen Lance Stroll auch für die neue Saison. Nichts mit dem vorzeitigen Karriereende also.
Sebastian Vettel ist mit Entwicklung der Formel 1 zufrieden
Vettel hatte sich zuletzt stark neben der Rennstrecke engagiert. Gegen Rassismus, ähnlich wie Rekordweltmeister Lewis Hamilton. Und für die Umwelt. Vettel ist mit der Entwicklung der Formel 1 zu einer nachhaltigen Rennserie nicht einverstanden. Es geht ihm zu langsam. Und doch bleibt er Teil der Königsklasse. Vielleicht auch, weil er als aktiver Rennfahrer stärkeren Einfluss hat als als Privatperson. So also bleibt Vettel der Formel 1 erhalten. Daran hatte es zuletzt Zweifel gegeben, obwohl zu Vertragsbeginn von einer mehrjährigen Zusammenarbeit gesprochen worden war. In der Formel 1 aber hält sich jeder eine Hintertüre offen – Optionen genannt. Doch weder Aston Martin noch Vettel hatten offenbar die Not erkannt, durch diese Hintertüre zu gehen. Der Vertrag verlängerte sich somit. „Ich glaube an die Stärke unseres neuen, wachsenden Teams“, sagte Vettel.
Der viermalige Weltmeister freut sich auf die neue Saison. Die Formel 1 verändert ihre Regeln und technischen Voraussetzungen beträchtlich. Das soll zu einer Annäherung der Teams und damit Chancengleichheit führen. Vettel sieht darin für sich eine gute Möglichkeit, endlich wieder an der Spitze mitzufahren. „Die Veränderungen werden so groß sein, dass jedes Team von vorne beginnt“, sagte der Heppenheimer. Es soll also Schluss sein mit der Mercedes-Dominanz, die zuletzt nur Red Bull gefährden konnte. Künftig sollen auch kleinere Teams die Chance auf Rennsiege haben. Aston Martin sieht sich da in einer guten Rolle. „Das ist eine große Chance für uns“, sagte Vettel.
Die großen Erfolge von Sebastian Vettel liegen weit zurück
Der 34-Jährige wird 2022 in seine 16. Formel-1-Saison starten. Er hatte stark bei Toro Rosso begonnen, was einen schnellen Wechsel zu Red Bull zur Folge hatte. Dort holte er vier Titel, mittlerweile ist aber eine Menge Zeit vergangen. An die ganz großen Triumphe konnte Vettel nicht mehr anknüpfen. Und dennoch sind die Verantwortlichen bei Aston Martin von ihm und seiner Klasse überzeugt. „Sebastian ist ein riesiger Gewinn für unser Team“, sagte Teamchef Otmar Szafnauer.
Lawrence Stroll, Teambesitzer und Vater von Vettels Teamkollegen, sieht in dem viermaligen Weltmeister auch eine Art Fahrlehrer für seinen Sohn. Lance Stroll ist talentiert, ein Top-Fahrer ist er aber noch nicht. Auf diesem Weg soll ihm Vettel helfen, der in seiner Karriere 53 Siege geholt hat. Der Heppenheimer weiß, wie sich Siegerehrungen anfühlen. Dieses Gefühl möchte er wieder erleben. In dieser Saison dürfte es schwer werden. Im neuen Jahr aber ist die Hoffnung groß. Auch deswegen hat sich Vettel gegen ein Karriereende entschieden. Hätte es bei Aston Martin nicht mehr geklappt, er hätte sich auf sein Anwesen in der Schweiz zurückgezogen. Die restlichen Cockpits sind weitgehend vergeben. Nun aber geht die Zusammenarbeit mit Aston Martin weiter. Damit beim Team, das in enger Verbindung zu James Bond steht, endlich die Lizenz zum Siegen einkehrt.