Eine Erinnerung an den Anfang der 2000er – sonntags mit Papa vom Fernseher. Niki Lauda und Florian König moderieren die Formel 1 auf RTL. Im Italien-Urlaub die Ferrari Mütze mit Michael Schumachers Namen auf dem Kopf und die Scuderia Ferrari war la familia.
Heute werden auf RTL nur noch wenige Rennen gezeigt. Die Formel 1 ist auf Streaming Dienste und Pay-TV Angebote umgezogen. Aus den frühen 2000ern ist nur Fernando Alonso übrig geblieben. Ein Urgestein, vergleicht man ihn mit Max Verstappen oder Charles Leclerc, die beide 24 Jahre alt sind und ihre ganz eigene Fangruppe haben. Seit 2021 ist die Anzahl der Follower des offiziellen Formel-1-Accounts auf Social Media um 40 Prozent gestiegen. Knapp 50 Millionen Menschen verfolgen den Sport auf Instagram, TikTok und Co. Teenager und junge Erwachsene, die über Social Media ihre Liebe für den Motorrennsport zeigen und jeden Content, der von den Teams geteilt wird, liken und kommentieren. Aber woher kommt die Welle der Begeisterung?
Netflix Serie "Drive to Survive" ist für viele ein Zugangspunkt
Amber Lee ist 23, kommt aus New York und postet regelmäßig Videos zur Formel 1 auf ihrem TikTok Profil. Sie teilt ihre Kritik, Voraussagen zu Rennen und ihre Liebe für den Sport. Dabei hatte die New Yorkerin vor 2021 gar keine Ahnung von der Formel 1. "Mein erster Berührungspunkt war die Netflix-Serie Drive to Survive", sagt Lee und holt dabei theatralisch Luft. Die Antwort kenne sie von vielen jüngeren Fans und TikTokern, mit denen sie befreundet ist. In die vierte Staffel der Dokumentarserie schalteten laut Netflix in den ersten drei Tagen 4,14 Millionen Zuschauer ein.
Der Sport an sich ist einfach extrem interessant und vielschichtig. Die Technologie und Aerodynamik der der Autos, die Organisation der Veranstaltungen und das Marketing", schwärmt Lee, die selbst im Bereich Marketing arbeitet. Hinzu käme, dass die Teams auf Instagram und TikTok aktiv seien. Sie liefern dafür selbst Video-Schnipsel von den Fahrern und Rennen.
"McLaren war eines der ersten Teams, das sich wirklich mit der Social-Media-Plattform TikTok auseinandergesetzt und es als Werbung genutzt hat. Zudem gibt es Team wie das von Aston Martin, die auch TikTok-Nutzer kontaktieren und zu Events und GPs einladen", sagt Lee. Zum Vergleich: McLaren folgen 2,1 Millionen und Aston Martin 766 Tausend Menschen auf TikTok. Natürlich sei das kein Vergleich zu Fußballteams wie FC Bayern oder Barcelona mit über zehn Millionen Followern. Aber bei Formel 1 handle es sich eben immer noch um einen Nischen-Sport.
Fans auf TikTok schätzen Momente der Inklusion
Das Konzept der Formel 1 sei aus Lees Perspektive lange für ein älteres Publikum konzipiert gewesen. "Man muss jedoch sehen, dass die Community, die sich durch die Sozialen Medien für TikTok interessiert, zu einer Inklusive Gesellschaft gehört und der Sport die Vorteile einer vielfältigen Fangemeinde anerkennen sollte." Damit bezieht sich Lee auf eine Zukunft, in der die Formel 1 auf die neuen Fans angewiesen ist, um sich in den Medien zu halten, aber auch um Tickets zu verkaufen.
Deshalb seien es besonders Momente, in denen die Fahrer zeigen, dass ihnen bestimmte Werte wichtig sind, die den meisten Anklang auf TikTok finden. Sebastian Vettel ließ sich für das Juli/August-Cover des Schwulen-Magazins Attitude ablichten. In dieser Saison hat der vierfache Weltmeister erst 15 Punkte eingefahren. Fans findet er dafür mit Sätzen wie: "Aber wir können immer noch mehr tun, um die Vielfalt und Integration im Motorsport zu verbessern, nicht nur in Bezug auf die Sexualität, sondern auch durch die Unterstützung und Förderung von Frauen, Farbigen, Menschen mit Behinderungen und so weiter.“ Vettel, der seinen Rücktritt aus der Formel 1 angekündigt hat, gab in einem Abschiedsvideo bekannt, dass er sich weiterhin mit Umweltschutz und Menschenrechten beschäftigen möchte.
Persönlicher Lieblingsfahrer der TikTokerin ist Daniel Ricciardo
Lee erwartet nicht, dass alle Fahrer Aktivisten sind oder über jedes gesellschaftliches Thema weitreichend informiert sind. "Aber ich schätze sowohl Lewis Hamilton als auch Sebastian Vettel dafür, das sie mehr machen als sich nur verbal zu äußern", erklärt sie. "Ich habe so viel Respekt für alle Fahrer." Ihr persönlicher Lieblingsfahrer ist Daniel Ricciardo. Seine Art, auch in schlechten Momenten positiv zu bleiben, sei besonders inspirierend.