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Motorsport: Warum die Königsklasse Formel 1 ein teures Wagnis ist

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Audis Einstieg in die Formel 1 – die Königsklasse ist ein teures Wagnis

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    Im August 2022 gab Audi im Rahmen des Großen Preises von Belgien in Spa-Francorchamps den Einstieg in die Formel 1 bekannt.
    Im August 2022 gab Audi im Rahmen des Großen Preises von Belgien in Spa-Francorchamps den Einstieg in die Formel 1 bekannt. Foto: Audi AG

    Der Nebel ist zäh. Wie ein Schleier umhüllt er das Gelände. Die Sicht: nur wenige Meter. Auf der Teststrecke herrscht an diesem Tag aber ohnehin Ruhe. Keine Autos, die hier in Neuburg an der Donau bei Audi Sport ihre Runden drehen. Der Winter bremst sie aus. In Wurfweite dagegen, in den grauen Gebäuden, herrscht Hochbetrieb. Aus gutem Grund, denn die Zeit drängt. 2026 wird der bayerische Autobauer in die Formel 1 einsteigen. Als Werksteam durch die Übernahme des Schweizer Rennstalls Sauber.

    Es ist ein ehrgeiziges Projekt. Eines, das viele Fragen aufwirft. Audi steckt in der Krise, die Formel 1 in Deutschland auch. Andere namhafte Automobilhersteller wie BMW oder Toyota sind mit ihren Träumen in der Königsklasse des Motorsports gescheitert und haben sich wieder zurückgezogen. Audi soll das nicht passieren. Im Eingangsbereich in Neuburg steht ein riesiger Schrank. Viele Meter ist er hoch und fast genauso breit. Durch die gläsernen Türen sind all die Pokale zu sehen, die Audi Sport bisher gewonnen hat. Bei den 24 Stunden von Le Mans, in der Formel E oder der Deutschen Tourenwagen-Meisterschaft. Vor einem Jahr kam der letzte Triumph bei der Rallye Dakar dazu. Erfolgreiche Zeiten kennen sie beim Hersteller aus Ingolstadt.

    In Neuburg an der Donau wird in diesen Gebäuden am Formel-1-Projekt von Audi gearbeitet.
    In Neuburg an der Donau wird in diesen Gebäuden am Formel-1-Projekt von Audi gearbeitet. Foto: Audi AG

    Erfolg weckt Begehrlichkeiten. Es muss immer weiter nach oben gehen. Bald soll die Krönung folgen. „Die Formel 1 ist aus technologischer Sicht das Beste, was es gibt. Auf dieses Niveau müssen wir erst kommen“, sagt Stefan Dreyer. Der technische Direktor in Neuburg sitzt in seinem Büro. Auf dem Weg dorthin laufen die Besucher an vielen Motoren aus der Vergangenheit vorbei. Erinnerungen an erfolgreiche Zeiten. All die Erfahrungen, die der deutsche Hersteller bislang im Motorsport gesammelt hat, sollen auch jetzt helfen. Und doch ist die Herausforderung nun eine ganz andere. „Die Formel 1 ist noch mal eine ganz andere Liga, ohne die anderen Serien abwerten zu wollen. Das ist eine ganz neue Dimension“, sagt Dreyer und überlegt. „Sie ist eine der letzten Rennserien, in der man mit technischen Freiheitsgraden das komplette Auto selbst entwickelt. Und in der auch immer weiter entwickelt wird, von Rennen zu Rennen.“

    Auch Audi steckt in finanziellen Schwierigkeiten

    2022 hat Audi beschlossen, das Wagnis einzugehen. Die Formel 1 lockte mit einem neuen Reglement ab der Saison 2026. Mit Änderungen, die Neueinsteigern den Weg vereinfachen sollen. Von Beginn an waren Audi-Vertreter bei den Verhandlungen dabei, konnten also Einfluss nehmen. Die Autos werden schmaler und leichter, der Radstand kürzer. Sie werden wendiger, was die Spannung durch noch mehr Überholmanöver erhöhen soll. Beim Antrieb steigt der Anteil der elektrischen Einheit auf 50 Prozent, zudem wird mehr und mehr nachhaltiger Kraftstoff verwendet. Die Formel 1 möchte im Jahr 2030 C02-neutral sein. Die Kosten für die Motorenentwicklung sind bei 95 Millionen Euro gedeckelt. Ein planbares Unterfangen also.

    Und doch eines, das in Zeiten leerer Kassen bei vielen Autobauern kritisch beäugt wird. Audi verkaufte im vergangenen Jahr gut 200.000 Autos weniger als im Vorjahr. 1,67 Millionen Auslieferungen meldete der Hersteller, das entspricht einem Minus von fast zwölf Prozent. Die Nachfrageschwäche traf alle wichtigen Märkte. Die Gründe lieferte der Autobauer gleich mit: intensiver Wettbewerb und eingeschränkte Teileverfügbarkeit. Es soll zu Kürzungen, Verlagerungen und Einsparungen im Konzern kommen. Auch dem Mutterkonzern Volkswagen geht es nicht gut. Sparmaßnahmen werden eingeleitet, zehntausende Stellen sollen abgebaut werden. Ist es also wirklich der richtige Zeitpunkt, um in die Formel 1 einzusteigen?

    Eine Frage, über die diskutiert wird. Auch bei der Belegschaft des Herstellers. Wie aus Betriebsratskreisen zu hören ist, sei der Plan vom Unternehmen plausibel dargestellt worden. Zudem war den Arbeitnehmer-Vertretern wichtig, dass mindestens 300 neue Stellen in Neuburg entstehen. Das wurde erfüllt. Letztlich sei der Einstieg eine unternehmerische Entscheidung.

    Offizielle Zahlen nennt der Autobauer nicht. Die Übernahme von Sauber soll aber 650 Millionen Euro gekostet haben. Hinzu kommen weitere Kosten für den Aufbau des Teams mitsamt der Infrastruktur in Neuburg und Hinwil in der Schweiz, wo das künftige Rennteam seinen Sitz haben wird. Rund 450 Mitarbeiter arbeiten derzeit am Standort in Deutschland am Formel-1-Projekt, ähnlich viele kommen, Stand jetzt, in der Schweiz dazu. Die Zielgröße soll sogar bei etwa 1300 Mitarbeitenden liegen. Ein kosten- und personalintensives Projekt also.

    Aus Neuburg und Hinwil muss eine Einheit werden

    In der Schweiz wird das Auto rund um den Motor gebaut. Von Neuburg aus wird die Antriebseinheit betreut. Mit Experten direkt an der Rennstrecke, aber auch Ingenieuren von Deutschland aus. „Die große Herausforderung ist, das Team in der Kürze der Zeit aufzubauen“, sagt Dreyer. Aus Neuburg und Hinwil eine Einheit zu machen. Die unterschiedlichen Ansichten von Motorenentwicklern und Aerodynamik-Tüftlern unter einen Hut zu bringen.

    Kurzzeitig hatte Audi überlegt, den Teamsitz komplett nach Neuburg zu holen. Die Kosten aber wären explodiert, also traf man die Entscheidung, ein Team zu kaufen. Die Wahl fiel auf Sauber, da das Schweizer Team die Infrastruktur mitsamt eines Windkanals bieten kann. Der Motor aber wird in Deutschland entwickelt und gebaut. Anders als beim Rivalen Mercedes, dessen Formel-1-Aktivitäten ausschließlich in England stattfinden.

    Audi hat für das ehrgeizige Projekt viel investiert. 22 Motorenprüfstände stehen in Neuburg, für einen Teil davon wurde extra eine neue Halle errichtet. In kurzer Zeit in Modulbauweise. Bald sollen alle Prüfstände laufen, das Projekt biegt so langsam auf die Zielgerade ein. Bis März 2026 muss beim ersten Rennen alles bereit sein. Der Zeitplan ist eng.

    Stefan Dreyer (links) im Gespräch vor einem Motorenprüfstand in Neuburg an der Donau.
    Stefan Dreyer (links) im Gespräch vor einem Motorenprüfstand in Neuburg an der Donau. Foto: Audi AG

    Stefan Dreyer ist sich dessen bewusst. Die Tür zu seinem Büro steht meistens auf. Immer wieder muss er von Raum zu Raum eilen. Den Überblick behalten, den technischen Fortschritt der Antriebseinheit überwachen. Viele Absprachen sind nötig, Geheimhaltung ist allerdings ebenso wichtig. Wenig soll nach draußen dringen. Wer in die riesigen Hallen möchte, muss eine Verschwiegenheitserklärung unterschreiben. Manche sensiblen Bereiche sind ganz tabu. Soll keiner auf die Idee von Spionage kommen.

    Ein Investor aus Katar unterstützt Audi

    Doch war das Projekt immer sicher? Es kamen Gerüchte auf, Audi könnte noch einen Rückzieher machen. Vor allem nach dem Wechsel auf dem Posten des Vorstandsvorsitzenden. Die Königsklasse soll vor allem ein Wunsch von Markus Duesmann gewesen sein. Doch auch sein Nachfolger Gernot Döllner fand Gefallen – wenn auch nach längerer Analyse. Der neue Chef hatte sich das Projekt genau angeschaut und nach Verbesserungsmöglichkeiten gesucht. Über ein Ende aber habe er nie nachgedacht, heißt es aus Kreisen des Teams. „Das Projekt ist unter einem realistischen Ansatz geplant, der Rahmen ist klar gesteckt“, sagt Dreyer. Er gibt aber auch zu: „Die anderen haben einen Vorsprung beim V6-Motor.“ Die anderen, das sind die Motorenhersteller wie Mercedes und Ferrari. Oder Rückkehrer Honda.

    Ohnehin gilt: Die Formel 1 verschlingt viel Geld. Um die Zukunft zu sichern, suchten die Audi-Bosse nach einem Investor. Im November folgte die Meldung, dass die Qatar Investment Authority (QIA), der Staatsfonds von Katar, eine bedeutende Minderheitsbeteiligung an der Sauber Holding AG erwirbt. Die Rede ist von 30 Prozent. „Die Investition von QIA unterstreicht das Vertrauen und die Zuversicht, die das Audi-Formel-1-Projekt bereits gewonnen hat“, sagt Döllner, der zu seinem Job als Audi-Boss auch Vorsitzender des Vorstands der Sauber Motorsport AG ist. Und: „Dieser zusätzliche Kapitalfluss beschleunigt das Wachstum des Teams und ist ein weiterer Meilenstein in unserer langfristigen Strategie.“ Durchhalten, darauf kommt es an. Und damit ein Teil der weltweit boomenden Königsklasse werden.

    Im Jahr 2023 nahm das Zuschaueraufkommen im Vergleich zu 2022 um 46 Prozent zu. Weltweit schauten 1,5 Milliarden Menschen am Bildschirm zu. An den Strecken waren 5,9 Millionen Fans. In Deutschland aber tut sich die Formel 1 schwer. Es gibt hier kein Rennen mehr, auch die TV-Quoten lassen stetig nach. Die Hochzeiten mit den Triumphen von Michael Schumacher sind längst vorbei. Die Rotkäppchen, wie Ferrari-Fans damals genannt wurden, sind verschwunden. Und mit ihnen die Euphorie um die Rennklasse. Auch die vier WM-Titel von Sebastian Vettel konnten den Abwärtstrend nicht aufhalten. Momentan herrscht im Autobauerland Tristesse, was den Motorsport betrifft.

    Für Audi kein Grund, das Projekt abzulehnen. Deutschland sei zwar ein wichtiger Faktor, die Marke aber strebt in die Welt. Und findet mit Asien und den USA Märkte, in denen die Königsklasse immer mehr Fans lockt. Die Werbeerlöse dürften entsprechend höher sein als in den bisherigen Rennserien. Auch im Sponsoring werden Zuwächse erwartet. Zudem belohnt die Dachorganisation der Formel 1 gute Leistungen, indem sie mehr als eine Milliarde Euro unter den Teams verteilt. Dennoch ist die Entscheidung für den Einstieg ein Wagnis, Erfolge sind zunächst nicht zu erwarten.

    Der Start dürfte ernüchternd werden

    Konkurrent Mercedes zählt zu den Branchenführern der Formel 1. Dort möchte Audi irgendwann hin. Das wird Zeit brauchen. „Nicht fertig zu sein, ist keine Option“, sagt Dreyer über den Start 2026. Es wird darum gehen, wie weit die Entwicklung tatsächlich ist. „Wenn man wettbewerbsfähig sein möchte, muss man in allen Bereichen der Power Unit führend sein“, sagt Dreyer. Nur drei mal drei Testtage wird es Anfang 2026 vor dem Saisonbeginn geben. In den bisherigen Rennserien, an denen Audi teilgenommen hat, waren die Testmöglichkeiten kaum beschränkt. Es wartet eine neue Erfahrung.

    Zumal Sauber zuletzt meist das Ende im Formel-1-Feld zierte. Mit Audi soll der Aufschwung folgen. Auch mit Nico Hülkenberg, der als einziger deutscher Fahrer der Königsklasse ein Cockpit bei Audi erhielt. „Wir haben in den werksseitigen Motorsport-Projekten viel Wissen in der Antriebsentwicklung aufgebaut“, sagt Dreyer, „deshalb konnten wir von einem guten Niveau aus anfangen.“ Dennoch stellt der Formel-1-Antrieb ganz andere Anforderungen. „Wir können nicht alles auf dem Prüfstand abdecken, ein gewisses Restrisiko bleibt“, sagt der Stuttgarter und lächelt. Er kennt die Erwartungshaltung. Gewachsen durch viele erfolgreiche Jahre im Motorsport.

    In der Formel 1 aber dürfte der Beginn ernüchternd werden. Teamchef Mattia Binotto hat vorgegeben, ab 2030 dauerhaft an der Spitze mitfahren zu können. Zuvor geht es darum, den Anschluss zu finden. Kann sich eine ehrgeizige Marke wie Audi das leisten?

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