Plötzlich lagen da diese roten Reifen. Direkt vor Michael Schumachers Rennwagen. Ein Albtraum. Schumacher sprang aus seinem festgefahrenen Benetton-Rennwagen, rannte weg von der Strecke. Er quetschte sich zwischen Mauer und Gitter hindurch, bis er bei den Streckenposten angekommen war. Damon Hill fuhr unterdessen noch. Mit einem ramponierten Auto zwar sehr langsam, aber immerhin war er noch unterwegs. Und damit lebte die Hoffnung auf den Weltmeistertitel.
WM-Finale der Formel 1 1994 in Adelaide. Vor diesem Rennen hatte Schumacher einen Punkt Vorsprung. Kommt er vor seinem Rivalen Hill ins Ziel, hat er den Titel sicher. Die Situation spitzte sich zu. Schumacher fuhr vor Hill. Plötzlich aber schlitterte er mit seinem Auto in der 36. Runde über den Rasen neben der Strecke, mit dem Vorderreifen berührte er die Wand. Die Aufhängung wurde verbogen, Schumacher aber kam zurück auf die Strecke. Hill sah seine Chance, er wollte sich am damals 25-Jährigen vorbeiquetschen. Schumacher hielt dagegen, es kam zur Berührung. Schumachers Benetton hob ab, plötzlich fuhr er nur auf zwei Reifen. Der Wagen krachte zurück auf den Boden und raste geradewegs in den roten Reifenstapel. Das Ende aller Träume?
Schumacher stand mittlerweile bei den Streckenposten. Einer flüsterte ihm etwas ins Ohr. Schumachers Miene hellte sich auf, er lächelte. Erleichterung. Hill war zwar noch in die Boxengasse gekommen, dort aber ergab eine Untersuchung, dass sein Williams zu stark beschädigt ist. Aufgabe. Die WM war entschieden. Vor genau 30 Jahren wurde Michael Schumacher erstmals Weltmeister, ein Triumph für die Ewigkeit. „Ich wusste überhaupt nichts mehr, ich wusste nicht, ob ich mich freuen sollte, in mir waren sämtliche Gefühle vermischt. Es war schrecklich da draußen, aber es war unbeschreiblich, als es endlich feststand“, sagte Schumacher später über den Moment der Unsicherheit, der sich in Erleichterung auflöste.
Benetton hatte kaum einer etwas zugetraut
Die deutschen Fans saßen gerade am Sonntagmorgen beim Frühstück, als Schumacher um Titel Nummer eins kämpfte. Sie drückten dem jungen Mann aus Kerpen die Daumen. Auch, weil er plötzlich die Formel-1-Welt auf den Kopf stellte. Er in seinem Benetton gegen die Konkurrenten von Williams, McLaren oder Ferrari. Benetton? Das sei doch ein T-Shirt-Hersteller, was damals die verbreitete Meinung. Aber Motorsport, und dann auch noch Formel 1?
Benetton überraschte. Wegen Teamchef Flavio Briatore, aber auch wegen Michael Schumacher. Sein Talent hatte er schon weit vorher bewiesen, jetzt fuhr er tatsächlich um Spitzenplätze. Und das in einer Saison, die ihn beinahe zum Rücktritt gezwungen hatte. Die tödlichen Unfälle von Ayrton Senna und Roland Ratzenberger beim Unglückswochenende in Imola hatten ihm zugesetzt. Schumacher kam ins Grübeln. „Ich habe mich sehr intensiv mit dem Tod auseinandergesetzt und mich gefragt, was mir die Formel 1 und der Rennsport noch bedeuten können“, sagte Schumacher. Eine Menge, wie sich später herausstellen sollte.
Schumacher startete bei nur zwölf von 16 Rennen
Titel Nummer eins war Ausdruck von Schumachers Klasse und Kompromisslosigkeit. Er zeigte schon damals, dass ihm viele Wege zum Triumph recht sind. Manches Verhalten brachte ihm Kritik ein, später wurde der Begriff „Schummel-Schumi“ erfunden. „Diskussionen um Regelwidrigkeiten seines Benetton B194, Gerüchte um eine illegale Traktionskontrolle, die Beschlagnahmung der Elektronikbox samt Fia-Urteil über bestimmte Teile des Quellcodes, Regeländerungen, ein modifizierter Tankstutzenfilter, der den Feuerunfall seines Teamkollegen Jos Verstappen in Hockenheim auslöst, zwei Disqualifikationen in Silverstone und Spa-Francorchamps sowie eine Sperre für zwei Rennwochenenden – all das nagt an Michael, dem Ruf seines Teams und seinen Titelchancen. Statt in 16 Rennen kann er nur in zwölf Rennen Punkte sammeln“, hieß es auf Schumachers Homepage. Eine aufregende Saison gut zusammengefasst.
Acht Rennen hat Schumacher am Ende gewonnen, das reichte. Er sammelte 92 Punkte, Hill einen weniger. Für Schumacher war es der Beginn einer bis dahin unvergleichlichen Titeljagd. Er krönte sich in seiner Karriere siebenmal zum Weltmeister, die Begeisterung der deutschen Fans nahm stetig zu. Der Fernsehsender RTL feierte starke Quoten. Schumacher wurde zum PS-Helden, zum Idol vieler Kinder. Er wurde Rekordweltmeister, mittlerweile liegt Lewis Hamilton mit ihm gleich auf. Der Brite fährt noch, während Schumacher seine Karriere längst beendet hat. Seit einem schweren Ski-Unfall Ende 2013, bei dem er ein Schädel-Hirn-Trauma erlitten hat, ist er aus der Öffentlichkeit verschwunden. Die Erinnerungen an seine großen Triumphe aber bleiben.
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