Womöglich wäre das die genau richtige Reaktion gewesen. Einfach den WM-Pokal schon ein paar Wochen früher vergeben - weil der Zeitpunkt als sehr angemessen erscheint, auch wenn die Entscheidung noch nicht gefallen ist. Max Verstappen hat zwar nur ein weiteres Rennen seiner Formel-1-Karriere gewonnen, aber in einer Art und Weise, die keinerlei Zweifel an seinen Fähigkeiten lässt. Oder anders gesagt: Der Niederländer ist einer der besten Piloten aller Zeiten.
In Sao Paulo hatte es stark geregnet. Das Rennen war eineinhalb Stunden nach vorne gelegt worden, die Qualifikation fand am selben Tag um sieben Uhr morgens statt. Verstappen fuhr da nur auf Startrang 17, weil die Bedingungen für ihn schlechter waren als für die Konkurrenz und ihn eine Strafe wegen eines Motorenwechsels ereilte. Rang 17 bedeutet normalerweise, dass ein Sieg ausgeschlossen ist. Es sei denn, man heißt Max Verstappen.
Der Niederländer fuhr furios, er ließ sich durch nichts und niemanden aufhalten. Durch den Regen nicht, durch keine Unfälle oder Rote Flaggen. Er pflügte durchs Feld, als würde es nur für die anderen regnen und er hätte trockene Bedingungen. Dreimal ist er bereits Weltmeister, sehr bald wird er wohl seinen vierten Titel hinzufügen. Womöglich schon beim nächsten Rennen in Las Vegas.
Verstappen fährt in einer eigenen Liga
Der Red-Bull-Rennwagen ist nicht mehr der schnellste im Feld. Auch nicht mehr der zweitschnellste. McLaren ist vorbeigezogen, Ferrari auch. Mercedes bringt sich auch wieder für Rennsiege in Stellung. Red Bull hat seine Überlegenheit längst verloren. Der Rennstall aber hat einen Trumpf in der Hand, der sticht: Max Verstappen. Seine Ausnahmestellung zeigt sich vor allem im Vergleich mit seinem Teamkollegen Sergio Perez.
Während der Mexikaner gerade mal 151 Punkte gesammelt hat und damit genau das abruft, was ihm sein Dienstwagen ermöglicht, fährt Verstappen in einer anderen Liga. Er hat mit seinen 393 Zählern nun 62 Punkte Vorsprung auf Lando Norris, was eine erstaunliche Zwischenbilanz ist. Der Engländer hatte am Samstag den Sprint gewonnen und hätte von Startplatz eins am Sonntag losfahrend den Rückstand weiter minimieren können. Denkste. Während Norris mal wieder patzte, trumpfte Verstappen groß auf. „Es war natürlich unglaublich wichtig, denn letztlich war ich davon ausgegangen, dass ich Punkte verliere“, erklärte Verstappen nach dem überraschenden Sieg.
1121 Rennen wurden bislang in der Formel 1 gefahren, nur in fünf Fällen siegte ein Fahrer, der von Platz 17 oder noch weiter hinten startete. Letztmals gelang das 2005 Kimi Räikkönen, der den Großen Preis von Japan von Startplatz 17 aus gewann. Und nun eben dieses Husarenstück von Verstappen, eine der besten Leistungen in der Formel-1-Geschichte.
Die Kritik in den vergangenen Wochen war groß gewesen. Weil sich Verstappen wie ein Rüpel auf der Strecke verhalte. Beim Rennen in Mexiko hatte er zwei Zehn-Sekunden-Strafen erhalten, da er Norris von der Strecke gedrängt hatte. Der Aufschrei war groß, vor allem in England, der Heimat des McLaren-Piloten. Nun aber änderte sich auch auf der Insel die Meinung. Die Daily Mail etwa schrieb: „Max Verstappen beweist, dass er der beste Fahrer der Welt ist.“
Verstappen erinnert an Schumacher und Senna
In seiner Karriere hat der 27-Jährige 62 Formel-1-Siege gesammelt. Keiner aber war bisher so beeindruckend wie am Sonntag in Brasilien. Verstappen gelang nicht nur eine atemberaubende Aufholjagd, am Ende hatte er 20 Sekunden Vorsprung vor dem Überraschungszweiten Esteban Ocon im Alpine. 17 Mal fuhr der Niederländer zudem die schnellste Runde. Es war eine Galavorstellung.
Wer so Rennen fährt, wird unweigerlich mit den Größten der Formel-1-Geschichte verglichen. Mit einem Michael Schumacher etwa, der in einer aktiven Karriere als Regenkönig galt. Weil er seinen Rennwagen über die rutschige Strecke mit großer Ruhe steuerte. Oder mit einem Ayrton Senna. An den Brasilianer fühlte sich Verstappens Chef Christian Horner erinnert. „Max‘ erste Runde steht auf einer Stufe mit Donington 1993, so wie er außen rum in Kurve drei überholt hat.“, sagte der Red-Bull-Teamchef.
Horner spielte auf den Großen Preis von Europa vor 31 Jahren an, als Senna sich in Runde eins auf regennasser Strecke von Platz fünf auf Rang eins nach vorne schob. Am Ende siegte er mit großem Vorsprung. Lediglich den Zweitplatzierten hatte er nicht überrundet. Die Klasse eines Piloten zeigt sich vor allem bei komplizierten Bedingungen.
Verstappen hat alle Kritiker verstummen lassen. WM-Titel Nummer vier ist ganz nahe. Und damit auch der nächste Pokal.
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