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Manuel Neuer patzt - die Diskussionen kurz vor der Euro 2024

Fußball-EM 2024

Neuer patzt und erhält Rückendeckung: Fans fordern in Umfrage ter Stegen

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    Deutschlands Torhüter Manuel Neuer unterlief vor dem 0:1 im Test gegen Griechenland ein Fehler.
    Deutschlands Torhüter Manuel Neuer unterlief vor dem 0:1 im Test gegen Griechenland ein Fehler. Foto: Christian Charisius, dpa

    Es ist keineswegs ein Zeichen von Missachtung, dass die Gesichter der deutschen Nationalspieler nicht mehr auf Anhieb jedem Fan geläufig sind. Umso wichtiger sind unverwechselbare Figuren, die deshalb ja auch bei Auftritten der DFB-Auswahl vorrangig auf Plakaten, Stellwänden und Leuchtbildern gezeigt werden. Ganz egal, ob das deutsche Team zuletzt in Blankenhain, Jena, Herzogenaurach, Nürnberg oder Mönchengladbach aufschlug: Das Konterfei des Manuel Neuer fand sich überall. Eine fast schon zeitlose Figur der Nationalmannschaft, die allerdings genauso die guten wie die schlechten Zeiten des deutschen Aushängeschildes verkörpert. Trotz unbestreitbaren Verdiensten und höchstem Wiedererkennungswert, wird gerade über ihn am meisten diskutiert. 

    Das liegt in erster Linie an den Leistungen einer Nummer eins, die schlicht nicht mehr wie ein fünffacher Welttorhüter hält. Ausgerechnet eine deutsche Domäne gibt sich vor dem Heimturnier wenig standfest. Der 38-Jährige hat mit seinem Aussetzer gegen Griechenland fast zwangsläufig die Torwartdebatte befeuert, auch wenn er natürlich nur am Ende einer langen Fehlerkette stand. "Grundsätzlich muss ich den Ball besser wegbringen, das steht fest für mich, das habe ich auch sofort gemerkt", sagte Neuer der ARD. Zu weiteren Eingeständnissen wollte er sich nach seinem 119. Länderspiel nicht durchringen. Der Hang zur Selbstkritik war bei diesem Tausendsassa, der auch andere Sportarten meisterhaft beherrscht, noch nie sehr ausgeprägt. "Bei beiden Spielen finde ich, dass ich gute Leistungen gezeigt habe. Und so gehe ich auch in die Gruppenphase", betonte der Tormann des FC Bayern. Ende der Durchsage.

    Manuel Neuer ist nicht für seine Selbstkritik bekannt

    Nachfragen in der Mixed Zone in Mönchengladbach ersparte sich der Keeper, der bislang auch noch bei keiner Pressekonferenz erschien. Ohne Kapitänsbinde geht das, es sagt aber auch etwas über die verlustig gegangene Souveränität aus. Immerhin bekamen einige Fans am Zaun noch ein Autogramm, das letzte ergatterte ein Polizist mit schusssicherer Weste. Sein vielleicht wichtigster Beschützer ist aber gerade der Bundestrainer, der dem gebürtigen Gelsenkirchener einen Sonderstatus einräumt: Julian Nagelsmann geht über die angehäuften Missgeschicke der jüngeren Vergangenheit locker hinweg. Neuer hat bei Real Madrid in der Champions League und im Bundesliga-Finale bei der TSG Hoffenheim gepatzt; beim Nationalelf-Comeback gegen die Ukraine verstörte ein missglückter Chip. Und nun ging sogar einfachstes Handwerk schief. Trotzdem wollte Nagelsmann den Fehler "nicht bewerten, nicht analysieren, noch daran herumdoktern".

    Seine Verteidigungsrede: "Ich nehme keine Selbstzweifel bei ihm wahr. Das ist wichtig. Ich lasse keine Diskussion aufkommen. Er hatte drei Weltklasseparaden, die hält nicht jeder. Er hat mein Vertrauen." Übrigens auch das der meisten Mitspieler. Siegtorschütze Pascal Groß geriet ins Schwärmen, als er auf Neuer angesprochen wurde. "Ich bin begeistert, wie gut er ist. Das habe ich so in meiner Karriere noch nicht erlebt."

    Offenbar verströmt die deutsche Instanz unter der Latte selbst im Alltag immer noch eine Aura, die weder durch die schwache WM in Katar noch den komplizierten Beinbruch gelitten hat. Und wurde derselbe Schlussmann nicht anfangs mit Sprechchören für seine Großtat gegen Christos Tzolis gefeiert?

    Die Häufung an Fehlern ist dennoch nicht von der Hand zu weisen. In seiner Nibelungentreue zu Neuer bringt sich Nagelsmann selbst in die Bredouille. Grundsätzlich sollte doch "jeder Deutsche ein Interesse daran haben, dass jeder Spieler gefestigt und stabil spielt." Eine eigentümliche Schlussfolgerung, um das Leistungsprinzip außer Kraft zu setzen. Eine Schutzburg um den Torwart zu errichten, ist einerseits verständlich, andererseits wird nun jeder Wackler auch auf den Trainer zurückfallen.

    Marc-André ter Stegen hat eine Top-Saison gespielt

    Weil es ja eine Alternative gäbe. Viele Spieler haben von den Länderspielen gegen Frankreich (2:0) und die Niederlande (2:1) profitiert, nur für Marc-André ter Stegen galt das nicht. Der gebürtige Mönchengladbacher hat seine Enttäuschung erst in der ZDF-Dokumentation "Heimvorteil" bei Tommi Schmitt artikuliert, als der 32-Jährige von "einem Schlag ins Gesicht" sprach, nachdem er im März davon erfuhr, dass Nagelsmann doch wieder auf Neuer setzen würde. Am Medientag in Herzogenaurach sagte er: "Es ist keine angenehme Situation. Aber der Trainer hat die Entscheidung getroffen, die akzeptiere ich, auch wenn ich nicht der gleichen Meinung bin."

    In einer aktuellen Umfrage vom Fachmagazin Kicker votieren 83 Prozent dafür, dass Deutschland mit ter Stegen die EM 2024 bestreiten sollte. Spannend, was solch ein öffentliches Misstrauensvotum mit Manuel Neuer bei seinem achten Turnier macht.

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