Immer noch sichtlich geladen stapfte Thomas Müller an den wartenden Journalisten vorbei. "Ich habe schon alles gesagt!", rief er nach dem bitteren 0:3 in Leverkusen den Pressevertretern zu. Was Müller meinte: Kurz zuvor war ihm live im TV der Kragen so deutlich wie selten geplatzt. Im Interview mit Sky hatte der 34-Jährige über die ebenso deutliche wie verdiente 0:3-Pleite im Spitzenspiel gegen Leverkusen geredet. Auf die Frage nach Erklärungsansätzen sagte er: "Warum, warum. Es gibt natürlich einige Symptome. Ich bin ehrlich gesagt angefressen. Das können wir unseren Oliver Kahn zitieren: Mir fehlen da teilweise die Eier!"
Müller, der nach einer Stunde als Einwechselspieler kam, redete sich mit weit aufgerissenen Augen in Rage, beklagte fehlenden Mut bei seinen Mitspielern: "Wir haben eine Verkopftheit in unserem Spiel." Wie Fußball funktioniert, habe Leverkusen aufgezeigt: "Bei Leverkusen ist nicht jeder Spielzug geplant, wenn Grimaldo auf Rechtsaußen auftaucht, obwohl er Linksverteidiger ist. Die zocken einfach, die spielen Fußball, die suchen Lösungen! Das machen wir auch, aber nicht im Spiel, wenn der Druck da ist. Das erwarte ich vom FC Bayern und unserer Mannschaft."Seine Analyse könne man kurz halten: "Was mir fehlt – deswegen sage ich es auch öffentlich – von uns Spielern, dass wir im Training deutlich bessere Ansätze zeigen, weil wir da mutig sind und frei Fußball spielen."
Thomas Müller schützt Trainer Tuchel: "Da brauchst du gar nicht auf den Trainer zu gehen!"
Als Kritik am Trainer will Müller seine Aussagen nicht verstanden wissen. Die Spieler seien entscheidend für das, was auf dem Platz geschehe: "Es waren genug Spieler von internationalem Format bei uns auf dem Platz. Da brauchst du gar nicht auf den Trainer zu gehen!" Dabei habe der FC Bayern zu Beginn durchaus gute Ansätze gezeigt: "Die ersten zehn Minuten fangen wir gut an. Und dann bringen wir den Ball in die gegnerische Hälfte. Dann spiel ihn meinetwegen ins Aus. Dann gibt es Einwurf, den kann man zustellen. Dann spielen wir von A nach B. Von B nach C." Tenor: So funktioniert Fußball nicht. Beim ZDF hatte sich Müller kurz darauf schon wieder gefangen, blieb aber inhaltlich dabei: Wie Fußball geht, hat Leverkusen vorgemacht. "Bei Leverkusen hat man das Gefühl, dass die zusammen sehr viel Spaß haben."
Eine Aussage, die ungewollt wieder ein Schlaglicht auf Trainer Thomas Tuchel warf. Schließlich ist er als leitender Angestellter auch maßgeblich für die Stimmung in der Mannschaft zuständig. Tuchel selbst kann den Gefühlsausbruch seines Spielers nachvollziehen, wie er auf der Pressekonferenz nach dem Spiel sagte: "Ich kann es auf jeden Fall verstehen. Es fehlt uns an Leichtigkeit, Durchsetzungsfähigkeit und Selbstvertrauen. Ohne Druck machen wir es sehr gut, am Spieltag nicht."
Die Kritik an der taktischen Umstellung auf Dreierkette nehme er auf sich, schränkte aber auch in Richtung seiner Spieler ein: "Das erste Tor kann man nicht kassieren, wenn man mit einer Fünferkette spielt." Bei der Hereingabe von Andrich waren alle drei Innenverteidiger plus Sacha Boey völlig indisponiert, die Leihgabe Josip Stanisic schob zur Führung ein. Ausgerechnet Stanisic, den der FC Bayern an die Werkself verliehen hatte. Und jetzt? Im Pokal ist Bayern bereits raus, in der Liga ist der Abstand auf die immer noch ungeschlagenen Leverkusener auf fünf Punkte angewachsen. "Wir werden dran bleiben", sagte ein sichtlich getroffener Tuchel.