Eigentlich ist es ja völlig müßig zu fragen, ob es für Josip Stanisic ein besonderes Tor war gegen die Bayern – jenen Verein, für den der gebürtige Münchner sechseinhalb Jahre spielte und bei dem er noch bis Sommer 2026 unter Vertrag steht. Trotzdem durfte Stanisic diese Frage nach Abpfiff des Siegs gegen den FCB beantworten: Komisch war es auf alle Fälle, was er mit seinem demonstrativen Nichtjubel unterstrich. "Für mich ist jedes Tor komisch, weil ich nicht viele Tore schieße", sagte der 23-Jährige am Sky-Mikrofon lachend.
Das Lachen dürfte den Verantwortlichen der Bayern aber im Laufe des Spiels vergangen sein. Und das nicht nur wegen des Tors des Rechtsverteidigers, der den Widerstand des FCB brach. Stanisic, der vor der Saison überraschend an Leverkusen verliehen wurde, spielte meist gegen Sacha Boey. Der Franzose, eigentlich ebenfalls auf der rechten Bahn zu Hause, wurde von Tuchel auf links aufgeboten – und von Stanisic nach allen Regeln der Kunst abgekocht.
Stanisic gegen Boey – dieses Duell wird es bei den Bayern ab Sommer öfter geben
Der Treppenwitz dieses Duells ist, dass Boeys Verpflichtung für rund 30 Millionen Euro erst deshalb notwendig geworden war, weil Stanisic an die Werkself verliehen worden war und im Kader der Münchner mit Mazraoui zwischenzeitlich nur noch ein Rechtsverteidiger stand. Das Leihgeschäft aus dem Sommer dürfte nicht als die allerbeste Idee in der Geschichte der Münchner Transferpolitik eingehen.
Gegen die Bayern ragte Stanisic aus einer ohnehin starken Leverkusener Mannschaft heraus. Ob er, der offenbar Verkannte, seinem Stammverein zeigen wollte, dass er Bayern-Format hat? "Ja, das kann man schon so sagen", gab der kroatische Nationalspieler offen zu. "Man weiß ja, wenn man ausgeliehen wird, dass man vielleicht glaubt, dass man nicht das Zeug dazu hat. Und ich wollte mir selbst beweisen, dass ich das Zeug dazu habe."
Das dürfte auch Thomas Tuchel aufgefallen sein. Der sagte auf der Pressekonferenz zum Tor des Spielers, der womöglich als Meister nach München zurückkommen wird: "Da gibt es in England so eine schöne Regel: Wenn du Spieler ausleihst, können die nicht gegen dich spielen." Eine ähnliche Regel wünsche er sich für die Bundesliga. Stanisic wird es egal sein: Im Kampf um einen Stammplatz bei den Bayern hat er am Samstagabend gegen seinen künftigen Konkurrenten Boey den ersten Sieg errungen.