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Leichtathletik: Ansah widmet den Rekord dem Papa

Leichtathletik

Ansah widmet den Rekord dem Papa

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    Rekordlauf im Eintracht-Stadion:  Das Vorbild von Leichtathlet Owen Ansah ist sein Papa.
    Rekordlauf im Eintracht-Stadion: Das Vorbild von Leichtathlet Owen Ansah ist sein Papa. Foto: Swen Pförtner, dpa

    In diesem hektischen Gewimmel übersieht der Typ im knallroten Langarmshirt selbst jenen Mann, der ihn in diese besondere, gar historische, Situation gebracht hat. Owen Ansah läuft an seinem Trainer vorbei, registriert Sebastian Bayer nicht mal. Der nimmt ihm die Missachtung nicht übel, grinst und meint: „Er kennt mich schon nicht mehr.“ Zu viel bricht am Samstag in Braunschweig über ihn herein. Plötzlich wollen alle was von ihm. Analysen und Details aus seinem Leben. Autogramme und Selfies. Oder ihm einfach seine Medaille für den deutschen Meistertitel umhängen. 

    Das Gold ist für Papa. Der feiert am Dienstag Geburtstag – und hat sich eben dieses Geschenk von seinem Sohn gewünscht. Der 23-Jährige ehrt ihn mit noch mehr. Um 16.29 Uhr sprintet Owen Ansah die 100 Meter in 9,99 Sekunden, läuft als erster Deutscher unter zehn Sekunden. „Es musste irgendwann mal passieren. Jetzt ist es passiert“, sagt der Meister vom Hamburger SV und schreibt „Sportgeschichte“, wie Sebastian Bayer sagt: „Ich hoffe, dass das ein positiver Schub ist.“ 

    Nach dem vermaledeiten Jahr wegen eines Ödems am Schambein, das sechs Monate Pause und Rehatraining erfordert. Die gesundheitlichen Malaisen ziehen sich noch bis ins Frühjahr, erst im Mai zieht Owen Ansah wieder Spikes an. Doch schon in der EM-Ergebnisliste von Rom taucht sein Name hinter Platz fünf auf, in Braunschweig verbessert er nun die acht Jahre alte Rekordzeit von Julian Reus um zwei Hundertstel und sagt: „Man holt sich den Rekord, wir haben hart trainiert, der kommt nicht einfach so. Man muss vor Augen haben, was man machen möchte.“ 

    Der Vater aus Ghana ist sein Vorbild

    Wie einst sein Vorbild: Papa. Der ehemalige Leichtathlet stammt aus Ghana. „Er ist nach Deutschland gekommen, ohne irgendwas zu haben“, erzählt Owen Ansah über seinen Dad, der inzwischen im Miniatur-Wunderland arbeitet. Der Filius hört auf ihn – wie seinen Sportlehrer in Klasse sieben – und geht 2015 zum Athletik Club in Hamburg. 

    Nun reist er mit Direktnorm zu den Olympischen Spielen, braucht nicht mehr den Umweg über die Weltranglistenposition. In Paris sind die Erfolgsaussichten mit der Staffel allerdings größer denn als Solist. „Dafür arbeiten wir weiter konzentriert und fangen jetzt nicht an zu träumen“, meint Sebastian Bayer. Wissend, dass „man mit 9,99 international nichts erreicht.“ Auch kein olympisches Finale. Und doch hofft der ehemalige Weitspringer, diese magische Zahlenkombination möge „eine Befreiung für den Sprint“ hierzulande sein. An der Zeit wäre es. 

    Lückenkemper erkennt das historische Ausmaß sofort

    Jenen Deutschen, der 1960 die 100 Meter in – handgestoppten – 10,0 Sekunden gerannt ist, kennt Owen Ansah übrigens nicht: Armin Hary. „Ich bin leider zu spät auf die Welt gekommen. Da war mein Vater erst ein Jahr alt.“ Das historische Ausmaß erfasst auch Deutschlands schnellste Frau flott. „Ich habe hinter dem Block gestanden und hatte Gänsehaut, das war total genial“, sagt Gina Lückenkemper – und rennt nach dem Genussmoment in 11,04 Sekunden selbst zum Titel. 

    Umzug nach Mannheim. Während die 27-Jährige in den USA trainiert, ist Owen Ansah vor drei Jahren mit seinem Coach und guten Staffel-Kumpel Lucas Ansah-Peprah nach Mannheim gegangen. Ein großer Einschnitt, das Elternhaus zu verlassen, über den der Sprinter in der Replik sagt: „Ich hätte den Schritt sowieso machen müssen. Man braucht Abstand von der Gewohnheit, muss aus seiner Komfortzone raus.“ Spätestens seit Samstag weiß Owen Ansah um den grandiosen Effekt dieser Entscheidung. Das Wissen, dass auch sein Trainer nach Verletzungen stärker zurückgekommen ist, rennt ohnehin im Unterbewusstsein mit, hilft und lässt das Duo zugleich enger zusammenwachsen – in Symbiose mit noch größerer Professionalität. 

    Raus aus der Komfortzone

    Owen Ansah achtet noch mehr auf Ernährung und Schlaf, regeneriert besser als noch 2022 und denkt mehr über seinen Sport nach. Schon während des Einlaufens hört der 23-Jährige in seinen Körper statt nur über den Rasen zu traben. Ein mentaler Reifeprozess, dessen Ende nicht absehbar ist. 

    Am Sonntag ist Owen Ansah für zwei Tage nach Hamburg zur Familie gefahren. „Dann trainieren wir wieder für Olympia“, sagt Sebastian Bayer und fügt mit Blick auf das Gewimmel um seinen Athleten an: „Ich weiß auch, dass ich ihn recht gut wieder auf den Boden kriege.“ 

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