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Kommentar: Wenn dieses Spiel doch bloß nicht so schön wäre

Kommentar

Wenn dieses Spiel doch bloß nicht so schön wäre

Tilmann Mehl
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    Fußball setzt Emotionen frei. Vor alldem deshalb wird so viel Geld in den Betrieb gesteckt. In diesem Umfeld wirbt man natürlich gerne.
    Fußball setzt Emotionen frei. Vor alldem deshalb wird so viel Geld in den Betrieb gesteckt. In diesem Umfeld wirbt man natürlich gerne. Foto: Gerrit Van Keulen, Witters

    Die Fans haben in den vergangenen Jahrzehnten enorm von den absurden Geldflüssen rund um den Profi-Fußball profitiert. Sie haben die Möglichkeit, jede noch so unbedeutende Partie live im Fernsehen zu verfolgen. Weil die Klubs einen Teil ihrer Einnahmen in die Ausbildung der Talente investieren, wird die Qualität von Spielern und Spielen beständig besser. Der Preis für die permanente Verfügbarkeit und hochklassigen Sport ist allerdings hoch. Möglicherweise: zu hoch.

    Jeder Fan kann entscheiden, ob er Sendern und Streaming-Anbietern hilft, die Investitionen in Übertragungsrechte wiederzubeschaffen. Wer nicht zahlt, sieht nichts. Es gibt kein Recht auf kostenlosen Spitzensport im Fernsehen. Ebenfalls nicht verbrieft ist die Möglichkeit, sich mit einem Klub zu identifizieren. Identifikation aber ist das höchste Gut der Vereine, die ja in der Mehrzahl Aktien- oder Kommanditgesellschaften sind. Sich einem Wirtschaftsunternehmen hinzugeben, fällt schwer. Geld tut der Liebe meistens nicht gut.

    Die Klubs gehen immer neue Wege, um Geld zu generieren. Das ist nötig als Wirtschaftsunternehmen. Mit frischem Geld holen sie sich gleichzeitig Probleme ins Haus. Die Berliner Hertha lieferte sich dem Investor Lars Windhorst aus, verschwendete hunderte Millionen Euro und kam in der Liga doch nicht von der Stelle. Nun will Windhorst seine Anteile wieder verkaufen. Der FC Bayern lässt sich von Qatar Airlines sponsern und wird dafür kritisiert, Geschäfte mit einem menschenrechtsverachtenden Regime zu machen. Der arabische Staat wirkt auch bei anderen Klubs mit, hat sich zudem die WM 2022 ins Land geholt. Der Profifußball ist selber Schuld an dem schlechten Leumund, den er in weiten Teilen der Gesellschaft genießt. Wenn doch nur das Spiel einfach nicht so wunderbar wäre.

    Im deutschen Vereinsfußball existiert eine Regelung, die den Einfluss externer Geldgeber und Geldgeberinnen reglementiert. Das Sagen müssen immer die Mitglieder haben. Die sogenannte 50+1-Regel soll verhindern, dass die Klubs zum Spielball der Investoren und Investorinnen werden.

    Ismaiks Einstieg nutzte den Löwen nichts

    Weil es diese Regel in anderen Ländern nicht gibt, fordern deutsche Klub-Vertreter immer wieder, sich anzupassen, um im internationalen Wettbewerb mitzuhalten. Gleichwohl zeigen die Beispiele Hertha und 1860 München (hier ging es nach dem Einstieg von Hasan Ismaik kurzzeitig in die vierte Liga hinab), dass Geld keine Garantie für Erfolg ist.

    Allerdings haben die Milliardenzahlungen von Sponsoren und Investoren im europäischen Ausland auch Auswirkungen auf den Markt in Deutschland. Den meisten Kindern und Jugendlichen (und vielen Erwachsenen) ist es egal, wieso Mbappé für Paris und Haaland für Manchester City spielt. Hauptsache, sie spielen. Auf den Trainingsplätzen Deutschlands tummeln sich mehr Neymars als Maximilian Bauers (wiewohl der Augsburger Verteidiger eine gute Saison spielt). Den deutschen Mittelklasse-Klubs droht so eine Generation Fans wegzubrechen. Jugendliche rezipieren Fußball jetzt schon anders als es Vereinsvertreter gerne hätten. Mehr Highlight-Videos, weniger werbefinanziertes Fernsehen. Mehr Konsole, weniger Stadion. Erlösmodelle ändern sich.

    Angeführt wird die Bundesliga derzeit übrigens von Union Berlin und dem SC Freiburg. Zwei der wenigen Vereine, die keine Kommanditgesellschaft oder AG sind. Es ist schon jetzt ein Relikt. Ein schönes.

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