Der Sieg gegen Frankreich war stellenweise eine Zeitreise zurück in glückselige Nationalelf-Zeiten. Das Führungstor beim 2:1-Sieg etwa hatte alles, was die DFB-Auswahl in besten Zeiten auszeichnete: In der Entstehung verlor Gündoğan den Ball, erkämpfte ihn sich aber wieder (deutsche Tugenden), es folgte eine sehenswerte Kombination (Jogi Löw gefällt das) und zuletzt ein Tor von Thomas Müller in Müller-Manier: irgendwie annehmen und rein damit. Und auch sonst lieferte der Sieg gegen den Vizeweltmeister einige positive Erkenntnisse.
Etwa die, dass Benjamin Henrichs einen soliden bis guten linken Außenverteidiger geben kann, dass die Unterstützung der Fans sofort wieder da ist, wenn die Nationalelf ihrem Anspruch gerecht wird. Allgemein der Eindruck: Es geht doch noch, auch wenn das mit der Weltklasse vorerst nicht mehr wird. Und dennoch ist Rudi Völler gut beraten, sein Comeback nur auf ein Spiel zu begrenzen.
Völler fand den Draht zu den Spielern, profitierte aber auch vom Flick-Effekt
Denn Völler hatte bei seinem Debüt einen großen Vorteil: Er ist nicht Hansi Flick. Wie tief der Graben ist, der mittlerweile zwischen dem geschassten Ex-Bayern-Coach und seinen ehemaligen Spielern verläuft, war in der Woche vor dem Japan-Spiel deutlich geworden. Auf die Frage hin, ob seine kurzzeitige Ausbootung etwas in ihm bewirkt habe, antwortete Niklas Süle mit einem Grinsen und einem Wort: "Nein." Flick hatte den Verteidiger wiederholt wegen dessen Fitnesswerten angezählt und sich ein Umdenken bei diesem erhofft. Weitere Belege für das mindestens schwierige Verhältnis zwischen Trainer und Mannschaft liefert die Amazon-Doku der Katar-WM.
Völler fand hingegen den Draht zu den Spielern, hatte aber eben auch den Vorteil, dass die Kicker nach dem Flick-Aus massiv unter Druck standen, sich beweisen zu müssen. Und wer gegen den Vizeweltmeister Frankreich nach einem derartigen Aufruhr samt Trainerentlassung nicht topmotiviert ist, sollte sich ohnehin ein neues Betätigungsfeld suchen.
Die deutsche Fußball-Nationalmannschaft braucht so schnell wie möglich einen neuen Trainer
Dieser Flick-Faktor wäre für den 63-jährigen Völler, der im September 2004 das letzte Mal als Trainer gearbeitet hatte, ab dem Spiel zwei nicht mehr da gewesen. Der DFB weiß, dass nun fast jeder Tag zählt, an dem der neue Bundestrainer eher da ist. Schließlich steht in neun Monaten die Heim-EM an. Einen großen Vorteil hat der 2:1-Sieg der DFB-Elf nun gebracht: Es dürfte angesichts dieses möglichen Leistungsnachweises etwas leichter sein, den geforderten Toptrainer davon zu überzeugen, dass es eine gute Idee sein könnte, beim DFB zu unterschreiben.