Es spricht für die Führungsqualitäten von Martina Voss-Tecklenburg und Britta Carlson, dass die beiden Trainerinnen in der Analyse am Montagmorgen in Wyong nicht nur die Schuld bei den deutschen Spielerinnen gesucht haben. Sondern Klartext redeten, dass sie am Ende von der Bank keinen entscheidenden Einfluss nahmen, um ein Remis gegen Kolumbien zu retten. Auf den Ball treten, die Torhüterin mitnehmen. Ihr Team wollte zu viel – und nun wird viel hinterfragt. Etwa unweigerlich auch, ob die Frauen vielleicht weiter von der Weltspitze weg sind als gedacht.
Ungeachtet des unglücklichen Ausgangs in dem von kolumbianischen Fans dominierten Hexenkessel von Sydney: In der Fifa-Weltrangliste mögen die DFB-Frauen zwar auf Platz zwei stehen, aber wie ein kommender Weltmeister wirkt das Team seit geraumer Zeit schon nicht mehr. Es ist nach Australien ans andere Ende der Welt geflogen, um einen Kontrapunkt zu den unschönen Erlebnissen der Männer bei der WM in Katar zu setzen. Nun legen sich einige Mängel wie ein Abziehbild geschlechterübergreifend übereinander. Es gibt nicht wenige, die haben genau das befürchtet, denn in der Ausbildung bei den Mädchen wiederholen sich leider einige der Fehler, die auch bei den Jungs gemacht worden sind.
Mutmacher aus deutscher Sicht: Auch andere WM-Teams tun sich schwer
Einen Mutmacher gibt es aus deutscher Sicht bei dieser Endrunde: Mit spielerischen Lösungen tun sich auch andere Topnationen gerade schwer. Weder Weltmeister USA noch Europameister England sind bislang durch überbordende Kreativität aufgefallen. Deren Herangehensweise beruht auf Power, Physis und Professionalität. Insofern könnte es mit der K.-o.-Phase auf einen interessanten Kampf der Systeme hinauslaufen. Den Kontrapunkt setzen nämlich Spanien und Japan, die sich vor ihrem direkten Aufeinandertreffen am Montag im neuseeländischen Wellington mit spielerischer Leichtigkeit das Weiterkommen gesichert hatten.
Ihre Philosophie fußt auf wendigen, oft wieselflinken Spielerinnen, die dank ihrer beeindruckenden Handlungsschnelligkeit auch dichte Defensivkonstrukte aushebeln. Deutschland kann diesen Ansatz mit seinem Kader nicht adaptieren. Es fehlen Unterschiedsspielerinnen, die instinktiv richtige Entscheidungen treffen. Lina Magull ist noch solch ein Typ Straßenfußballerin, macht aber gerade eine Formkrise durch. Zwei der besten Technikerinnen sind nicht dabei: Linda Dallmann fehlt verletzt, Dzsenifer Marozsan hat nach einem Kreuzbandriss ihren Rücktritt erklärt.
Südkorea darf kein echter Stolperstein für die deutsche Mannschaft sein
Also muss es das deutsche Team mit seinen etwas hausbackenen Bordmitteln richten. Oder der Kopf von Alexandra Popp. Südkorea darf kein echter Stolperstein sein, aber im Achtelfinale würde vermutlich mit Frankreich eine hohe Hürde warten. Ein Gegner, der seinen Zusammenhalt wiedergefunden hat. Schwer vorstellbar, dass sich die Französinnen in Adelaide ein drittes Mal durch einen Doppelpack von Popp besiegen lassen würden. Sie entschied im Alleingang das EM-Halbfinale in Milton Keynes und das Freundschaftsspiel in Dresden im vergangenen Jahr.
Das Dumme ist, dass mit der so laut herausposaunten Mission zum dritten Stern die Erwartungshaltung der deutschen Öffentlichkeit bei den Frauen ausgesprochen hoch ist. Es wird vermutlich in der Kommunikation schwierig bis unmöglich, jetzt noch während der WM eine realistischere Anpassung vorzunehmen.