Die Banalität der Fragen verdeutlicht die privilegierte Ausgangsposition: Wenn wir den Straßenfasching in Anbetracht des Kriegs in der Ukraine für unangebracht halten, müsste das dann nicht auch für die tausende Fußballfans gelten, die am Wochenende ins Stadion strömen? Ist es nicht ein lächerliches Zeichen, wenn der Deutsche Olympische Sportbund sämtliche Vereine zu einer Schweigeminute als Zeichen der Solidarität aufruft? Ist damit nicht einfach niemandem geholfen? Wohl denen, die diese Fragen eindeutig beantworten können. Sie sind von erstaunlichem Urteilsvermögen.
Allen anderen aber finden im Nebel der Hilflosigkeit keinen Halt. Aber was ist schon diese wohl saturierte Hilflosigkeit im Vergleich zu jener tausend Kilometer östlich, die sich aus Angst um Leben und Heimat speist? Nicht jede Frage bedingt eine eindeutige Antwort. So ist es den Sportverbänden, Athletinnen und Athleten, Fans, Vereinen und Funktionären nicht vorzuwerfen, wenn sie noch keine eindeutige Haltung eingenommen haben.
Das Morden hört nicht auf, wenn im Zweitligastadion geschwiegen wird
Im Gegenteil: Es ist zynisch, sich über die lustig zu machen, die ihre Anteilnahme öffentlich zum Ausdruck bringen. Der Krieg in der Ukraine wird nicht dadurch beendet, dass das Brandenburger Tor blau und gelb angestrahlt wird. Putin hört das Morden nicht auf, weil im deutschen Zweitligastadion eine Minute geschwiegen wird. Es schadet aber auch nicht. Wenn sich für einige dadurch Halt gewinnen lässt, sind die Aktionen gelungen.
Der Sport war nie unpolitisch und wird es nie sein. Der Sport leidet unter den gleichen Problemen wie alle anderen gesellschaftlichen Bereiche. Hier steht ein Ex-Kanzler auf der Gehaltsliste eines Gaslieferanten, dort darf sich Russland bei Fußball-Weltmeisterschaft und Olympischen Spielen als Gastgeber präsentieren. Möglicherweise ziehen Sportverbände ihre Lehren daraus. Das ist aber gerade nicht entscheidend. Ebenso wenig ist es von globaler Bedeutung, ob in Stadien geschwiegen oder angefeuert wird. Es ist Luxus, sich darüber Gedanken machen zu können.
Der professionelle Sport ist der Unterhaltungsbranche zugehörig. Man muss ihn nicht größer machen als er ist. Für viele aber ist er wichtiger Teil des Alltags, mitunter dient er auch als Alltagsflucht. Wer dazu noch in einer Minute des Schweigens sein Mitgefühl ausdrücken will, soll das ohne wertende Kommentare machen dürfen. Es gibt wahrlich Wichtigeres.