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Kommentar: Hat der Wintersport in Zeiten der Klimakatastrophe noch eine Zukunft?

Kommentar

Hat der Wintersport in Zeiten der Klimakatastrophe noch eine Zukunft?

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    Regen und hohe Plusgrade haben den Schnee rund um das Schattenberg-Skistadion in Oberstdorf dahinschmelzen lassen.
    Regen und hohe Plusgrade haben den Schnee rund um das Schattenberg-Skistadion in Oberstdorf dahinschmelzen lassen. Foto: Ralf Lienert

    Am Mittwoch sind sie langgelaufen. Auf weißen Bändern durch eine grüne Hügellandschaft im Ried. Bei der Tour de Ski in Oberstdorf. Am Bergisel in Innsbruck landeten die Skispringer auf einer weißen Zunge. Am Friedhof nebenan dominierten Grau und Grün. Der Wintersport im Frühlings-Januar 2023 kommt seltsam daher. Wie eine Plastiktanne mit Kunstschnee. Es wirkt wie ein Versuch, Winter zu spielen, wo im wahrsten Sinne des Wortes die Grundlage fehlt – Schnee. Der Klimawandel ändert unser aller Leben, vor allem aber auch das der Wintersportler. Hitze und Stürme können wir fühlen. Aber wenn das weiße Gold fehlt, fällt es besonders auf. 

    Steigen die Durchschnittstemperaturen weltweit weiter und werden die Winter selbst in den Gebirgsregionen immer grüner, muss sich der Weltskiverband Fis Gedanken machen. Über Alternativen. Oder werden einige Sportarten schlicht verschwinden?

    Die Skispringer haben es vergleichsweise einfach. Im Anlauf gleiten die Sportler auf einer Eisspur. Die Schneemenge im Auslauf ist überschaubar. Es geht auch anders, wie das erste Weltcupspringen in Wisla (Polen) gezeigt hat. Um der katarischen Fußball-WM auszuweichen, lag der Termin Anfang November. Die Springer landeten auf grünen Kunststoffmatten, auf denen sie auch im Sommer trainieren. Solche Anlagen können auch in Australien oder Afrika stehen. Norwegens Nationaltrainer Alexander Stöckl forderte Mut zum Absprung. Von veralteten Mustern. Man müsse wegkommen vom Begriff „Wintersport“. Sonst werde man mit dem Winter sterben. Sein Vorschlag: Extremsport. Der Österreicher fordert ein radikales Umdenken. Eine weltweite Tour wie die Formel 1 wird diskutiert.

    Findet das Neujahrsspringen irgendwann in Katar statt?

    Aber: Wollen wir das wirklich? Neujahrsspringen in Katar? Dreikönigswettkampf in Saudi-Arabien? Nein. Skispringen ist nicht nur eine Sportart, sondern auch ein Gefühl. Die Tournee vor der Bergkulisse gehört zu den Feiertagen wie die Knödel zur Weihnachtsgans. Tradition ist ein wichtiges Gut. Das heißt freilich nicht, dass man die Augen vor der Realität verschließt. Problematisch ist die Situation für Langläufer, Biathleten oder alpine Skifahrer. Weil sie auf kilometerlangen Schneepisten unterwegs sind. Aber auch dafür hat der Deutsche Skiverband zukunftsweisende Lösungen entwickelt. Der DSV konzentriert sich auf Stützpunkte wie in Oberstdorf oder Ruhpolding. 

    Snowfarming und der Einsatz von erneuerbaren Energien bei der Schneeproduktion sind längst Alltag. Und: Wintersport muss eben im Winter betrieben werden, der kalendarisch bei uns am 21. Dezember beginnt. Ein Unsinn dagegen ist der vom Weltverband Fis praktizierte Weltcup-Auftakt der Skifahrer im Oktober auf dem Gletscher in Sölden. Ein plumpes Marketing-Instrument. 

    Ein Verzicht auf Wintersport hilft niemandem weiter

    Ein kompletter Verzicht hilft niemandem weiter. Im Wintersport sind intelligente Lösungen gefragt, um Profis wie auch uns Wintersportlern das Naturerlebnis weiter zu ermöglichen. Wettkämpfe können mit möglichst wenig Aufwand und schonendem Einsatz der Ressourcen veranstaltet werden. Mit den Einnahmen werden die Nachwuchs-Trainer bezahlt. Wissenschaftliche Modelle zeigen nicht, dass dauerhaft im Winter mit grünen Landschaften in den Alpen zu rechnen ist. Irgendwann kommt der Winter. Vor vier Jahren musste der Biathlon-Auftakt in Ruhpolding verschoben werden. Der Grund: Katastrophenalarm, viel zu viel Schnee.

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