Es waren schlicht die falschen Erwartungen, die in Richtung der Fußball-Nationalmannschaft gerichtet wurden. Sie konnten nicht erfüllt werden. Eine Gruppe junger Männer sollte sich für Belange einsetzen, die einem Großteil der Bevölkerung bislang egal waren. Die von der Politik aus verständlichen Gründen konterkariert werden. Dass die Menschenrechte in Katar nicht eingehalten werden, ist keine neue Erkenntnis. Ehe sich die besten Fußballspieler der Welt dort versammelten, interessierte sich dafür kaum jemand. Katarisches Flüssiggas ist willkommen.
Als die deutschen Fußballer nun aber in Katar gastierten, sollten sie gefälligst diese seltsame "One Love"-Binde tragen, die ja nur ein verwaschener Abzug des Regenbogen-Symbols ist. Die Kicker trugen die Binde nicht, hatten Angst vor den Konsequenzen und wurden deshalb als Feiglinge bezeichnet. Verurteilt von den Daheimgebliebenen, die erwartet hatten, dass man für seine Überzeugungen auch Konsequenzen in Kauf nimmt. Das aber machen nur die wenigsten. Die Fußballer hatten sich selbst in eine schwierige Situation gebracht, in dem sie sich – so offensiv wie keine andere Nationalmannschaft – schon vor der WM für die Einhaltung von Menschenrechten engagierten.
DFB-Team in Katar: Es kam zu einem moralischen Überbietungswettkampf
Sie fanden nicht den richtigen Ausweg – was auch mit der außergewöhnlichen Erwartungshaltung in Deutschland zu tun hat. In keinem anderen Land der Welt gab es die Hinweise auf Menschenrechtsverstöße in dem Ausmaß wie in Deutschland. Ein moralischer Überbietungswettkampf zog sich durch Zeitungen und Fernsehsender. Die Kicker stiegen darauf ein – und verloren. Der Sport ist politisch und das ist auch gut so. Wenn die Politik nach dem Sport greift – und nichts anderes hat Katar mit der Austragung der WM gemacht –, dann sollen sich Verbände und Athleten auch wehren dürfen. Es bleiben aber Sportler. Medien und Fans haben sie mit ihren Erwartungen überladen.
Das ist nicht der Grund, weshalb die deutsche Mannschaft früh ausgeschieden ist. Der ist eher in einer Mischung aus Pech und fehlender Qualität zu suchen. Wir sollten aber gnädiger mit Fehlern umgehen. Auf und neben dem Platz. Im Nachhinein erschreckt, wie unbarmherzig Menschen behandelt wurden, deren augenscheinlichste Fähigkeit es ist, ganz passabel kicken zu können. Sie sind keine Versager, wenn sie stümperhaft eine Abseitsposition aufheben. Sie sind keine Blindgänger, weil sie die Menschenrechtssituation in Katar nicht permanent zu ihrem Thema machen.
Wer Belehrungen erteilt, muss auch Fortschritte anerkennen
Wir sind ungnädig. Mit Sportlern. Aber auch mit dem Land, das diese WM ausgetragen hat. Katar hätte den Zuschlag niemals bekommen dürfen. Die Menschenrechtssituation, fehlende Fußball-Begeisterung und die notwendigen finanziellen Investitionen sprachen dagegen. Fair wäre es allerdings gewesen, die gesellschaftlichen Fortschritte in Katar ebenso zu benennen wie die Verfehlungen. Katar ist im globalen Vergleich kein rückständiges Land. In Europa aber gefiel man sich darin, Belehrungen zu erteilen. Wer eine Weltmeisterschaft ausrichtet, wer sie auf korrupte Art und Weise erwirbt, muss sich der Öffentlichkeit stellen. Aber mit Furor allein ist nichts zu gewinnen. Nicht auf dem Fußballfeld und nicht auf dem diplomatischen Parkett. Einzig das eigene Gewissen lässt sich damit beruhigen. Diese WM war ein Lehrbeispiel für das Abladen der eigenen Erwartungen. Gut, dass sie nun fast vorbei ist.