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Kommentar: Nach dem Japan-Desaster ist Flicks Kredit endgültig aufgebraucht

Kommentar

Nach dem Japan-Desaster ist Flicks Kredit endgültig aufgebraucht

Florian Eisele
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    Mann in der Kritik: Bundestrainer Hansi Flick.
    Mann in der Kritik: Bundestrainer Hansi Flick. Foto: Julian Stratenschulte, dpa

    Hansi Flick wirkte nach Abpfiff der desaströsen 1:4-Pleite des DFB gegen Japan einmal mehr ratlos, ideenlos, konsterniert. Woran es nun liege, dass eine letztlich durchschnittlich besetzte japanische Mannschaft der deutschen Elf die Grenzen aufgezeigt und auch in der Höhe verdient mit vier eigenen Toren gewonnen hatte? Es liege an den Basics, sagte Flick. Also an den Grundlagen. Ernsthaft? Daran, dass Japan da besser sei als die Auswahl des DFB? Es ist eine gewagte These, mit der Flick von seinen eigenen Fehlern ablenken will - und sich so die letzten Argumente für eine Weiterbeschäftigung entzieht. 

    Flick hat es seit seinem Amtsantritt vor zwei Jahren nicht geschafft, der Mannschaft ein stimmiges Konzept zu geben. Stattdessen wurde zwischen Dreier- und Viererkette experimentiert, wurden Spieler hin- und hergeschoben, letztlich sogar der Kapitän gewechselt. Gündogan hat Kimmich abgelöst, der passenderweise dazu vom Mittelfeld zurück in die Viererkette verschoben wurde. 

    Jeder japanische Spieler wusste, was zu tun war – das gilt für keinen DFB-Akteur

    Japan hat am Samstagabend nicht nur schonungslos die Schwächen der deutschen Mannschaft aufgedeckt, die offensiv trotz mal wieder hoher Ballbesitzwerte von 67 Prozent kaum Chancen hatte und stattdessen defensiv immer für dicke Patzer gut war. Die Asiaten haben dem deutschen Team auch vor Augen geführt, was es bewirken kann, wenn eine Mannschaft ein klares Konzept mit einer eindeutigen Aufgabenverteilung hat. Trainer Moriyasu, seit 2018 im Amt, hat seinem Team deutliche Strukturen gegeben.

    Jeder japanische Spieler, so schien es, wusste genau, was sein Nebenmann vorhat und was seine Aufgaben sind. Diesen Eindruck hatte man von keinem DFB-Spieler. Zumal es auch dieses Mal wieder Akteure gab, die auf für sie fremden Positionen zum Einsatz kamen. Nico Schlotterbeck musste als Linksverteidiger ran - und versagte auf ganzer Linie.

    Japan ist individuell besser als die DFB-Auswahl? Das ist ein Witz

    Die Aussage, dass Japans Auswahl individuell besser besetzt sein soll als das deutsche Team, ist ein Witz. Ein Blick auf die Marktwerte spricht eine deutliche Sprache: Hier das japanische Team mit einem Gesamtwert von 236,15 Millionen Euro, dort die mit 706,5 Millionen Euro bewertete DFB-Auswahl. Das Tor zum 4:1-Endstand schoss Ao Tanaka vom Zweitligisten Fortuna Düsseldorf. Für Deutschland laufen Spieler auf, die bei Topvereinen wie Real Madrid, dem FC Barcelona und dem FC Bayern Stammspieler sind - und diese sollen an den Basics scheitern? Natürlich gibt es Schwachstellen im deutschen Kader, es gibt bis auf Niclas Füllkrug keinen Mittelstürmer, bis auf den widerwillig dorthin versetzten Kimmich keinen Rechtsverteidiger von internationalem Format. Es gehört aber auch zu den Qualitäten eines Trainers, diese Schwachstellen mit einem passenden taktischen Gerüst aufzufangen.

    Flick hat beim DFB keine Zukunft, das haben nicht zuletzt die verheerenden Einblicke der Amazon-Doku gezeigt. Darin wirkt er wie ein an seiner Klasse verzweifelnder Lehrer in der sechsten Stunde kurz vor den Sommerferien. Dass Niklas Süle unter der Woche die Frage, ob seine kurzzeitige Ausbootung bei ihm etwas bewirkt hat, mit einem trotzigen und klaren "Nein" beantwortet, lässt erahnen: Es passt nicht mehr. Flick nun schon vor dem Frankreich-Spiel am Dienstag von seinen Aufgaben zu entbinden, wäre Aktionismus, der niemandem weiterhilft. Am wenigsten wohl seinem potentiellen Nachfolger, der sehr wahrscheinlich mit einer Klatsche gegen den Vize-Weltmeister in seine Amtszeit starten würde.

    Nagelsmanns Verhandlungen mit Paris Saint-Germain sollen gescheitert sein.
    Nagelsmanns Verhandlungen mit Paris Saint-Germain sollen gescheitert sein. Foto: Federico Gambarini, dpa

    Der DFB muss jetzt Julian Nagelsmann kontaktieren

    Nach diesem Spiel muss der DFB aber Fakten schaffen und sich von Flick trennen. Und wer kommt dann? Die beste Lösung wäre Julian Nagelsmann, der nach seiner Freistellung von den Bayern zu haben wäre. Natürlich sieht es der Lebensentwurf des 36-Jährigen derzeit nicht vor, als Nationalcoach zu arbeiten und stattdessen seine Karriere bei einem Top-Klub fortzusetzen. Die Aussicht, die deutsche Mannschaft zeitlich bis Sommer 2024 begrenzt als Projekt bei der Heim-EM zu betreuen, dürfte die Nationalmannschaft aber auch für Nagelsmann interessant machen. Nagelsmann kennt viele Spieler durch seine Bayern-Zeit, ist schon einmal auf Flick als Nachfolger gekommen und ist durch seine Erlebnisse in der Zeit beim FC Bayern gereift. Flick hat hingegen hat seinen Kredit nun vollständig aufgebraucht.

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