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Kommentar: Ein Jahr vor der EM: Es wird kein neues Sommermärchen geben

Kommentar

Ein Jahr vor der EM: Es wird kein neues Sommermärchen geben

Florian Eisele
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    Die Zielsetzung für den Sommer 2024: Deutschland im Sommer 2006.
    Die Zielsetzung für den Sommer 2024: Deutschland im Sommer 2006. Foto: dpa

    Das Wichtigste vorab: Diesmal hat das Maskottchen eine Hose an. Mit dem bislang noch namenlosen Patentier zur Fußball-Europameisterschaft 2024 schließt der DFB an die Weltmeisterschaft im eigenen Land an. Damals war ein hosenloser Löwe namens Goleo für das Turnier auf Werbetour gegangen. Knapp ein Jahr, bevor am 14. Juni in München der Anpfiff zur EM in Deutschland erfolgt, gilt nun: Am besten wäre es, wenn es wie 2006 ein neues Sommermärchen gibt. So einfach wird das aber nicht werden, denn die Zeiten haben sich gewandelt. Und das nicht nur, was den sportlichen Bereich betrifft.

    Was das Geschehen auf dem Platz angeht, steht es bekanntlich nicht zum Besten. Alle drei Spiele der jüngsten Länderspielreise gerieten zu dicken Enttäuschungen. Bundestrainer Hansi Flick musste zugeben: "Es ist richtig in die Hose gegangen." Gegen die Ukraine gab es ein schmeichelhaftes Unentschieden, gegen Polen und Kolumbien Niederlagen. Es sind keine Fußball-Großmächte, gegen die die DFB-Auswahl gestrauchelt ist. Von den letzten elf Spielen gewann Deutschland nur drei Partien – gegen den Oman, Peru und Costa Rica. Die schlechte Nachricht: Bei der EM wird keines dieser Teams dabei sein. Ob Flick seinen Job als Bundestrainer behalten darf, ist nicht sicher – auch wenn Sportdirektor Rudi Völler den Trainer zuletzt nochmals stützte.

    Der Fußball hat in den letzten Jahren endgültig seine Unschuld verloren

    Aber nicht nur deswegen wird es ein schwieriges Unterfangen, bei der EM eine Euphorie zu erzeugen. Die Welt ist eine andere geworden seit dem Sommer 2006; auch im Fußball-Kosmos haben sich die Parameter geändert. Die einst schönste Nebensache der Welt ist im Sommer 2023 so belastet wie selten zuvor. Katar und Russland hießen die Gastgeber der jüngsten beiden Weltmeisterschaften. Es sind Länder, die den Sport für ihre Zwecke instrumentalisieren wollen – und in den Funktionären des Weltverbandes Fifa willige Unterstützer finden. Aktuell wirft das wegen Menschenrechtsverletzungen massiv in der Kritik stehende Saudi-Arabien mit Unsummen um sich, um Gastgeber der WM 2030 werden.

    Fußball – das ist im Zuge von immer höheren TV- und Sponsoringeinnahmen mittlerweile auch das Spiel der Milliarden geworden. Das gefällt nicht jedem. Einer Studie zufolge interessieren sich die "Post-Millennials" – also jene Generation, die nach 1999 geboren wurde – deutlich weniger für Profi-Fußball. Auch ihre Eltern sind nicht im selben Maße dabei wie früher. Das Länderspiel auf Gelsenkirchen war nicht ausverkauft, die Partie vor einer Woche gegen die Ukraine hatte eine Einschaltquote von "nur" knapp fünf Millionen. Es sind immer noch gute Zahlen – aber ein Abwärtstrend ist unverkennbar.

    Der DFB bemüht sich, ein Gegenpol zu Fifa und Co zu sein

    Der DFB bemüht sich, einen Gegenpol zu der Oberflächlichkeit des Profifußballs zu setzen. Es gibt Themenwochen zu gesellschaftlichen Problemen, Hilfsprojekte in der Ukraine. Zuletzt reiste die Nationalelf im Zug zum Länderspiel an und nicht, wie sonst üblich, mit dem Charterflieger. Und doch hat der DFB das Problem, eingebettet zu sein in diesen Kosmos Profi-Fußball. Wer dabei sein will bei EM und WM, muss die Spielregeln des jeweiligen Verbandes befolgen – das zeigte nicht zuletzt die Affäre um die Regenbogenbinde 2022 in Katar. Dazu hat der deutsche Verband finanzielle Nöte durch die neu gebaute und teure DFB-Akademie.

    Es sind andere Vorzeichen als im Sommer 2006. Und dennoch: Wenn sich im Sommer 2024 doch noch Tore und Siege der DFB-Auswahl einstellen, könnte viel Negatives vergessen sein. Zumindest für ein paar Wochen.

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