Es waren lediglich kleinere kosmetische Operationen, die das Emirat vorgenommen hat. Hier mal ein paar Arbeiterrechte einführen, da mal Homosexuellen Sicherheitsgarantien aussprechen. Welcher Irrsinn überhaupt, Selbstverständliches einfordern zu müssen. Letztlich aber bleibt das autoritäre System Katars eben ein autoritäres System. Mit Menschenrechtsverletzungen in sämtlichen Bereichen.
Möglich gemacht hat das die Fifa. Dieser vor Selbstbewusstsein strotzende Weltfußball-Verband, der sich so gerne als globales Gewissen präsentiert. Fair Play. Anti-Rassismus-Kampagnen. Derlei Worthülsen, die nie den Abgleich mit der Realität bestanden haben. Dabei hätten die großen Weltverbände die Kraft und Macht, Gutes zu tun. Die Vergabe von Olympischen Spielen und Fußball-Weltmeisterschaften ließe sich ganz leicht an Vorgaben knüpfen. Eigentlich braucht es ja nur eine: die Einhaltung der Menschenrechte.
WM 2022 in Katar zeigt: Menschenrechte spielen bei einer WM-Vergabe keine Rolle
Weil sie das aber nicht tun, feiert sich die Fifa dafür, dass es minimale Fortschritte in Katar gibt, seit man die WM im Jahr 2010 an das kleine Land verkauft hat. Und immer wieder das Argument, dass nun das Flutlicht der Weltöffentlichkeit auf Katar gerichtet ist und dass nur deswegen die Menschenrechtsverstöße einem breiten Publikum bekannt sind. Dass sich wegen der Vergabe die Lebensbedingungen für Wanderarbeiter, Homosexuelle und Frauen verbessern. Die Geschichte zeigt: Unfug. Weder China noch Russland haben sich nach WM und Olympia gewandelt. Fifa und IOC vergeben ihre Großveranstaltungen auch nicht unter dem Gesichtspunkt, wo gesellschaftlicher Fortschritt und demokratischer Wandel wünschenswert wären. Ansonsten fänden die nächsten Olympischen Spiele in Nordkorea statt. Genauso hat Katar bei seiner Bewerbung auch nicht angekündigt, die Einhaltung der Menschenrechte voranzutreiben. Sie spielen keine Rolle.
Die Sportler und Sportlerinnen können nichts für derartige Fehlentscheidungen. Sie können sich aber nicht hinter ihrer Machtlosigkeit verstecken. Fußballer verdienen nicht viel, weil sie gut Fußball spielen können, sondern weil Vereine, Verbände, Medien und werbetreibende Firmen ein Umfeld geschaffen haben, in dem sich horrendes Geld verdienen lässt. Ein Großteil ihres Gehalts resultiert daraus, dass sie in der Öffentlichkeit stehen. Sie sind Vorbilder. Von ihnen darf erwartet werden, Stellung zu beziehen. Dabei sollte aber nicht gefordert werden, dass sie die WM boykottieren.
Daran schließt die Frage der individuellen Verantwortung an. Wer Bedingungen an andere stellt, sollte selbst vorangehen. Also nicht mehr den FC Bayern unterstützen, der 25 Millionen Euro pro Jahr aus Katar bezieht? Keine Spiele von Paris St. Germain mehr verfolgen? Letztlich auch keinen VW mehr fahren? Schließlich hält Katar rund zehn Prozent der Aktien des Automobilherstellers. Wer Golf fährt, unterstützt das Emirat.
Ein WM-Boykott ändert auch nichts an den Umständen vor Ort
Es gibt viele Gründe, die am Sonntag startende WM nicht zu verfolgen. Möglicherweise verlegt die Fifa künftige Turniere nicht mehr in autokratische Länder, wenn das Publikum fernbleibt und die Sponsoren in einem derartigen Umfeld nicht werben wollen. Aber selbst das ändert nichts an den armseligen Bedingungen, unter denen die Menschen in Bangladesch oder Nepal leben. Die Armut treibt die Wanderarbeiter nach Katar. Auch, weil dem wohlhabenden Europa nicht daran gelegen ist, die Umstände dort zu ändern. Erinnert ein wenig an Katar.
Die Fußball-Weltmeisterschaft in Katar steht in der Kritik, auch in der Redaktion haben wir ausführlich darüber diskutiert. Eine Einordnung, warum wir das Sportevent dennoch ausführlich journalistisch begleiten, lesen Sie in diesem Text.