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Jugendfußball: Eine Reform, die sich auf den gesamten Fußball auswirkt

Jugendfußball

Eine Reform, die sich auf den gesamten Fußball auswirkt

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    Shkodran Mustafi (hinten, l-r), Antonio Rüdiger, Benedikt Höwedes, Toni Kroos, Sami Khedira, Thomas Müller, Kevin Volland (vorne, l-r), Ron-Robert Zieler, Erik Durm, Sebastian Rudy und Mario Götze posieren vor dem Freundschaftsspiel gegen Spanien am 18 November 2014.
    Shkodran Mustafi (hinten, l-r), Antonio Rüdiger, Benedikt Höwedes, Toni Kroos, Sami Khedira, Thomas Müller, Kevin Volland (vorne, l-r), Ron-Robert Zieler, Erik Durm, Sebastian Rudy und Mario Götze posieren vor dem Freundschaftsspiel gegen Spanien am 18 November 2014. Foto: Carmen Jaspersen, dpa

    Misserfolge der Nationalmannschaft sind stets ein Motiv, die Nachwuchsarbeit im deutschen Fußball zu überdenken. Das war 1998 nach dem Viertelfinal-Aus bei der WM in Frankreich, als anschließend das flächendeckende System der DFB-Stützpunkte eingeführt wurde, nicht anders als nach den jüngsten Enttäuschungen bei den Weltmeisterschaften 2018 und 2022. Eine Ursache für die aktuelle Misere ist, dass die deutschen Nachwuchskicker der Weltspitze individuell etwas hinterherhinken. Gerade auf Schlüsselpositionen wie im Sturm oder in der Verteidigung hakt es. Was für den Deutschen Fußball-Bund (DFB) Anlass ist, die Nachwuchsarbeit grundlegend umzukrempeln.

    Als "unfassbar und für mich nicht nachvollziehbar" bezeichnete Hans-Joachim Watzke, Geschäftsführer von Borussia Dortmund, Teile der Reform. "Es gab ja auch die Diskussion, nicht mehr auf Tore zu spielen. Demnächst spielen wir dann noch ohne Ball", unterstellte der Funktionär sogar eine Abschaffung des Leistungsprinzips bei den Kindern und Jugendlichen. Seitdem gilt Watzke als Kronzeuge für die Kritiker. Obwohl der Dortmunder Fußballboss die bei einem Unternehmertag getätigten Aussagen nach einem Informationsaustausch mit Hannes Wolf, dem Sportdirektor Nachwuchs beim DFB, nicht mehr wiederholt hat. "Das Zitat ist aber in der Welt", bedauert Ex-Nationalspieler Daniel Bierofka, der sich ebenfalls intensiv mit der Thematik beschäftigt. Allein schon, weil der 45-Jährige seit Jahresbeginn als Trainer beim Bayerischen Fußball-Verband (BFV) arbeitet und nach einer Einarbeitungszeit die Nachwuchsförderung im Freistaat leiten soll. Bierofka betritt damit keineswegs Neuland, nach seiner Zeit als Trainer der Traditionsklubs 1860 München und Wacker Innsbruck coachte er in der vergangenen Saison die B-Junioren der SpVgg Unterhaching. "Für den Ausbildungsgedanken blieb da wenig Zeit. Ab dem zweiten, dritten Spiel war es reiner Überlebenskampf, weil ein Drittel aller Mannschaften aus der Bundesliga absteigen musste", weiß der Ex-Profi um die Problematik.

    Misserfolge der Nationalmannschaft sorgen für große Nachwuchsarbeit beim DFB

    Insofern findet Bierofka den Ansatz, dass zum Sommer 2024 die Bundesligen der Junioren und Juniorinnen in ihrer bisherigen Form aufgelöst werden, gut. Dass der Leistungsgedanke damit keineswegs verlorengeht, zeigt das inzwischen europaweit führende Ausbildungssystem in England, wo es eine Eliteliga in der Form gar nicht gibt. In dem Zusammenhang wird immer wieder auf Jamal Musiala verwiesen. Der deutsche Nationalspieler des FC Bayern München verbrachte seine Jugendjahre beim FC Chelsea und wechselte erst als 16-Jähriger an die Isar - um schon wenig später bei den Bayern-Profis zu debütieren.

    Bei der Reform geht es allerdings längst nicht nur um die Spitzenförderung, der Nachwuchsfußball soll schon bei den Kleinsten neu aufgestellt werden. Auch da lohnt sich ein Blick ins Ausland, denn in der Schweiz wird schon lange die Spielvariante Funino praktiziert. Da sind pro Team vier bis sechs Kinder gleichzeitig auf dem Spielfeld, es gibt keinen klassischen Keeper und jede Mannschaft verteidigt zwei Tore. "Der Weg ist genau richtig", positioniert sich Daniel Bierofka und verrät: "Das habe ich selbst bei den Profis mindestens einmal pro Woche im Training spielen lassen."

    Die Schwächeren kommen seltener an den Ball

    Bei den Fußballanfängern sieht Bierofka nur Vorteile, denn bei den kleinen Spielformen sind alle Kinder gefordert. "Es geht in erster Linie um Ballkontakte und Nettospielzeit. Dass ich bei Vier gegen Vier viel mehr gefordert bin als bei Sieben gegen Sieben, das liegt ja auf der Hand." Die Jungen und Mädchen erlernen spielerisch das Passspiel und Zweikampfverhalten, niemand kann sich aus dem Geschehen heraushalten. Eine Erfahrung, die Bernd Scheu teilt. Wobei der frühere Bayernliga-Stürmer des FC Gundelfingen, der jetzt in der Nachwuchsarbeit der Nordschwaben tätig ist, eines festgestellt hat: "Drei gegen Drei ist besser als Fünf gegen Fünf. Wenn die Teams größer sind, dann spielen wieder nur die Besseren zusammen, die Schwächeren kommen seltener an den Ball."

    Gerade durch das aktive Mitspielen haben die Kinder Spaß, hören nicht so schnell wieder auf und Spätstarter können sich dadurch noch entwickeln. Dass der Leistungsgedanke verlorengeht, weil es keine Tabellen mehr gibt oder niemand weiß, wer gewonnen hat, wird durch die Praxis widerlegt. Bei Kindern bis zum Alter von neun Jahren löst der Minifußball in "Festivalform" den regulären Verbandsspielbetrieb ab, auf mehreren Feldern wird gleichzeitig gekickt - und die Siegerteams rücken ein Feld auf, die Verlierer müssen ein Feld zurück. Die Beobachtung zeigt, dass die Kinder sehr wohl wissen, ob sie gewonnen haben. Wichtiger als jede Rangliste war für die Jungen und Mädchen am Ende, dass die Turniersieger als Erste die Lollies als "Prämie" aussuchen durften. "Tabellen sind in dem Alter unwichtig, die interessieren nur Trainer oder Eltern", ist Bierofka überzeugt und ist zuversichtlich, dass sich die gesamten Reformen in ein paar Jahren auf den gesamten deutschen Fußball positiv auswirken. Selbst auf die Nationalelf.

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