Joachim Löw ist ein auf angenehme Weise eitler Mann. Ihm ist an einem gepflegten Äußeren gelegen, ohne dabei über die Maßen affektiert zu wirken. Der Schwarzwälder hat niemals versucht, aus falsch verstandener Weltläufigkeit seinen Dialekt langweiligem Hochdeutsch anheimfallen zu lassen. Das wär schon auch gar nicht nach dem Geschmack des Weltmeistertrainers. Löw hat sich seit seinem dann leider überfällig gewordenen Rücktritt als Nationaltrainer als Idealvorstellung eines ehemaligen Nationaltrainers gezeigt. Keine Besserwissereien, keine baslerhaften Verbalrüpeleien, die auf der Inhaltsebene lediglich darauf abzielen, dass früher alles besser war.
Löw weiß um die Wirkung seiner Worte und hat sich in den vergangenen Jahren auf vorbildliche Weise damit zurückgehalten, seinen Nachfolgern Ratschläge zu erteilen. Aber so vollkommen randseitig mag er eben auch nicht das Fußballgeschäft verfolgen. Mit seinen 64 Jahren ist die Zeit überschaubar, in der er noch im Fach eines Hauptdarstellers auf den Bühnen des Weltfußballs reüssieren kann. Also bedient er sich eines Kniffs, der aus etlichen Lebensbereichen in unterschiedlichen Ausprägungen bekannt ist.
Die Schwierigkeiten, ein „ausreichend“ zu erhalten
Wenn der Notenschluss kurz bevorsteht und das Vorrücken in die nächste Jahrgangsstufe unter normalen Umständen nur dank arithmetischen Zensurenwunders möglich ist, ist die Zeit gekommen, sich bei der Lehrkraft nachhaltig und positiv in Erinnerung zu rufen. Wie viele „freiwillige“ Referate wohl schon über die Sehenswürdigkeiten in Paris gehalten wurden, um doch noch ein „ausreichend“ ins Zeugnis gequetscht zu bekommen?
Ähnlich dem Überstunden gegenüber fremdelnden Angestellten, der den Chef von einer Beförderung mit dem Hinweis überzeugen will, beim letzten Betriebsfest das Budget eingehalten zu haben. Oder der vollkommen zurecht zum Innenverteidiger Nummer vier degradierte Holzfuß, der nach einem Trainerwechsel seine Chance gekommen sieht und im Trainingsspiel den Spielgestalter mimt. Es fehlt an Verständnis des Dreisatzes Schuster-Bleiben-Leisten.
Löw nun also sagte im SWR: „Bislang war es noch nicht so, dass mich eine Aufgabe absolut und leidenschaftlich gepackt hat. Wenn das kommen sollte, dann bin ich sicherlich auch bereit, noch mal was zu machen.“ Er wird wohl noch weiter darauf warten müssen, dass ihn eine Aufgabe leidenschaftlich packt. Das aber ist nicht weiter schlimm. Er muss auf keine Versetzung oder Beförderung warten. Weltmeister ist man ein Leben lang.
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