Herr Innauer, vor dem Abschluss-Wochenende der WM: Was sagen Sie zur mauen Stimmung und dem geringen Fan-Interesse?
Toni Innauer: Es war nicht gerade überwältigend. Wir alle kennen Planica vom Skifliegen – da sind wir verwöhnt. Man hat womöglich den Einheimischen übersehen beim Gedanken an viele skandinavische Touristen, die alle Summen zahlen. Und man hat die WM an den Zielmärkten zu wenig beworben. Beim Skifliegen ist das nicht mehr nötig, weil es ein Traditionsprodukt ist, das in Slowenien selber funktioniert. Irgendetwas muss da schiefgelaufen sein. Denn die Skandinavier haben ja Geld, sind an sich ein reiselustiges Sport-Fan-Völkchen.
Für Österreicher ist es ein Katzensprung nach Planica – warum waren es bisher trotzdem so wenige?
Innauer: Beim Skifliegen sind durchaus Österreicher dort. Mir sind vielmehr die anderen mit den rot-weißen Fahnen abgegangen: die Polen. Ihr Fehlen spricht dafür, dass zu hohe Preise verlangt worden sind.
Ihre Landsleute aus Österreich liegen weit hinter den Erwartungen zurück. Lähmt das Warten auf Gold, was ja schon kürzlich bei der Alpin-WM in Frankreich zu sehen war?
Innauer: Im Gegenteil. Wir haben das immer als Vorlage empfunden, wenn unsere Alpinen mal nicht so gut waren. Dann konnten wir endlich mal besser sein (lacht). Die Frauen haben sicher ganz gute Leistungen abgeliefert. Aber bei den Männern ist es ganz klar unter dem Erwünschten bisher.
Ist auf der Großschanze mit den gleichen Ergebnissen zu rechnen wie auf der Normalschanze?
Innauer: Ich glaube nicht. Es wird nicht mehr so leicht sein, die Medaillen zu machen, wie sie auf der kleinen Schanze erzielt worden sind. Das gilt auch für die Deutschen. Die werden mit Sicherheit stärkere Konkurrenz bekommen. Man hat gesehen, dass die Slowenen Fahrt aufnehmen.
Und Ihre Landsleute? Kraft & Co. wirken kraftlos …
Innauer: Sie können sicher nicht sagen, dass sie Pech mit dem Wind gehabt haben. Es hat schon an den Leistungen gelegen. Der klar Beste ist für mich Daniel Tschofenig. Den hätte ich im Team und Mixed aufgestellt. So eine Fehlentscheidung kann eine Medaille kosten.
Zu den Frauen: Was sagen Sie zur vierfachen Medaillengewinnerin Katharina Althaus?
Innauer: Sie war ja auch während der Saison stark, ist immer um den Sieg mitgesprungen. Ihre Stärke ist das Flugsystem. Ähnlich wie bei Stefan Kraft. Es ist bei sehr klein gewachsenen Sportlern ein kleiner Materialvorteil versteckt, was die Skibreite betrifft. Wenn sie technisch gut sind, haben sie etwas mehr Trageffekt. Durch Gewicht und Körpergröße verkürzt sich die Skilänge, aber nicht die Breite. Das nützt Katharina sehr geschickt aus.
Als der Erste, der fünf Mal die 20,0 bekommen hat: Wie bewerten Sie Flugphase und Telemark bei Katharina Althaus.
Innauer: Ab und zu übertreibt sie den Übergang in die Flugphase, sucht sie ihre Stärke, bevor sie richtig abgesprungen ist. Aber sie hat eine flache Flugkurve, nutzt am Ende die Luftkräfte gut aus und kann so auch weite Sprünge sicher landen, weil sie im Landeprozess noch Auftrieb hat. Das können sehr wenige Frauen.
Sie waren zwölf Jahre Experte beim ZDF und sind vergangenen Sonntag sehr warmherzig verabschiedet worden. Was werden Sie am meisten vermissen?
Innauer: Schon die persönlichen Begegnungen. Wir haben eine gute Plattform gefunden, um ein schönes Produkt machen zu können – in dem ich meinen Platz gefunden habe. Es ist ja schön, wenn man etwas tun kann, wo man aus dem Vollen schöpfen kann. Ich habe lernen müssen, wie man das schwierige Thema Skispringen knapp, knackig und trotzdem verständlich rüberbringt.
Hat’s auch mal Kritik an Ihrer Kritik gegeben?
Innauer: Gelegentlich hat sich der eine oder der andere nicht richtig gesehen. Aber es war verschwindend wenig. Das ist erstaunlich und liegt vielleicht daran, dass ich mich bemüht habe, sehr neutral und wertschätzend mit allen Sportlern umzugehen.
Der Humor, der in der deutsch- österreichischen Rivalität steckt, spielte für Sie schon immer eine große Rolle, oder?
Innauer: Ja, diese kleinen Sticheleien und Neckereien waren immer eine schöne Konstante, die man beim Skispringen gut spielen kann. Und die immer eine extra Bries’ reingebracht hat. Ich hatte vor zwölf Jahren auch eine Anfrage vom Österreichischen Fernsehen. Aber ich wollte es lieber in dieser Konstellation machen, mit etwas mehr Distanz zum Heimatland und mit der Möglichkeit, mit dieser G’schicht zwischen Deutschland und Österreich zu spielen.
Sie gehen ja ein bisschen als Unvollendeter vom ZDF, zumindest für die Zuseher, die linear geschaut haben.
Innauer: (Lacht herzhaft)
Wie haben Sie die Unterbrechung der Live-Übertragung miterlebt? Und die Diskussionen danach?
Innauer: Wir haben ja gewusst, was uns blüht, wenn die Veranstaltungen so spät angesetzt sind und die „heute“-Sendung ein unantastbarer Dampfer im ZDF ist. Und so schwer uns Sportlern das fällt, wir wussten: Uns bleibt gar nichts anderes übrig. Das tut weh und wir hätten es wahnsinnig gern anders gemacht. Es war sehr schade, vor allem bei den tollen Ergebnissen für den deutschen Skiverband.
Und wenn Toni Innauer ZDF-Intendant gewesen wäre …
Innauer: Mit der Skispringer-Seele in meiner Brust hätte ich es nicht übers Herz gebracht, abzudrehen und es nicht zu senden …
Zur Person: Toni Innauer hat den Wintersport in Österreich geprägt. Der 64-jährige Vorarlberger gewann als Skispringer 1980 in Lake Placid Gold von der Normalschanze, musste seine aktive Karriere wegen eines schweren Sturzes aber mit 22 Jahren beenden. Beim ÖSV war er Trainer und Sportdirektor. Seit 2010 betreibt Innauer eine Agentur, schreibt Bücher, ist Berater, Seminartrainer – und im ZDF Skisprung-Experte. In Planica legte er das Mikrofon nieder.