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Interview: Olympia-Schwimmer Märtens: „Der Weltrekord wäre der Oberkracher“

Interview

Olympia-Schwimmer Märtens: „Der Weltrekord wäre der Oberkracher“

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    Lukas Märtens schwamm über 400 Meter Freistil knapp am Weltrekord vorbei. In Paris ist er nun Favorit auf olympisches Gold.
    Lukas Märtens schwamm über 400 Meter Freistil knapp am Weltrekord vorbei. In Paris ist er nun Favorit auf olympisches Gold. Foto: Michael Kappeler, dpa

    Herr Märtens, bei den deutschen Meisterschaften im April sind Sie über 400 Meter Freistil die mit Abstand schnellste Zeit in diesem Jahr weltweit und zweitschnellste Zeit überhaupt geschwommen. Wie geht es Ihnen damit, jetzt als Gold-Favorit nach Paris zu fahren?
    LUKAS MÄRTENS: Das ist ja einerseits eine Ehre. Andererseits ist es aber auch schon ein relativ hoher Druck. Ich versuche, das nicht allzu sehr an mich heranzulassen und mir nicht zu viele Gedanken zu machen. Aber ich bin mir schon bewusst, dass ich da ordentlich was vorgelegt habe. Das gilt es in Paris noch mal abzurufen oder vielleicht sogar noch zu verbessern.

    Hat sich Paul Biedermann bei Ihnen gemeldet? Immerhin sind Sie seinem Fabelweltrekord aus Zeiten der Plastik-Schwimmanzüge bis auf wenige Zehntel nahegekommen. 
    MÄRTENS: Ja, er hat sich tatsächlich gemeldet und mich beglückwünscht. So eine Zeit schwimmt man wirklich nicht jeden Tag. In dem Moment hat einfach alles gepasst. Ich bin immer noch sehr zufrieden. Da kann man wirklich nicht mehr an vielen Stellschrauben drehen. Aber die ein oder andere Zehntel können wir vielleicht noch rauskitzeln.

    Wie sehr spukt dieser Weltrekord im Hinterkopf herum?
    MÄRTENS: Ich habe jetzt nicht im Kopf, dass ich diesen Weltrekord unbedingt schwimmen muss in Paris. Wenn es passieren sollte, würde das aber mal auf jeden Fall bedeuten, dass ich eine Medaille hole (lacht). Der Weltrekord wäre natürlich der Oberkracher, das könnte ich mir gar nicht erträumen. Aber ich möchte gar nicht zu viel darüber reden. Ich gebe jetzt im Training noch einmal alles und dann muss an dem Tag wirklich alles stimmen. 

    Sie haben gerade gesagt, dass es noch kleine Schräubchen gibt, an denen man drehen kann. Was sind das für Schräubchen?
    MÄRTENS: Mein Start ist jetzt zwar schon besser, aber da kann man bei mir auf jeden Fall noch die ein oder andere Zehntel rausholen. Das gleich gilt für meine Wenden, auch wenn die mittlerweile wirklich schon sehr gut geworden sind. Wenn ich da ein paar Jahre zurückdenke - das war wirklich gruselig, was da manchmal passiert ist. In Tokio habe ich bei keiner einzigen Wende gut ausgesehen gegen die anderen.

    Steht ihr Programm für Paris schon fest? Qualifiziert sind sie über 200 und 400 Meter Freistil und 200 Meter Rücken. Dazu kommt dann sicherlich noch die 4x200 Freistil-Staffel.
    MÄRTENS: Ja, das stimmt. Auf der Kippe steht noch die 4x100 Freistil-Staffel. Die ist auch am ersten Tag. Davor sind die 400 Meter Freistil. Je nachdem wie ich dann drauf bin, würde ich die Staffel schwimmen - oder auch nicht. 

    Mit allen Vorläufen, Halbfinals und Finals hätten sie mindestens zehn Starts in sechs Tagen zu absolvieren und kämen auf 2400 Wettkampfmeter. Wie geht man so ein Monster-Programm an? 
    MÄRTENS: Genau darauf habe ich die letzten Jahre trainiert und damit komme ich immer besser klar. Da steht natürlich die Regeneration im Mittelpunkt. Nach den Rennen gilt es, schnell ins Bett zu kommen, denn die Rennen sind sehr spät am Abend. Ich werde kaum vor Mitternacht im Bett landen und morgens geht es um sieben Uhr wahrscheinlich schon wieder weiter. Da muss man jede Minute Regeneration optimal nutzen.

    Auf welches Rennen legen Sie Ihr Hauptaugenmerk?
    MÄRTENS: Auf jeden Fall auf die 400 Freistil. Die sind direkt am Anfang, da hat man noch keine Energie verpulvert. Man muss natürlich aufpassen, dass man sich im Vorlauf nicht verpokert und eine gute Bahn bekommt. Die 200 sind aber auch absolut in den Fokus gerückt dieses Jahr. Bisher war nur ein Mitbewerber in diesem Jahr schneller. Da kann man sich schon auch ein bisschen was ausrechnen. Aber erst einmal stehen die 400 im vollen Fokus. Ich werde versuchen, Tag für Tag abzuarbeiten und nicht nur das große Programm sehen. Das sind Olympische Spiele, da muss man hochkonzentriert an jeden Start gehen.

    Sie haben die Konkurrenz angesprochen. Wie genau schaut man hin, was die anderen machen? In den starken Schwimmnationen USA und Australien wurden kürzlich erst die Olympia-Tickets vergeben.
    MÄRTENS: Wir schauen auf jeden Fall, was die machen. Wir werten das jetzt nicht bis ins kleinste Detail aus. Aber wir haben viele Rennen angeschaut und man kann da schon ein paar Rückschlüsse ziehen. Man weiß natürlich nicht, ob die Jungs schon perfekt vorbereitet waren oder aus dem Training geschwommen sind. Da will ich aber nicht zu viel mutmaßen, denn im Endeffekt kann es mir ja egal sein. Ich muss meine Leistung abrufen und dann bin ich da gut dabei. 

    Meiden Sie inzwischen schon größere Menschenmengen und verweigern den Handschlag, um sich nicht noch einen Virus einzufangen?
    MÄRTENS: Da muss man die richtige Mischung finden. Ich bin jemand, der auch mal rausgeht, und sich mit Freunden trifft. Ich bin keiner, der nur im stillen Kämmerlein sitzt und auf das nächste Training wartet.

    Wie bleiben sie locker? Haben sie einen Mental-Coach?
    MÄRTENS: Ich bin da mittlerweile ein relativ entspannter Typ. Das war nicht immer so. Früher war ich immer ziemlich aufgeregt und habe mir viele Gedanken über viele Dinge gemacht. Inzwischen arbeite ich regelmäßig mit unserem Sportpsychologen. Das gibt mir immer ein gutes Gefühl. Dass ich kühlen Kopf bewahre. Dass ich mich auf mich verlassen kann. Dass ich aber auch nicht viel umstellen muss, weil es Olympische Spiele sind. Man muss bei seinen Mustern und Ritualen bleiben. 

    Wie hilfreich sind da die Erfahrungen von Ihren ersten Sommerspielen in Tokio vor drei Jahren?
    MÄRTENS: Sehr wichtig. Trotz der Corona-Maßnahmen damals hat man einen Eindruck vom Olympischen Dorf bekommen, von den Hallen und dem ganzen Drumherum. Das war schon gigantisch und damit muss man erstmal klarkommen. Man darf sich nicht zu viel ablenken lassen. Die Strecke ist ja immer die gleiche. Natürlich kann es einen pushen, wenn die Halle voll ist und die Zuschauer einen anfeuern. Trotzdem muss man bei sich bleiben.

    Was unterscheidet den Lukas Märtens in Paris von dem in Tokio?
    MÄRTENS: Ich würde sagen, dass ich jetzt deutlich abgeklärter an den Start gehen werde. Dass ich für mich Rituale entwickelt habe, die ich in Tokio noch nicht hatte. Da war ich mehr oder weniger grün hinter den Ohren.

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