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Interview: FC-Heidenheim-Chef Sanwald: „Wir haben keinen weißen Ritter“

Interview

FC-Heidenheim-Chef Sanwald: „Wir haben keinen weißen Ritter“

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    Köpfe des Heidenheimer Erfolgs: Holger Sanwald (l) und Frank Schmidt.
    Köpfe des Heidenheimer Erfolgs: Holger Sanwald (l) und Frank Schmidt. Foto: Tom Weller, dpa

    Der FCH und sein Umfeld haben die erste Bundesliga-Saison hinter sich. Wie haben Sie diese Spielzeit erlebt?
    HOLGER SANWALD: Vor einem Jahr herrschte hier eine riesige Euphorie, weil wir erstmals überhaupt den Bundesliga-Aufstieg geschafft hatten. Zugleich haben wir uns gefragt: Haben wir da überhaupt eine Chance? Das war ein ganz großes Fragezeichen. Wir waren uns alle einig darin, dass wir unseren Weg auch in der Bundesliga weitergehen werden. Ob der auch in der Bundesliga zum Erfolg führen würde, wussten wir nicht – und viele haben uns ja auch prognostiziert: Ihr habt keine Chance. Dass wir den Klassenerhalt drei Spieltage vor Schluss geschafft haben und nun sogar europäisch spielen, hat alles zum Explodieren gebracht. Jetzt ist die Euphorie nochmal größer. Aber die Zielsetzung ist dieselbe wie im vergangenen Jahr: Wir kämpfen ums sportliche Überleben und wollen drei Mannschaften hinter uns lassen.

    Tatsächlich hat wohl kein Verein einen derart großen Aderlass wie der 1. FC Heidenheim erfahren. Sie haben 36 von 50 Toren verloren: Jan-Niklas Beste, Tim Kleindienst, Sessa, Dinkci, Dovedan. Wer schießt künftig die Tore?
    SANWALD: Hoffentlich die Spieler, die jetzt da sind. Wir haben Leistungsträger verloren, dafür aber auch so hohe Transfererlöse erzielt wie nie zuvor. Wir haben viele spannende Spieler geholt. Bei jedem einzelnen von ihnen haben wir die Fantasie, dass er es packt in der Bundesliga. Dabei sind wir unserem Schema treu geblieben: keine erfahrenen Profis aus internationalen Ligen, sondern junge, hungrige, deutschsprachige Spieler – vor allem aus der 2. und 3. Liga.

    Tatsächlich spricht jeder Spieler im Heidenheim-Kader Deutsch. Warum ist Ihnen das so wichtig?
    SANWALD: Kommunikation ist für uns ein ganz, ganz wichtiges Element. Wenn wir miteinander Themen besprechen, können wir zum Beispiel auch Probleme lösen und so schnell zu einer Einheit werden. Wir haben gemerkt, wie wichtig das für uns ist. Neue Spieler, die sich uns anschließen, sagen oft: Es ist unglaublich, wie schnell man hier integriert ist. Wir müssen auch schnell zu einer Einheit auf dem Platz werden, um schnell wieder an unser Leistungs-Optimum zu kommen.

    Spielerverkäufe gehören zu unserem Weg.

    Holger Sanwaldundefined

    Mit Beste und Kleindienst hat der Verein Rekordablösen erzielt, die beiden bringen 17 Millionen Euro ein. Investiert haben sie aber nur einen Bruchteil der Summe. Was machen sie denn mit dem vielen Geld?
    SANWALD: Wir hatten über die Jahre erhebliche Investitionen zu tätigen, um auf das jetzige Niveau zu kommen. Aber wir haben keinen weißen Ritter, der für uns die Schatulle aufmacht. Spielerverkäufe gehören zu unserem Weg. Nur vor der vergangenen Saison haben wir ganz bewusst darauf verzichtet. Wir haben uns gesagt: Es ist das erste Jahr in der Bundesliga, lasst uns jetzt bitte die Mannschaft zusammenhalten. Aber zugleich war uns auch klar: Wenn wir erfolgreich sind, werden wir Erlöse auf einem ganz anderen Niveau erzielen können. Die konnten wir jetzt erwirtschaften und die werden uns auch helfen, unsere Infrastruktur erstligatauglich zu machen. Wir spielen in der Voith-Arena nur mit einer Sondergenehmigung der Deutschen Fußball Liga. Wir müssen ausbauen, das ist eine DFL-Auflage. Und wenn es um die Finanzierung dafür geht, werden alle genau auf unsere Bilanz blicken. Da helfen Einnahmen, wie wir sie jetzt erzielt haben.

    Augsburgs Niklas Dorsch wird wohl nicht nach Heidenheim zurückkehren.
    Augsburgs Niklas Dorsch wird wohl nicht nach Heidenheim zurückkehren. Foto: Tom Weller, dpa

    Auch neue Spieler kosten Geld. Ist ihr Ex-Spieler Niklas Dorsch ein Thema beim FC Heidenheim?
    SANWALD: Dorschi war einer der besten Spieler, die je bei uns unter Vertrag standen. Es hat herausragend gut gepasst, und wir haben immer noch einen guten Kontakt. Aber wir haben momentan auf seiner Position nicht wirklich Bedarf, es gibt diesbezüglich keine Gespräche.

    Inwiefern ist der Erfolg des FCH auch eine Genugtuung für Sie angesichts der Stimmen, die den Verein immer unterschätzt und Ihnen prognostiziert haben, dass Sie mit dem Heidenheimer Weg an die Grenzen stoßen?
    SANWALD: Genugtuung ist jetzt vielleicht das falsche Wort. Es macht uns glücklich, dass es bis jetzt so gut geklappt hat. Es ist nicht unser Antrieb, es irgendjemandem zu zeigen. Wir gehen unseren Weg, der ist auch nicht unbedingt kopierbar, er passt eben perfekt für unseren Standort. Wir hatten die letzten Jahre hier enormen Erfolg, sind in die Bundesliga aufgestiegen und haben unsere Premierensaison auf Rang acht abgeschlossen. Aber wenn wir in diesem Jahr, mit all den Abgängen an Leistungsträgern vor der Saison, den Klassenerhalt schaffen, wäre das für mich noch eine größere Leistung.

    Wir wissen jetzt, wie die Liga funktioniert.

    Holger Sanwaldundefined

    Warum schafft Heidenheim den erneuten Klassenerhalt?
    SANWALD: Erstens: Unsere Defensive bleibt unverändert, vom Torwart über die Abwehrkette bis zum defensiven Mittelfeld. Ab dem Herbst waren wir sehr stabil, das war die Grundlage für unseren Erfolg. Punkt zwei: Wir kennen die Bundesliga jetzt. Es ist für uns nicht mehr neu, wenn beispielsweise der FC Bayern kommt. Wir wissen jetzt, wie die Liga funktioniert. Jetzt ist die Frage: Schaffen wir es als Kollektiv und mit den neuen Spielern, die Abgänge aufzufangen? Und da bin ich sehr optimistisch.

    Der FCH hat sich bei Neuzugängen vor allem in unteren Ligen umgesehen. Sie haben mal gesagt, Sie wüssten genau, welcher Spieler bei Frank Schmidt funktioniert und welcher nicht. Wie wirkt sich das auf das Spielerscouting aus?
    SANWALD: Das ist ein riesiger Vorteil – zu wissen, welche Spieler zu uns passen und welche nicht. Es geht um Robustheit, Bereitschaft, aber auch die richtige Einstellung. Wenn wir das Beispiel Paul Wanner nehmen, den wir vom FC Bayern ausgeliehen haben: Der ist der jüngste Bundesliga-Spieler aller Zeiten bei den Bayern und hätte sich überall hin ausleihen lassen können. Vergangene Saison ist er aber nach Elversberg gegangen, zu einem Zweitliga-Aufsteiger. Das fanden wir sehr interessant – es zeigt, dass er bereit ist, hart zu arbeiten. Wir hatten bei ihm sofort das Gefühl: Das passt. Und auch vor dieser Saison hätte er eigentlich überall hingehen können. Zugleich weiß er bei uns auch: Hier bei uns in Heidenheim kann er sich auf Fußball konzentrieren.

    Das ist Holger Sanwal

    Holger Sanwald, 57, spielte in seiner Jugend in Heidenheim Fußball. Mit 27 Jahren wurde er Fußball-Abteilungsleiter des Heidenheimer SB. 2007 spaltete sich der 1. FC Heidenheim vom Verein ab. Mit dem Aufstieg in die Erste Liga erlebte der Klub vor einem Jahr seinen Höhepunkt.

    Dabei setzt der FCH wie fast immer nicht auf die großen Namen. Leo Scienza zum Beispiel kommt vom Zweitligaaufsteiger Ulm. Mikkel Kaufmann, ihr Rekordtransfer, hatte bisher ein enttäuschendes Bundesliga-Jahr bei Union hinter sich.
    SANWALD: Wir hätten Mikkel Kaufmann gerne schon im vergangenen Jahr geholt, aber wir hatten da keine Chance. Damals hatte er ein überragendes Zweitligajahr hinter sich und ist zu Union Berlin gewechselt. Dass das vergangene Jahr schlecht lief, macht Mikkel für uns noch interessanter. Wir wissen, dass er gut ist – jetzt geht es darum, ihn wieder auf dieses Niveau zu bringen.

    Es ist klar, dass rotiert wird, das ist auch eine Chance.

    Holger Sanwaldundefined

    Ende August entscheidet sich in den Play-offs, ob der FCH in der Conference League spielt. Die Dreifachbelastung hat schon andere Vereine hart getroffen. Auch den 1. FC Heidenheim?
    SANWALD: Klar gibt es diese Gefahr. Aber wir gehen diese Aufgabe wie alle mit Optimismus und Vorfreude an. Es ist doch auch eine Gelegenheit, um sich in Form zu spielen. Es ist klar, dass rotiert wird, das ist auch eine Chance. Wenn wir zum ersten Bundesliga-Spieltag bei St. Pauli antreten, haben wir ein Spiel mehr Zeit gehabt, um uns einzuspielen, das ist ein Vorteil.

    Der Klub will wachsen, nicht zuletzt beim Stadion. Die Voith-Arena soll ausgebaut und um zwei Parkhäuser ergänzt werden. Das dauert aber offenbar noch, warum?
    SANWALD: Der Heidenheimer Gemeinderat hat im vergangenen Herbst seine Zustimmung dazu erteilt. Aktuell sind wir in der Offenlegung des Projekts. Als nächstes werden die Eingaben abgearbeitet werden. Der Satzungsbeschluss soll Ende des Jahres gefasst werden. Ich hoffe, dass wir bei der umliegenden Infrastruktur – da geht es zum Beispiel um Parkhäuser und einen Busshuttle-Bahnhof- im Sommer 2025 mit den Bauarbeiten beginnen werden. Die Voith-Arena soll langfristig auf 25.000 Zuschauer ausgebaut werden. Die DFL-Vorgaben schreiben mindestens 8000 Sitzplätze vor, wir haben aber derzeit nur rund 4000.

    Wissen Sie, was im Jahr 2027 ist?
    SANWALD: Nein, was soll da sein?

    Der Vertrag ihres Trainers Frank Schmidt läuft in diesem Jahr aus, dann wäre er 20 Jahre Trainer beim FCH. Verlängert er da nochmal?
    SANWALD: Ich sehe, mit welcher Leidenschaft Frank hier jeden Tag seine Arbeit macht. Und ich weiß, dass er seine Verträge erfüllt. Deswegen wusste ich jetzt mit dieser Jahreszahl nichts anzufangen. Zugleich weiß er, dass er hier in Rente gehen kann und alle Freiheiten hat. Aber erstmal ist es bis dahin noch lange hin – und zweitens kann er die Tapas-Bar, die er nach dem Karriere-Ende eröffnen will, dann auch noch ein paar Jahre später aufmachen. Das ist doch was für Rentner – und als solchen sehe ich Frank dann nicht, 2027 ist er gerade mal 53 Jahre alt. (lacht)

    Was wünschen Sie sich persönlich für die neue Saison und welche langfristigen Visionen haben Sie für den 1. FC Heidenheim?
    SANWALD: Kurzfristig den Klassenerhalt, langfristig wollen wir uns in der Bundesliga etablieren.

    Wann ist man denn etabliert?
    SANWALD: Wenn die ganze Infrastruktur steht. Der FC Augsburg ist für mich zum Beispiel etabliert, Mainz und Freiburg ebenso. Die haben alle mindestens zehn Jahre in der ersten Liga auf dem Buckel und haben ihre Hausaufgaben gemacht. Da wollen wir langfristig auch hin.

    Sie begehen kommendes Jahr ihr 30-jähriges Jubiläum beim 1. FC Heidenheim. Wie sieht ihre Zukunftsplanung aus?
    SANWALD: Solange die Menschen in unserem Verein das wollen, arbeite ich sehr gerne für den FCH. Der Antrieb ist immer noch da wie am ersten Tag. Spannend wird es mal, wenn es ein schwieriges Jahr gibt. Heißt es dann, dass neue Besen hermüssen? Seitdem ich 1995 in der Landesliga hier angefangen habe, haben wir als Verein nicht einen einzigen Abstieg verarbeiten müssen. Ich weiß dennoch natürlich, wie schnell das Geschäft gehen kann. Ich bin Fan und Diener des Vereins – wenn ich das leisten kann und will, geht es noch lange weiter.

    Aber selbst durch einen Abstieg würde die Heidenheimer Welt nicht zerstört werden, oder?
    SANWALD: Das sollte uns als Verein nicht aus der Bahn werfen, zumal auch die zweite Liga etwas Großartiges ist, so attraktiv wie die Jahr für Jahr ist. Trotzdem werden wir jetzt in der Bundesliga alles geben für den Klassenerhalt. Es wäre umso schöner, wenn uns das erneut gelingt!

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