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Interview: Handball-Coach Mayerhoffer: "Einen Tod muss man wohl sterben"

Interview

Handball-Coach Mayerhoffer: "Einen Tod muss man wohl sterben"

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    Trainer Hartmut Mayerhoffer gestikuliert an der Seitenlinie. Mit dem HC Erlangen kämpft der 54-Jährige in der Bundesliga um den Klassenerhalt.
    Trainer Hartmut Mayerhoffer gestikuliert an der Seitenlinie. Mit dem HC Erlangen kämpft der 54-Jährige in der Bundesliga um den Klassenerhalt. Foto: Frank Molter, dpa

    Herr Mayerhoffer, welche Erkenntnisse haben Sie als Vereinstrainer bei der EM gewonnen?
    HARTMUT MAYERHOFFER: Letztendlich habe ich fast alle Spiele gesehen. Hört sich komisch an: Aber im Vergleich zur WM ist das Niveau um einiges höher wegen der europäischen Mannschaften, die die Weltspitze darstellen. Revolutionäres habe ich nicht erkannt. Es hat sich gezeigt, dass Topmannschaften eine extrem hohe Leistungsdichte in der Breite haben. Das brauchst du, um so ein Turnier, mit vielen

    Ist das der Grund, warum die deutsche Nationalmannschaft nicht mehr zur Weltspitze zählt?
    MAYERHOFFER: In der deutschen Mannschaft nehmen viele junge Spieler eine sehr wichtige und zentrale Rolle ein. Ihnen fehlt die jahrelange Erfahrung von Spielen auf Topniveau. Man darf sich aber auf die Zukunft mit Spielern wie Knorr oder Köster sowie den U21-Weltmeistern Uscins, Fischer, Lichtlein oder Späth freuen. Mit jedem Turnier wird die Erfahrung wachsen. Mir ist überhaupt nicht bange, was die Zukunft betrifft, im Nachwuchs machen wir einen guten Job. Andere Nationen haben den Vorteil, dass ihre Spieler in den Vereinen international auf allerhöchstem Level spielen.

    2027 organisiert Deutschland eine Heim-WM. Ist die Nationalmannschaft dann titelfähig?
    MAYERHOFFER: Entscheidend wird sein, wie viel Einsatzzeit die Spieler in ihren Vereinen auf internationaler Ebene bekommen. Ich glaube schon, dass wir bis dahin die Chance haben werden, wieder um eine Medaille mitzuspielen. In großen Turnieren entscheiden Kleinigkeiten, ob man ins Finale einzieht oder um Platz fünf spielt. Bedeutend ist auch der Turnierbaum und wie viele Punkte man aus der Vor- in die Hauptrunde mitnehmen kann.

    Die deutsche Bundesliga ist eine der stärksten Ligen weltweit. In den Top-Klubs spielen ausländische Stars. Für junge deutsche Spieler ist es schwer, sich dort durchzusetzen.
    MAYERHOFFER: Natürlich ist der Anspruch in einem Spitzenverein hoch. Wer international spielt, dort muss ein junger Spieler ein hohes Niveau mitbringen. Andererseits brauchst du im Alter von 18 bis 21 Jahren viel Spielzeit, um Entwicklungssprünge zu machen. Ich bin aber überzeugt: Am Ende wird sich Qualität durchsetzen. Der Spieler braucht Talent, Wille und Durchhaltevermögen, um sich Spielanteile zu erkämpfen.

    Ein Turnier mitten in der Saison. Obendrein Spiele alle zwei Tage. Ist irgendwann der Punkt erreicht, an dem die Spieler überlastet sind?
    MAYERHOFFER: Mit Christoph Steinert und dem Slowenen Clemen Ferlin sind wenige Tage nach der EM zwei Nationalspieler mit ins Trainingslager gefahren, um sich auf die Rückrunde vorzubereiten. Daran sieht man, wie extrem getaktet das Ganze ist. Anfang Juni ist unsere Saison vorbei, dann beginnt die Vorbereitung auf die Olympischen Spiele in Paris. Anfang September beginnt die Bundesliga wieder. Da wir mit dem HC Erlangen nicht international spielen, ist das gut machbar. Für Spieler aber, welche mit ihren Mannschaften zusätzlich noch an internationalen Vereinswettbewerben teilnehmen, ist die Belastung wirklich sehr hoch.

    Sie haben schon einmal vorgeschlagen, eine WM oder EM alle vier statt alle zwei Jahre zu veranstalten. Halten Sie daran fest?
    MAYERHOFFER: Den Gedanken daran darf man nicht ausklammern. Auf der anderen Seite lebt unsere Sportart von der medialen Öffentlichkeit der Nationalmannschaft. Sie ist das Aushängeschild unserer Sportart. Gerade im Winter, wenn König Fußball Pause hat, bekommt Handball eine Plattform. Das Interesse des Publikums ist hoch. Diskutiert wird auch über eine Reduzierung der Bundesliga und damit weniger Spiele. Davon bin ich kein Freund, weil die Bundesliga eine hohe Dichte an Qualität hat. Dass jeder gegen jeden gewinnen kann, macht den Reiz aus. Aber einen Tod muss man wohl sterben. Denn ich glaube nicht, dass man auf Dauer so weitermachen kann.

    Nach Frisch Auf Göppingen trainieren Sie seit Sommer den HC Erlangen in der Bundesliga. Wofür steht der Klub?
    MAYERHOFFER: Der Verein hat sich von einem Zweitligisten zu einem gestandenen Bundesligisten etabliert. Strukturell hat man sich unheimlich weiterentwickelt, ein gutes Netzwerk aufgebaut. Bei den Heimspielen in der Nürnberger Arena generiert der Klub eine Menge Zuschauer mit einer tollen Stimmung. Die Verzahnung zwischen Nachwuchsarbeit und Profis gelingt sehr gut. Dieser Verein wird dem Anspruch gerecht, dauerhaft Bundesliga zu spielen. Ich wollte die Herausforderung annehmen, diesen Weg mitzugehen.

    Am Wochenende haben Sie ein bedeutendes Spiel gegen die HSG Wetzlar mit einem Tor Unterschied verloren. Müssen Sie sich jetzt nach unten orientieren?
    MAYERHOFFER: Wie ich gesagt habe: Die Bundesliga ist extrem ausgeglichen. Die halbe Liga strebt den Klassenerhalt an, ehe sie sich andere Ziele setzen kann. Die Aufsteiger Eisenach und Balingen stehen ganz unten, aber auch sie gewinnen Spiele und holen Punkte. Davor darf man die Augen nicht verschließen.

    Wie beurteilen Sie Ihre Lage?
    MAYERHOFFER: Wir haben zuletzt unsere Heimspiele gegen Lemgo und Hamburg gewonnen, gegen Wetzlar leider verloren. Das waren elementare Spiele für uns, in denen wir Punkte gewonnen, aber auch verloren haben. Alles kann sich ganz schnell wieder komplett verändern. Von Woche zu Woche kann sich die Platzierung ändern. Deshalb ist es momentan sehr herausfordernd. Ich glaube, das wird bis zum Saisonende so bleiben.

    Wie sieht die Ansprache aus, wenn jede Partie enorm bedeutend ist?
    MAYERHOFFER: Das hängt von Spiel zu Spiel ab. Die Bedeutung jeder Partie ist enorm und im Bewusstsein jedes Einzelnen. Die Spieler können die Tabelle lesen und wissen nach den Erfahrungen der Hinrunde, wie schnell es nach oben oder unten gehen kann. Wir müssen in jedem Spiel an die Grenzen gehen, um Punkte zu holen. Wir versuchen das mit maximaler Ernsthaftigkeit, aber auch der notwendigen Fokussierung und Selbstvertrauen anzugehen.

    Sie haben einen Vertrag über zwei Jahre unterschrieben. Welche Ziele haben Sie sich gesteckt?
    MAYERHOFFER: Kurzfristig betrachtet kann es nur darum gehen, die Liga zu halten. Das ist es, was wir unbedingt anstreben. Nächster Schritt wird sein, für Stabilität zu sorgen und mit den hinteren Rängen auf Dauer nichts zu tun zu haben. Sich Schritt für Schritt im Mittelfeld zu etablieren, ist die Zielsetzung für die Zukunft. Weil die Leistungsdichte in den vergangenen Jahren extrem gestiegen ist, etliche Mannschaften dieses Ziel verfolgen und entsprechend investieren, ist das ein spannender Prozess.

    Erst Göppingen, jetzt Erlangen. Wann trainieren Sie einen Top-Klub in der Bundesliga?
    MAYERHOFFER: Diese Frage stellt sich für mich nicht. Deshalb habe ich mir darüber bislang überhaupt keine Gedanken gemacht. Ich habe mir auch keinen Karriereplan zurechtgelegt, sondern bin glücklich, wo ich war und wo ich jetzt bin. Dort versuche ich, das Bestmögliche zu geben, und mit der Mannschaft Ziele zu erreichen.

    Zur Person

    Hartmut Mayerhoffer, 54, kam als Neunjähriger aus Rumänien nach Augsburg. Er ist verheiratet, hat zwei Kinder und wohnt in Leitershofen bei Augsburg. Als Handballer war er unter anderem für den VfL Günzburg in der zweiten Liga aktiv. Trainer war er beim TSV Aichach, der HSG Langenau und dem TSV Friedberg, ehe er ins Profilager wechselte. Mit Zweitligist Bietigkeim stieg er 2014 in die Bundesliga auf, ab Sommer 2018 trainierte er Erstligist Frisch Auf Göppingen. Ende November 2022 wurde Mayerhoffer entlassen. Seit dieser Saison trainiert er den Bundesligisten HC Erlangen.

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