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Interview: Bundestrainer Harold Kreis: „Die Spieler haben eine andere Mentalität“

Interview

Bundestrainer Harold Kreis: „Die Spieler haben eine andere Mentalität“

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    Seit gut einem Jahr steht Harold Kreis als Bundestrainer an der Bande. Der 65-Jährige holte auf Anhieb WM-Silber mit dem Team.
    Seit gut einem Jahr steht Harold Kreis als Bundestrainer an der Bande. Der 65-Jährige holte auf Anhieb WM-Silber mit dem Team. Foto: Karl-Josef Hildenbrand, dpa

    Das erste Duell mit der Slowakei in Kaufbeuren endete mit einem 7:3 für Deutschland. Wie ordnen Sie den Erfolg ein?
    HAROLD KREIS: Der Sieg tut natürlich gut, aber auch der Weg dorthin hat uns ausgezeichnet. Ich habe der Mannschaft gesagt, dass ich finde, dass wir von Spiel zu Spiel unserer Identität ein Stückchen näher kommen. Was uns ausgezeichnet hat, war, dass wir nach den beiden Toren der Slowaken im ersten Drittel uns wieder ins Spiel zurückgekämpft haben. Wir haben wieder mit Tempo gespielt und mit einer besseren Scheibenkontrolle.

    Am Samstag trifft die Nationalmannschaft in Augsburg wieder auf die Slowakei. Was verbinden Sie mit dem ältesten Eishockey-Standort in Deutschland?
    KREIS: Das ist eine witzige Geschichte. Als ich nach Deutschland kam, das liegt schon hundert Jahre zurück (Kreis kam 1978, Anm. d. Red.), hat mir damals Manager Heinz Weisenbach ein Vertragsangebot für Mannheim gemacht. Er suchte Kanadier mit deutschen Wurzeln. Drei Tage später kam ein Anruf aus Augsburg, und sie haben mir gesagt, dass sie mich gerne in Augsburg spielen sehen würden. Aber ich habe Weisenbach mein Wort gegeben. Sonst wäre ich vielleicht hierhergekommen und hätte lange beim AEV gespielt. Ich habe ein paar DEL-Spiele während der Saison in Augsburg gesehen. Die Begeisterung der Zuschauer und die Freude am Eishockey ist zu spüren. Das erhoffen wir uns am Samstag und wollen ein gutes Spiel bieten.

    Wie fällt die Bilanz nach einem Jahr als Bundestrainer sportlich aus?
    KREIS: Das war ein perfekter Lauf. Von den Ergebnissen her hat die Weltmeisterschaft in Finnland vor einem Jahr nicht gut begonnen für uns. Wir haben stark gespielt, aber die Ergebnisse blieben zunächst aus, wir haben die ersten drei Spiele verloren. Die Vorgabe der DEB-Geschäftsstelle in München war, mindestens das Viertelfinale zu erreichen, die Qualifikation für Olympia 2026 und, wenn es geht, die Weltmeisterschaft 2027 nach Deutschland zu holen. Alle drei Ziele haben wir erreicht. Sogar ein bisschen mehr (Deutschland holte WM-Silber, Anm. d. Red.).

    Mit welchem Ziel gehen Sie in die WM in Tschechien?
    KREIS: Wir legen den Fokus auf die Mannschaft, auf den Prozess. Denn im Sport wissen wir: Manchmal geht die Scheibe rein und manchmal nicht. Die Zielsetzung ist der Maximalerfolg.

    Sie bleiben vorsichtig. Wenn man mit den Spielern spricht, kommen klarere Ansagen. Es reicht nicht mehr, nur dabei zu sein. Die deutschen Spieler wollen Titel gewinnen. Ist da ein neues Selbstbewusstsein zu spüren?
    KREIS: Absolut. Als Klubtrainer habe ich die Entwicklung als Außenstehender verfolgt. Unter Bundestrainer Marco Sturm hat das begonnen. Ein Resultat war Olympia-Silber 2018. Sein Nachfolger Toni Söderholm hat es fortgesetzt. Und wenn die Spieler sagen, dass ich es auch umsetze, dann freut mich das. Es ist so: Die Spieler haben eine andere Mentalität. Wir gehen wirklich in jedes Spiel hinein, unabhängig vom Gegner, und sagen, dass wir gewinnen können, wenn wir uns an den Spielplan halten und unsere Maximalleistung bringen. Und wenn noch ein bisschen Glück dazukommt.

    Wie erleben Sie den Bundestrainerjob nach vielen Jahren als Klubcoach?
    KREIS: Ich wurde gefragt, ob es mein Ziel war, Bundestrainer zu sein. Ich finde es schwierig, so ein Ziel auszugeben. Man muss hoffen, dass ein Angebot zur richtigen Zeit kommt. Ich bin zweimal davor gefragt worden, ob ich die Stelle als Bundestrainer übernehmen möchte. Zweimal hat der Verein Nein gesagt. Was ja ein gutes Zeichen ist, dass der Verein dich nicht loshaben möchte. In Schwenningen haben die Gesellschafter gesagt, dass ich aus dem Vertrag herauskann. Die Aufgabe macht mir Spaß. Ich verbringe jetzt viel mehr Zeit zu Hause mit meiner Frau. Das war für uns beide gewöhnungsbedürftig. Aber es ist uns gut gelungen.

    Deutsche Spieler jubeln um Justin Schütz (M) nach seinem Treffer zum 5:3.
    Deutsche Spieler jubeln um Justin Schütz (M) nach seinem Treffer zum 5:3. Foto: Karl-Josef Hildenbrand, dpa

    Nach dem WM-Silber erhielt die Nationalmannschaft den Fernsehpreis „Die Goldene Henne“. Für das Eishockeyteam war es eine Premiere.
    KREIS: Die Goldene Henne ist eine Auszeichnung, die die Fernsehzuschauer wählen. Somit war es ein Zeichen für uns, wie viele Leute die Nationalmannschaft während der Weltmeisterschaft begeistert haben. Auch bei der Sportlergala in Baden-Baden wurden wir geehrt. Wir hatten viel zu tun, aber das lag an der Leistung der Mannschaft und der Anteilnahme der Zuschauer.

    Die NHL-Spieler sollen noch zum Team stoßen. Wie stehen die Chancen, dass Nico Sturm seine zweite WM spielt?
    KREIS: Nico ist ein sehr ehrlicher und zugänglicher Mensch. Er hat nach wie vor seine Begeisterung für die Nationalmannschaft geäußert. Aber er kann noch keine feste Zusage machen. Das ist für uns selbstverständlich. Es geht auch um den Wunsch des Klubs oder den körperlichen Zustand des Spielers. Das gilt für alle NHL-Spieler.

    Das Spiel am Samstag in Augsburg ist genauso wie in Kaufbeuren ausverkauft. Das deutsche Eishockeyteam zieht die Fans an. Wie bekommen Sie das zu spüren?
    KREIS: Als Klubtrainer habe ich mehr Anfragen für Autogramme erhalten. Aber Spaß beiseite: Während der letzten WM habe ich im Bekanntenkreis mitbekommen, dass sich mehr Leute für die Nationalmannschaft interessiert haben, die sonst nicht an Eishockey interessiert waren. Wir haben die Begeisterung auch an den Zuschauerzahlen in der DEL und der DEL2 gesehen.

    Hören Sie sich dazu auch unseren Podcast "Augsburg, meine Stadt" mit Dennis Endras an, der Einblicke ins Innenleben der Augsburger Panther gibt.

    Zur Person

    Harold Kreis wurde in Winnipeg (Kanada) geboren und kam 1978 nach Europa, wo er bald einen deutschen Pass erhielt. Der Verteidiger wurde in Mannheim nicht nur wegen zwei deutscher Meisterschaften zur Legende. In der Nationalmannschaft kommt er auf 180 Einsätze. In Deutschland fand Kreis sein privates Glück, lernte seine Frau Irene kennen, mit der er zwei Kinder hat. Nach dem Karriereende als Spieler 1997 trainierte der 65-Jährige unter anderem Mannheim, Bad Nauheim, Lugano, Zürich, Düsseldorf oder zuletzt Schwenningen. Seit März 2023 ist Kreis Bundestrainer.

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