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Indien hofft auf den Schach-WM-Titel für Dommaraju Gukesh

Schach-WM

18-jähriges Schachwunder hält Indien in Atem

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    Das Schach-Duell zwischen Dommaraju Gukesh (l) und Ding Liren bleibt weiter spannend.
    Das Schach-Duell zwischen Dommaraju Gukesh (l) und Ding Liren bleibt weiter spannend. Foto: Then Chih Wey, dpa

    Seit über einer Stunde sitzen sich Dommaraju Gukesh und Ding Liren nun schon gegenüber. Liren leicht nach vorn gebeugt und konzentriert, Gukesh nach hinten gelehnt, scheinbar entspannt. Liren hat sein Jackett schon nach drei Minuten ausgezogen. Ansonsten ist nicht viel passiert. Die beiden Schachspieler spielen die vierte Runde der Schach-WM in Singapur. Nach drei Runden steht es 1,5 zu 1,5. Dabei waren die Vorzeichen ganz andere.

    Schließlich ging der Inder Gukesh als klarer Favorit ins Rennen. Der 18-Jährige ist in absoluter Topform. Seit er elf ist, hat Gukesh alles dem Schach untergeordnet. Damals hat er seine Schule beendet und sich auf seine Schachkarriere konzentriert. Sein Vater, ein HNO-Arzt, hat sogar extra seine Klinikstelle gekündigt, um den Sohn zu unterstützen. Das sollte sich auszahlen. Mit zwölf wurde der Inder Großmeister, beim Kandidatenturnier 2024 in Toronto qualifizierte sich der damals 17-Jährige als jüngster Spieler jemals für eine Schach-WM. Wie kann dieser Jungspund im Spiel gegen den amtierenden Weltmeister Favorit sein?

    Zehn Jahre hatte Magnus Carlsen den Weltmeistertitel verteidigt

    Ding Liren hatte den Titel im vergangenen Jahr als erster Chinese überhaupt geholt, nachdem die Nummer Eins der Schachwelt, Magnus Carlsen, nicht mehr angetreten war. Dieser hatte den Titel zuvor zehn Jahre lang verteidigt. Nach dem Titelgewinn folgte für Liren eine Formkrise. Eigenen Angaben zufolge kämpft er mit Depressionen. Unkonzentriertheiten reihten sich an klare Fehler. Zwischenzeitlich schien Liren völlig von der Rolle zu sein.

    Die vierte Partie des Duells gegen Gukesh beginnt er mit einer Eröffnung, die häufig als Vincent-Keymer-Eröffnung bezeichnet wird. Keymer ist einer der besten Schachspieler der Welt und der jüngste deutsche Großmeister aller Zeiten. Zu Beginn eines Spiels hat er so häufig die gleiche Zugabfolge gespielt, dass die Eröffnung nach ihm benannt wurde. Liren will Gukesh im WM-Finale damit überraschen.

    Um das Finale zu gewinnen, muss einer von beiden 7,5 Punkte erzielen. Es spielt immer der amtierende Weltmeister gegen den Sieger des alljährlichen Kandidatenturniers, den Herausforderer. Ein Sieg gibt einen Punkt, ein Remis einen halben. Das erste Spiel konnte Ding Liren überraschend für sich entscheiden, obwohl Dommaraju Gukesh mit den weißen Figuren zuerst ziehen durfte. Die zweite Partie endete unentschieden, die dritte sicherte sich Gukesh.

    In Indien finden Public Viewings der Schach-WM statt

    In seiner Heimat ist der 18-jährige Inder ein Held. Es finden Public Viewings statt, eine indische Comedygröße kommentiert das Finale gemeinsam mit einer Großmeisterin und einem Schachreporter. Hunderttausende sehen sich die Events auf Youtube an. Auch in Deutschland schauen immerhin Zehntausende live oder im Nachhinein zu, wie sich die zwei Kontrahenten gegenübersitzen. „Männer, die auf Bretter starren“, titelte die Zeitung nd (ehemals neues Deutschland) jüngst recht treffend. Überhaupt gibt es nur eine einzige Frau, die Ungarin Judit Polgár, die es bislang in die Weltspitze geschafft hat.

    Dass der Hype auch hierzulande verfängt, liegt daran, dass Schach durch das Internet sein Image als Denksport für vermeintliche Intellektuelle und Streber abgelegt und sich zu einer Freizeitbeschäftigung für die breite Masse gemausert hat. Via World Wide Web vernetzen sich Spieler auf der ganzen Welt. Wichtige Partien werden von Großmeistern, zum Teil recht unterhaltsam, kommentiert. Während das Spiel Gukesh gegen Liren auf einem kleinen Bildschirm läuft, probieren die Granden der deutschen Schachszene verschiedene Spielzugkombinationen aus und erklären, wann wer warum welche Chancen auf den Sieg hat.

    Das vierte Spiel zwischen Ding Liren und Dommaraju Gukesh endet Unentschieden

    In Spiel Vier haben sie allerdings viel Zeit zu plaudern. Im Prinzip läuft die Partie durchgehend auf ein Unentschieden hinaus. So kommt es dann auch. Kurzzeitig hat Ding Liren die Möglichkeit, seine gute Stellung auszunutzen und den Inder ernsthaft in Bedrängnis zu bringen. Er entscheidet sich jedoch für die sichere Variante. „Wie Ding die letzten drei Runden gespielt hat, ist das Kernproblem, das wir bei ihm die letzten zwei Jahre schon extrem gesehen haben. Dass er sich eigentlich nicht zutraut, gegen stärkere Gegner zu gewinnen, dass er es vielleicht sogar gar nicht versucht“, sagt Großmeister Jan Gustafsson am Ende der Übertragung. Mit einem 2:2 ist natürlich trotzdem noch alles offen.

    In Indien werden sie gehofft haben, dass sich Gukesh nach vier Partien bereits einen Vorteil heraus gespielt hat. Zu groß war der Unterschied zwischen den beiden Akteuren, von dem vor dem Finale die Rede war. Als der Herausforderer im dritten Spiel den ersten Sieg holte, regnete es im indischen Livestream Konfetti. Kaum vorstellbar, was passiert, sollte Gukesh tatsächlich den Titel holen.

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