Startseite
Icon Pfeil nach unten
Sport
Icon Pfeil nach unten

In eigener Sache: Wieso und wie wir über die Fußball-WM in Katar berichten

In eigener Sache

Wieso und wie wir über die Fußball-WM in Katar berichten

    • |
    Die Vergabe der Fußball-WM nach Katar war ein fataler Fehler der Fifa. Der Ausrichter unterdrückt Minderheiten und subventioniert Terror. Trotzdem bereiten wir das gigantische Event journalistisch auf.
    Die Vergabe der Fußball-WM nach Katar war ein fataler Fehler der Fifa. Der Ausrichter unterdrückt Minderheiten und subventioniert Terror. Trotzdem bereiten wir das gigantische Event journalistisch auf. Foto: Gregor Fischer, dpa

    Der Weltfußballverband Fifa hat 2010 eine in vielerlei Hinsicht falsche Entscheidung getroffen. Eine Entscheidung, die ausschließlich finanziellen Interessen gefolgt ist und den Eindruck untermauert, dass nur noch zählt, was (ein-)zahlt. Eine, die weitreichende Folgen hat und haben wird. Eine, die nicht oft genug als falsch bezeichnet werden kann: Sie hat die Austragungsrechte für die Fußball-Weltmeisterschaft 2022 nach Katar vergeben.

    Die Entscheidung ist vor allem aus gesellschaftlichen, politischen und ökologischen Gründen falsch.

    Gesellschaftlich

    Das gigantische Sportevent findet in diesem Winter in einem Land statt, das Menschenrechte mit Füßen tritt. NGOs berichten regelmäßig über Misshandlung und tödliche Ausbeutung insbesondere von asiatischen Gastarbeitern – nicht nur, aber auch beim Bau der Fußballtempel. Die Situation soll sich verbessert haben. Doch was geschieht, wenn die Welt ihre Scheinwerfer wieder aus Katar abzieht? Wie nachhaltig sind die kleinen Schritte in Richtung eines würdigeren Umgangs mit jenen, die das viele Geld der Kataris sprichwörtlich verbauen?

    Fußball-WM in Katar: Wandel durch Handel?

    Es darf bezweifelt werden, dass das Prinzip "Wandel durch Handel" im Fall von Katar besser funktionieren wird als etwa mit Russland oder China. Noch immer lassen die Machthaber im Wüstenstaat Minderheiten einsperren, unabhängige Berichterstattung unterdrücken und eklatante Ungleichheit wachsen. Beispiel: Wer in Katar lesbisch oder schwul ist, muss sich verstecken, darf nicht leben, wie sie und er möchte. Gerade erst hat der katarische WM-Botschafter und frühere Fußball-Nationalspieler Khalid Salman im Interview mit dem ZDF Homosexualität als "geistigen Schaden" bezeichnet. Die Fifa schreibt sich Toleranz auf die Fahnen. Wie passt das zusammen mit der Vergabe der WM nach Katar?

    Politisch

    Katar ist einer der großen Player auf der Weltbühne – was bemerkenswert ist angesichts der geringen Größe und Einwohnerzahl des Staats. Das Land erkauft sich mit seinen Rohstoff-Milliarden Einfluss auf der ganzen Welt. Es übernimmt Anteile an Unternehmen wie Siemens, VW und Deutscher Bank, und beteiligt sich an infrastrukturellen Projekten. So weit, so vergleichbar mit anderen geopolitischen Spielern auf der Weltbühne.

    Doch Katar steckt sein Geld nicht nur in Firmen und Infrastruktur, sondern unterstützt auch Terroristen wie die Hamas im Gazastreifen. Offiziell soll das Invest die Lebenssituation der Menschen verbessern. Doch ob Terroristen das Geld für ihre Zwecke missbrauchen, da hat Katar offensichtlich jahrelang nicht so genau hingeschaut.

    Sehr genau schauen die Kataris hingegen etwa nach Berlin. Dort statten sie islamische Vereine mit viel Geld aus, die der Verfassungsschutz überwacht hat. Das haben Recherchen des ZDF kürzlich ergeben.

    Die Fussball-WM 2022 findet in Katar statt.
    Die Fussball-WM 2022 findet in Katar statt. Foto: Nariman El-Mofty/AP, dpa

    Ökologisch

    Katar investiert viel, um als exzellenter Gastgeber für die Fußballwelt dazustehen: Es baut die modernsten Stadien mit den fortschrittlichsten Kühlungsanlagen, den luxuriösesten Logen, dem exzellentestem Grün und der gigantischsten Infrastruktur. Millionen Menschen werden ein Event der Superlative sehen. Die WM wird Hochglanzbilder am Fließband produzieren.

    Und dann?

    Katar ist für vieles bekannt. Als fußballverrücktes Land hat es sich bislang noch keinen Namen gemacht. Was passiert nach den Spielen mit den modernsten Stadien mit den fortschrittlichsten Kühlungsanlagen, den luxuriösesten Logen, dem exzellentestem Grün und der gigantischsten Infrastruktur? Wie nachhaltig wird sie wirklich sein, die angeblich nachhaltigste WM aller Zeiten?

    Die Entscheidung für die WM in Katar bleibt falsch

    Die Entscheidung für Katar war falsch und sie bleibt falsch. Sie ist von Männern getroffen worden, denen Profit wichtiger ist als demokratische Grundprinzipien. Sie sind Brüder im Geiste jener Männer, die die Olympischen Spiele nach Sotschi und Peking gebracht haben. Sie stehen für eine Welt von Sportfunktionären, die die Kommerzialisierung von Spielen als oberstes Ziel ansehen. Hauptsache, der Rubel rollt.

    Bezeichnet die WM-Vergabe nach Katar mittlerweile als großen Fehler: Ex-Fifa-Chef Joseph Blatter.
    Bezeichnet die WM-Vergabe nach Katar mittlerweile als großen Fehler: Ex-Fifa-Chef Joseph Blatter. Foto: Walter Bieri/epa/dpa

    Doch wie nun umgehen mit der Entscheidung der Fifa? Diese Frage stellen sich viele. Die Stadt Augsburg veranstaltet kein Public Viewing. Fans organisieren Boykott. Auch wir haben uns gefragt, wie wir mit dem Thema umgehen. Nicht nach Katar fahren? Hinfahren und nur über Sportliches berichten? Hinfahren und auch auf Missstände hinweisen?

    Wir haben uns nach intensiver Diskussion für Letzteres entschieden – auch wenn es Argumente für Ersteres gegeben hätte. Tilmann Mehl reist für Sie, liebe Leserinnen und Leser, nach Katar. Er wird über die wichtigen Spiele berichten – online wie gedruckt. Seine Analysen sollen Ihnen Zusammenhänge erklären, seine Kommentierungen Denkanstöße liefern, seine Besuche im Podcast "Nachrichtenwecker" Infos und Eindrücke aus erster Hand bereithalten. Mehl wird hinter die funkelnden (und gekühlten) Kulissen blicken – furchtlos, unabhängig und objektiv.

    Objektiver Journalismus, der hinter die funkelnden Kulissen blickt

    Wir können die Entscheidung der Fifa-Männer nicht revidieren, genauso wenig wie es die Nationalspieler es können. Aber wir können unseren Auftrag erfüllen. Der lautet: handwerklich sauberen, seriösen Journalismus auf allen Kanälen.

    Wir holen Ihnen die Spiele nach Hause. Wir tun es, weil es unsere Aufgabe ist, die Welt in allen Facetten darzustellen. Wir tun es auch für die Menschen in Katar, die unter jenen Herrschern leiden, denen die Fifa die WM geschenkt hat. Wir tun es nicht, um für Katar oder die Fifazu werben oder die Entscheidung aus 2010 zu legitimieren.

    Denn die ist und bleibt: falsch.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden