Am Donnerstag kann der 1. FC Heidenheim das nächste Kapitel seiner unwahrscheinlichen Geschichte – manche nennen es ein Fußball-Märchen – schreiben. Schafft es die Mannschaft von der Ostalb, den 2:1-Sieg aus dem Hinspiel beim FC Kopenhagen ins Ziel zu bringen, steht der FCH im Achtelfinale der Conference League. Das Heimspiel gegen die Dänen (18.45 Uhr, RTL Nitro) ist ohnehin wieder ausverkauft, so wie alle Partien auf der Ostalb in dieser Saison. Hinter vorgehaltener Hand sagt aber mancher Beobachter, dass es gar nicht so schlecht wäre, wenn das Kapitel Europacup am Donnerstagabend enden würde. In der Liga steht Heidenheim das Wasser längst bis zum Hals.
Fünf Niederlagen in Folge hat die Mannschaft zuletzt in der Liga angesammelt, kein anderer Verein ist formschwächer. Heidenheim steht zwar noch auf dem Relegationsplatz 16, das könnte sich aber bald schon ändern. Bochum ist nach dem Sieg gegen Dortmund punktgleich, hat aber noch Aussicht auf zwei weitere Zähler, die aus der Partie gegen Union Berlin stammen. Die Partie wird derzeit mit 1:1 gewertet, könnte aber wegen des Feuerzeugwurfs noch als Sieg für den VfL gewertet werden. Kiel ist nur einen Zähler entfernt. Ein Ausmaß der Heidenheimer Krise bekommt, wer sich die Tabelle nach dem fünften Spieltag ansieht: Nach dem 2:0-Sieg in Mainz stand der FCH auf Platz sechs, mit neun Punkten. Seither sind in 17 weiteren Spielen gerade mal fünf weitere Zähler hinzugekommen. Am Wochenende ging es wieder gegen Mainz – und diesmal waren es die Rheinhessen, die 2:0 siegten.

Heidenheim-Trainer Frank Schmidt: „Insgesamt sind wir nicht gut genug“
Das Fazit von Trainer Frank Schmidt: schonungslos. „Insgesamt sind wir nicht gut genug, so ehrlich müssen wir sein, um in der Bundesliga Spiele zu gewinnen. So reicht es nicht.“ Chancen, um in Führung zu gehen, habe es genug gegeben. Dass am Ende wieder die Null bei den eigenen Treffern stand, erklärte Torhüter Kevin Müller so: „Nach vorne sind wir zu ungefährlich, qualitativ nicht gut genug im Abschluss. Und hinten kriegen wir es auch nicht hin.“
Der personelle Aderlass vor Saisonbeginn hat sich längst bemerkbar gemacht: Von den 50 Toren, die der FCH vergangene Saison erzielt hatte, gingen 36 auf das Konto von fünf Spielern, die nun woanders spielen. Vor allem die Abgänge von Tim Kleindienst (Gladbach), Jan-Niklas Beste (Lissabon, mittlerweile Freiburg) und Eren Dinkci (Freiburg) wiegen schwer. Zu Saisonbeginn schien es noch, dass alles wie immer in Heidenheim laufen würde: Als Ersatz für die Leistungsträger der Vorsaison werden neue, größtenteils weniger bekannte Spieler geholt, die dann in die Bresche springen. Leo Scienza (Ulm) und der vom FC Bayern ausgeliehene Paul Wanner schienen die neuen Stars auf der Ostalb zu sein. Wanner gelang das Kunststück, in seinen ersten vier Saisoneinsätzen zu treffen. Der Hype um das Talent, das von der deutschen und der österreichischen Nationalelf umworben wird, nahm solche Züge an, dass es Frank Schmidt irgendwann „zu viel Paul Wanner“ wurde. Mittlerweile steckt der 19-Jährige ebenfalls in der Krise, wurde zuletzt nur noch eingewechselt. Der in der Winterpause verpflichtete Budu Zivzivadze traf noch nicht. Dabei war der Georgier eigentlich ein klassischer Heidenheim-Griff: Toptorjäger der 2. Liga, für kleines Geld aus Karlsruhe geholt. Es scheint fast, als ob das Heidenheimer Modell nicht mehr zu funktionieren scheint.
Nur eine Konstante scheint zu bestehen: An Coach Frank Schmidt gibt es keine Kritik. Mr. Heidenheim steht auch nach einer Durststrecke, die andere Trainer längst den Job gekostet hätte, nicht zur Diskussion. Vorstandschef Holger Sanwald stärkte seinem Trainer den Rücken: „Er macht auf mich keinen wesentlich anderen Eindruck als in all den Jahren bisher.“ Zumindest das scheint derzeit noch geblieben zu sein vom Heidenheimer Fußball-Märchen.
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