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"Gold-Rosi" ist tot: Rosi Mittermaier ist immer Mensch geblieben

Nachruf

Zum Tod von Rosi Mittermaier: Eine, die das Rampenlicht nie liebte

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    Rosi Mittermaier ist im Alter von 72 Jahren gestorben.
    Rosi Mittermaier ist im Alter von 72 Jahren gestorben. Foto: Angelika Warmuth, dpa

    Während Rom unter den Augen der Weltöffentlichkeit Abschied vom früheren Papst Benedikt XVI. nahm, starb in Garmisch-Partenkirchen in aller Stille eine Frau, die jeder nur als „Gold-Rosi“ kannte. Am Mittwoch ist sie im Alter von 72 Jahren gestorben.

    Im Kreis der Familie sei sie nach schwerer Krankheit friedlich eingeschlafen, meldete der BR am frühen Donnerstagvormittag, gerade als im Vatikan das Requiem begann. Nur ein kleiner Kreis hatte gewusst, dass Rosa Katharina Mittermaier-Neureuther, wie sie mit vollem Namen hieß, in den vergangenen Monaten schwer an Krebs erkrankt war.

    Nun ist die Bestürzung umso größer. Das Land verliert eine seiner erfolgreichsten und beliebtesten Sportlerinnen. Selten, dass der Tod einer Einzelnen die Herzen so vieler berührt.

    Die deutsche Ski-Ikone Rosi Mittermaier ist mit 72 Jahren gestorben.
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    Bis zuletzt galt Rosi Mittermaier, besser bekannt als "Gold-Rosi", als eine der beliebtesten Sportlerinnen des Landes. Nun ist sie im Alter von 72 Jahren gestorben. Wir blicken auf ihr bewegtes Leben zurück.

    Ihre größten Erfolge als Sportlerin feierte Rosi Mittermaier in den 70er Jahren

    Die beiden Olympiasiege bei den Winterspielen 1976 in Innsbruck haben der Frau mit dem strahlenden Lachen eine Bekanntheit beschert, die sie eigentlich nie wollte. Es passt zu Mittermaier, dass sie ihr Leiden und Sterben aus der Öffentlichkeit hielt. „Sie wollte damit niemand anderen belasten und die Zeit noch intensiver mit ihrer engsten Familie verbringen“, sagt Maria Epple-Beck. Die 63-Jährige aus Seeg im Ostallgäu war selbst eine erfolgreiche Skifahrerin und über Jahrzehnte befreundet mit Mittermaier. 

    Laut Bild hat Mittermaier kurz vor Weihnachten das Krankenhaus verlassen, um die Feiertage ein letztes Mal daheim in Garmisch-Partenkirchen zu verbringen. Dann, am 4. Januar, endete ein Leben, das am 5. August 1950 in München begonnen hatte. Legendär und vielfach verklärt ist Mittermaiers Kindheit auf der Winklmoosalm. Das einfache Berg-Leben einer Familie mit drei Mädchen. Und das Fundament der Bodenständigkeit, die sich Mittermaier bis zum Ende bewahrt hat. Oberhalb von Reit im Winkl betrieben ihre Eltern eine Gaststätte samt Skischule. Mit drei Jahren stand Mittermaier das erste Mal auf Skiern. Mit 16 Jahren fuhr sie das erste Mal im Weltcup, mit 17 das erste Mal nach ganz oben aufs Podest. Eine Karriere im Zeitraffer.

    Insgesamt zehn Siege schaffte sie im Weltcup. Sohn Felix Neureuther übertrumpfte sie zwar diesbezüglich mit 13 Erfolgen und ist damit deutscher Rekordhalter. Doch Rosi Mittermaier gelang dafür in der Saison 1975/76 der Gewinn des Gesamtweltcups, des Slalomweltcups und der Kombinationswertung. Sie war die herausragende deutsche Skifahrerin ihrer Zeit und raste mit der ihr eigenen Mischung aus außergewöhnlichem sportlichen Talent und einer fröhlichen, nahbaren Art in die Herzen der Menschen.

    1976 war Rosi Mittermaier die "Gold-Rosi"

    Aus heutiger Sicht ist es schwer zu fassen, was damals passierte, als diese junge Frau aus Reit im Winkel bei den Olympischen Winterspielen 1976 in Innsbruck in der Abfahrt und im Slalom Gold gewann. Eine Kombination zweier extrem gegensätzlicher Disziplinen, die es in der mittlerweile hochspezialisierten Ski-Welt wohl nicht mehr geben wird. Das Land verfiel in einen kollektiven Begeisterungsrausch. „Gold-Rosi“ war geboren und tat, was so typisch für sie war: Sie trat einfach ab von der großen Bühne. Im Frühling des Jahres 1976 beendete Mittermaier ihre Ski-Karriere mit 25 Jahren.

    Viele große Sportlerinnen und Sportler scheitern am Leben danach. An der Erkenntnis, dass sie nie wieder etwas so gut können werden wie das, was hinter ihnen liegt. Deshalb klammern sie sich erst verzweifelt an ihre Karriere, später dann an den schwindenden Ruhm, den ihnen diese Karriere einst beschert hat. Das ist manchmal komisch, oft tragisch. Mittermaier tat weder das eine noch das andere. Sie blieb einfach sie selbst. All der Rummel um ihre Person schien an ihr abzuperlen. Eher belustigt als beängstigt verfolgte sie die Eskapaden und Zuneigungsbekundungen, die ihr entgegenschlugen. Kurz vor ihrem 70. Geburtstag erzählte sie, dass sie 1976 binnen weniger Wochen 27.000 Briefe bekommen habe. „Darunter waren 120 Bewerbungen von Leuten, die mich managen wollten“, erinnerte sich Mittermaier, auch diverse Heiratsanträge in Schriftform gingen ein. Der Postbote sei „ganz narrisch“ geworden, denn er habe das ja alles rauf auf die Winklmoosalm bringen müssen.

    Rosi Mittermaier gewann bei den Olympischen Winterspielen 1976 in Innsbruck zweimal Gold und einmal Silber.
    Rosi Mittermaier gewann bei den Olympischen Winterspielen 1976 in Innsbruck zweimal Gold und einmal Silber. Foto: picture alliance, dpa (Archivbild)

    Auf ihren Ruhm hat sich Mittermaier nie etwas eingebildet. Sie blieb die Rosi von nebenan. Immer nahbar, den Menschen zugewandt. Das beweist auch folgende Anekdote. Der US-Skifahrer Ted Ligety war ein Star der Szene und guter Kumpel von Mittermaiers Sohn Felix. Regelmäßig übernachtete er im Hause Mittermaier/Neureuther, wenn der Weltcup-Zirkus in der Nähe von Garmisch-Partenkirchen gastierte. Natürlich brachte er dann auch seine schmutzige Wäsche mit, derer sich Rosi Mittermaier annahm – und selbst Ligetys Unterhosen bügelte.

    Der Legende nach soll der US-Boy beim ersten Mal derart überrascht gewesen sein, dass er vorsichtshalber bei Felix nachfragte, was denn da mit seiner Unterwäsche geschehen sei. Mittermaier lieferte später in einem Interview die herrliche Begründung: „Gerade die Boxershorts kringeln sich doch immer ein, dann sieht es nicht mehr schön aus. Wenn ich im Fernsehen Sport anschaue, kann ich nebenbei wunderbar bügeln, das hilft den Boxershorts.“

    Die Doppel-Olympiasiegerin aus Reit im Winkl war der Gegenentwurf eines prätentiösen Stars. Vielleicht genau deshalb erhielt sie bis zuletzt Fanpost. Auch noch Jahrzehnte nach ihren Erfolgen wurde sie von wildfremden Menschen auf der Straße angesprochen, die ihr dann wie selbstverständlich berichteten, wo sie waren, als Mittermaier 1976 in Innsbruck olympisches Gold holte.

    Rosi Mittermaier und Ehemann Christian Neureuther.
    Rosi Mittermaier und Ehemann Christian Neureuther. Foto: Tobias Hase, dpa (Archivbild)

    Aus der Öffentlichkeit verschwand Mittermaier nie, wenngleich sie es nie besonders liebte, im Rampenlicht zu stehen. Sie schaffte es aber, ihre Prominenz geschickt zu vermarkten, auch weil sie nach ihrem Karriereende die amerikanische Marketingagentur IMG engagierte, die damalige Stars wie den Wimbledon-Sieger Björn Borg unter Vertrag hatte. Vor allem aber heiratete sie 1980 Christian Neureuther, ebenfalls ein erfolgreicher Skifahrer. Er ist bis heute der Stratege des Familienbetriebs Neureuther/Mittermaier. Er zieht im Hintergrund die Fäden. Orchestriert Vertragsverhandlungen, organisiert Pressetermine, hält den Laden am Laufen. 

    Gemeinsam tingelten Rosi und Christian durch Fernsehsendungen und gaben das stets gut gelaunte Paar mit dem netten Dialekt aus der heilen Welt in den bayerischen Alpen. Vor allem im BR war und ist die Familie Neureuther omnipräsent, einst als Vorturner in der Skigymnastik-Reihe „Tele-Ski“, inzwischen arbeitet Felix Neureuther als Experte für den Sender und kommentiert Skirennen. Angesichts der elterlichen Vorbelastung war es fast schon logisch, dass er reichlich Talent erbte und zum erfolgreichsten deutschen Weltcupfahrer aufstieg. Tochter Ameli soll, so behauptet es zumindest ihr Bruder, noch talentierter gewesen sein, entschied sich aber für eine künstlerische Karriere und arbeitet als erfolgreiche Modedesignerin. Felix Neureuther hat oft erzählt, wie sehr sich seine Eltern darum bemühten, ihn und seine Schwester von dem ganzen Trubel fernzuhalten. Pokale oder Medaillen seien zu Hause nirgendwo zu sehen gewesen. Die alten Plaketten schlummerten in irgendwelchen Kisten im Keller. Möglichst normal sollten die Kinder aufwachsen und erfuhren erst spät, dass da eine waschechte Olympiasiegerin das Mittagessen kocht. Als bei einem Jugendrennen ein Zuschauer mit einem Olympiabuch von 1976 zu seiner Mutter kam, die am Rand stand, und um eine Unterschrift bat, habe er überrascht gefragt, warum denn da ein Bild von seiner Mama drin sei, erinnerte sich Felix einmal.

    Später, als er im Weltcup fuhr und die ersten Erfolge feierte, hielt sich seine Mutter stets im Hintergrund. Als der Sohn in Kitzbühel seinen ersten Weltcupsieg schaffte, dort also, wo auch sein Vater schon gewonnen hatte, stürmte Christian Neureuther in den Zielbereich und setzte zur tränenreichen Umarmung an. Rosi Mittermaier dagegen stand irgendwo im Zuschauerbereich, verdrückte ein paar Tränchen und traf ihren Sohn erst später, als er gerade in Turnschuhen Richtung Pressekonferenz durch den Schnee marschierte – und prompt einen Anpfiff kassierte, dass er sich doch bitte erst einmal feste Schuhe anziehen solle. 

    Schon zu ihren aktiven Zeiten habe sie sich nie etwas aus Siegen gemacht, hat Rosi Mittermaier oft gesagt. Ihr sei es immer um den Spaß am Skifahren gegangen. An der Freude jedes einzelnen Schwungs. Auch deshalb sei es ihr nicht schwer gefallen, ihre Karriere zu beenden. Ganz im Gegenteil. Danach habe sie das Skifahren endlich wieder befreit vom ganzen Drumherum genießen können.

    Die "Gold-Rosi" stand eigentlich nicht so gerne in der Öffentlichkeit

    Dem Trubel um ihren 70. Geburtstag war die Jubilarin, getreu ihres Wesens, aus dem Weg gegangen. „Ich stehe eigentlich bis heute nicht so gern in der Öffentlichkeit, auf der anderen Seite gehört es zu meinem Leben“, sagte sie. Gefeiert wurde im kleinen Kreis, denn: „Es ist schön, wenn man viele Freunde trifft, aber das muss nicht unbedingt am Geburtstag sein.“ Christian Neureuther hat das Wesen seiner Frau einmal so beschrieben: „Die Rosi ist in ihrer Normalität so extrem, dass es fast schon wieder unnormal ist. Wenn du so einen Menschen um dich hast, ist das ein Glück.“

    Bis zuletzt verwendete Rosi Mittermaier viel Zeit darauf, sich sozial zu engagieren, vor allem für ihre Kinderrheuma-Stiftung. Zudem war sie Botschafterin der Initiative gegen Knochenschwund. Vor allem aber liebte sie es, ihre Enkelkinder zu behüten. Sohn Felix, inzwischen dreifacher Vater, hat in Garmisch-Partenkirchen direkt nebenan ein Haus gebaut. Die Familie war immer das Zentrum der Rosi Mittermaier. Am Donnerstagabend teilte Ameli Neureuther in ihrer Instagram-Story ein altes Schwarz-Weiß-Bild ihrer Mutter, wie sie am hölzernen Steuerrad eines Schiffs steht und mit einem leichten Lächeln nach oben blickt. Darunter stehen die Worte: Der Himmel leuchtet.

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