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Glosse: Wenn selbst der Fußball-Gott machtlos ist

Glosse

Wenn selbst der Fußball-Gott machtlos ist

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    Der damalige Teamchef Rudi Völler in Reykjavik bei einem Interview im ARD-Studio mit Moderator Waldemar Hartmann. Völler äußerte nun Verständnis für Tuchel.
    Der damalige Teamchef Rudi Völler in Reykjavik bei einem Interview im ARD-Studio mit Moderator Waldemar Hartmann. Völler äußerte nun Verständnis für Tuchel. Foto: ARD

    Es gibt Dinge zwischen Himmel und Erde, die hat noch niemand gesehen. Und trotzdem sprechen manche Menschen davon, als handelte es sich um etwas Alltägliches, Selbstverständliches. Etwas, das doch jedem geläufig sein muss. Und wundern sich, wenn man sie ungläubig anstarrt. Insbesondere Trainer finden Erklärungen für den Bockmist, den ihre Mannschaft gerade produziert, die im ersten Moment sogar plausibel klingen. Bei näherer Betrachtung handelt es sich um nichts anderes als Humbug. 

    Wenn Eishockeyspieler von der Mittellinie gefühlt einen Reisebus verfehlen, dann fabulieren die Übungsleiter gerne etwas vom fehlenden Scheibenglück. Wer kennt es nicht, das Glück, das die Welt keine Scheibe ist? Oder doch eine Scheibe ist? Fußballtrainer schieben die Schuld am Versagen nicht auf ihr lausiges Training. Nein, dann hat der Fußball-Gott ein Tor/den Sieg/die Meisterschaft – Unpassendes bitte streichen – verhindert. Wer der Fußball-Gott ist, ist nicht näher bekannt. Vielleicht ein Sohn des richtigen Gottes. Oder sein sportlicher Onkel. Höchste Zeit für Recherche in der Bibel. 

    Die Legende vom Weißbier-Waldi war geboren

    Wenn aber nun ein Trainer erklären muss, warum seine Mannschaft nach einer 6:0-Führung noch 6:7 verliert, reichen weder Scheibenglück noch Fußball-Gott aus. Dann kommt das berühmt-berüchtigte Momentum ins Spiel. Als Rudi Völler die Nationalmannschaft trainierte (2000 bis 2004), war das Momentum noch nicht entdeckt. Damals sprach man von Pech, Dusel und Glück. Oder beschimpfte die Fußballexperten, weil die es gewagt hatten, nach einem 0:0 gegen Island von einem Tiefpunkt zu sprechen. "Die Sache mit dem Tiefpunkt und noch mal ’n Tiefpunkt und noch mal ’nen niedrigeren Tiefpunkt. Ich kann diesen Scheißdreck nicht mehr hören", polterte Tante Käthe in seiner legendären Wutrede am 6. September 2003 gegenüber Waldemar Hartmann. Und meinte an den Moderator gerichtet: "Du sitzt hier locker bequem auf deinem Stuhl und hast drei Weizenbier getrunken." Die Legende vom Weißbier-Waldi, der eigentlich kein Weißbier mag, war geboren. 

    Völler erinnerte sich in diesen Tagen an seine Entgleisung und verteidigte den Bayern-Trainer Thomas Tuchel, der nach der Kritik der Fußball-Experten Lothar Matthäus und Dietmar Hamann mit beißender Ironie antwortete. "Ja, das passiert hin und wieder mal, ob bei mir oder bei Thomas oder anderen Trainern. Das ist dem Momentum geschuldet", sagte Völler im Interview mit Blickpunkt Sport. Nach einer kritischen Frage breche es heraus, das könne er verstehen, meinte der 63-Jährige. Da ist selbst der Fußball-Gott machtlos. 

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