Wenn sich Tayfun Korkut, der neue Trainer des VfB Stuttgart, in seinem Job über eines nicht beschweren kann, dann ist es eine überzogene Erwartungshaltung. Die Reaktionen auf seine Verpflichtung schwanken zwischen Unverständnis und blankem Entsetzen. Vor der Geschäftsstelle des Vereins wurde gestern ein Grablicht platziert. Auf Twitter wurde die Trainersuche des Klubs, der es zuerst bei Thomas Tuchel versucht haben soll, so beschrieben: Der VfB kommt ins Restaurant. Der Klub sagt zum Ober: „Ich hätte gerne das Filet Mignon.“ Der Ober: „Tut mir leid, aber Filet Mignon ist leider aus.“ Die Antwort: „Dann bitte trockenes Brot von gestern.“
Das ist nicht nett. Und falsch. Denn wer denkt, dass der VfB einfach nur wie sonst einen haarsträubenden Fehler begangen hat, der irrt. Hinter der Verpflichtung von Korkut steckt ein genialer Schachzug, der sich nur Experten erschließt. Denn als der gebürtige Stuttgarter seinen Heimatverein im Januar 2012 verließ, ging es nie darum, sportlichen Erfolg zu haben.
Die von Korkut trainierten Mannschaften sollten aus dem Verkehr gezogen werden
Vielmehr sollten alle von Korkut trainierten Mannschaften nachhaltig aus dem Verkehr gezogen werden. Los ging es mit der türkischen Nationalmannschaft, bei der er als Co-Trainer arbeitete. Sind die jetzt bei der WM dabei? Eben. Nach dem Freundschaftsdienst für seinen Stuttgarter Kumpel und Nationaltrainer Jogi Löw kümmerte sich Korkut um seine eigentliche Aufgabe und knipste bei einem VfB-Konkurrenten nach dem anderen das Licht aus. Hannover? Wurde von Korkut so gründlich bearbeitet, dass der Klub kurz danach abstieg. Kaiserslautern? Ist derzeit auf dem besten Weg in Liga drei. Seinen größten Coup – nämlich Leverkusen vergangene Saison in die zweite Liga zu führen – verpasste Korkut, dieser Teufelskerl, nur knapp.
Und jetzt? Nun ändert sich die Vorgabe für Korkut zwar: Zum ersten Mal geht es darum, tatsächlich Spiele zu gewinnen. Aber auch diese Aufgabe wird der findige Schwabe lösen. Die einfache wie geniale Formel lautet: Er muss nur alles anders machen als bislang. Und selbst wenn Korkut tatsächlich eines Tages in Stuttgart entlassen wird, sollte man sich davon nicht täuschen lassen: Er ist nur auf dem Weg zur nächsten Aufgabe.
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