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Glosse: Warum Italiens Nationalelf mit dem WM-Aus alles richtig gemacht hat

Glosse

Warum Italiens Nationalelf mit dem WM-Aus alles richtig gemacht hat

Florian Eisele
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    Bei genauerem Nachdenken hat das Aus der italienischen Nationalmannschaft um Giorgio Chiellini in der WM-Quali auch seine guten Seiten.
    Bei genauerem Nachdenken hat das Aus der italienischen Nationalmannschaft um Giorgio Chiellini in der WM-Quali auch seine guten Seiten. Foto: Nick Potts, dpa

    Was war das für eine italienische Mannschaft, die im vergangenen Sommer bei der EM die Fußball-Welt verzückte! Allein Abwehrchef Giorgio Chiellini, der aussieht, als ob er direkt einem Asterix-Band entstiegen ist! Der beim Herumblödeln vor dem Elfmeterschießen gegen Spanien so eine Coolness versprühte! Die bei Bedarf selbstredend in die Schlawinerhaltung umschlagen kann, wie er im Finale gegen England zeigte. Der Karnickelfanggriff von Chiellini gegen den Engländer Saka wurde zum Sinnbild des Turniers, an dessen Ende die Squadra Azzurra sich Europas Thron schnappte.

    Und jetzt? Nur acht Monate später scheint die Mannschaft, die noch im Oktober den Weltrekord von 37 Spielen in Folge ohne Niederlage aufstellte, an der tiefsten Krise angekommen. Die WM wird ohne Italien stattfinden. Italiens Zeitungen rufen in gewohnter Zurückhaltung "l’ora più buia", die dunkelste Stunde des Calcios, aus.

    Wer braucht schon eine WM, während die Weihnachtsmärkte stattfinden?

    Dabei ist das alles nur die halbe Wahrheit. Denn in Wirklichkeit könnte sich das italienische WM-Aus noch als segensreich erweisen. Denn mal ganz ehrlich: Wer hat denn Lust auf eine Weltmeisterschaft, die im November und Dezember stattfindet? Die noch dazu in einem Land stattfindet, in dem der Fußball eine ähnliche überschaubare Tradition hat wie in Italien die Ananas auf der Pizza?

    Viele sprechen in diesen Tagen in hochtrabenden Worten vom WM-Boykott – und werden schwach, sobald der erste Ball rollt. Der Geist ist willig, doch die Liebe zu König Fußball schlägt manch hehren Vorsatz. Die italienische Nationalmannschaft hat es ihren Fans hingegen leicht gemacht, das Turnier in Katar zu boykottieren: Sie hat mit ihrem Aus in der Qualifikation Fakten geschaffen. Aus italienischer Sicht ist die WM jetzt schon beendet. Mögen der Tedesco, der Franzose oder mancher Inselbewohner sich dieses unwürdige Wüsten-Schauspiel auch Tag und Nacht ansehen – in Italien wird die Zahl derer, die einen ernsthaften WM-Verzicht betreiben, ansteigen.

    Auch sportlich ist das WM-Aus für Italiens Kicker ein Vorteil

    Dieses Wissen wirft auch ein völlig anderes Licht auf das vermeintliche Scheitern: Denn wer, wenn nicht eine Ü30-Mannschaft wie Italien wüsste zudem, wie wichtig Pausen sind? Während die Kicker aus anderen Nationen die WM zwischen zwei Ligaspielen reinquetschen müssen, verbringen Chiellini und Co. das Turnier auf der Wellnesscouch oder auf einem Weihnachtsmarkt. Klar, der sportliche Aspekt mag immer noch schmerzen. Aber in dem Alter, in dem die meisten Nationalspieler Italiens stecken, muss man auch gönnen können. Dass sie die Lässigsten von allen sind, wissen die Italiener ohnehin.

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