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Glosse: Schachspieler sind die wahren Hasardeure des Sports

Glosse

Schachspieler sind die wahren Hasardeure des Sports

Tilmann Mehl
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    Magnus Carlsen (links) und Jan Nepomnjaschtschi teilen sich den Sieg bei der Blitzschach-WM.
    Magnus Carlsen (links) und Jan Nepomnjaschtschi teilen sich den Sieg bei der Blitzschach-WM. Foto: Seshadri Sukumar, ZUMA Press Wire/dpa

    Rund um den Jahreswechsel bestimmen wahre Hasardeure das sportliche Geschehen. In gewagten Outfits und auf gesellschaftliche Normen pfeifend treten sie im fairen Wettstreit gegeneinander an. Mann gegen Mann. High Noon. Wilder Westen. Es gewinnt, wer schneller zieht. Oder zumindest: besser. Gemeint sind diesmal nicht die Skispringer, die es auf vier verschiedenen Schanzen mit der Schwerkraft aufnehmen. Oder die Darts-Werfer, deren karnevalesken Shirts ja nur von Kreativität und alkoholgeschwängerter Lust am Verkleiden der Fans überboten wird. Sie alle: Liebreizende Streber-Buben im Vergleich zu den Bad Boys des Sports.

    Vor wenigen Tagen war an gleicher Stelle der zivile Ungehorsam Magnus Carlsens Thema. Der Norweger hatte die Chuzpe, bei der Schnellschach-WM in Jeans anzutreten. Ein verrückter Hund. Schließlich wird das Spiel der Könige vorgeschriebener Maßen im feinen Zwirn praktiziert. Die Disqualifikation war unausweichlich. Wer aber ein echter Revoluzzer ist, gleicht sein Verhalten nicht dem Recht an - sein Verhalten sei neues Recht! Bei der auf die Schnellschach-WM folgende Blitzschach-WM trat Carlsen abermals in Jeans an. Der Weltverband hatte dafür extra seine Regeln geändert.

    Die Sache mit den Analperlen

    Carlsen aber wäre nicht Carlsen, wenn er es dabei belassen würde. Vor rund einem Monat hatte er bereits angekündigt, für den FC St. Pauli in der Schach-Bundesliga zu spielen. Für jenen Klub also, der sich in der freibeuterischen Tradition eines Klaus Störtebeker sieht. Der Pirat hätte gewiss auch Jeans getragen, wenn sie denn schon erfunden gewesen wäre. Nun also spielte er sich bei der Blitzschach-WM ins Finale. Auf dem Weg dorthin schaltete er unter anderem seinen alten Rivalen Hans Niemann aus. Dem hatte er einst vorgeworfen, bei dem ja so edlen Spiel der Gedächtnisakrobaten zu betrügen. Gerüchte machten die Runde, das könne mithilfe sogenannter Analperlen geschehen sein. Beweise fehlen. Wie sollten diese auch zu erbringen sein?

    Im Finale saß er bejeanst dem Russen Jan Nepomnjaschtschi gegenüber. Zwei Siege Carlsen, zwei Siege Nepomnjaschtschi, anschließend drei Remis. Weiter, immer weiter hätte es gehen sollen. Nicht aber mit Carlsen. Der bot seinem Kontrahenten an, den WM-Titel zu teilen. In den Regeln vorgesehen ist das nicht. Aber Carlsen und die Regeln, da war doch was. Nepomnjaschtschi nahm an. Niemann (der mit den Perlen-Gerüchten) echauffierte sich:  „Es kann nur einen Weltmeister geben.“ So was stört die Piraten der Schachbretter freilich nicht.

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