Um 11.57 Uhr jagt Uli Hoeneß den Ball in den Belgrader Nachthimmel. Kein Aufstöhnen auf der Tribüne. Möglicherweise, weil es schon alle vorher gewusst haben. Also, nicht im Sinne von: "Ich hab's dir doch vorher gesagt". Jenem Sprüchlein, das niemand hören mag, der es vorher eben noch nicht gewusst hat. In diesem Fall hier wussten es tatsächlich wirklich alle vorher. Schließlich liegt der Fehlschuss des heutigen Patrons und damaligen blonden Blitzes 48 Jahre zurück.
Wer sich mit Fußball beschäftigt – und der Großteil des Auditoriums macht das hauptberuflich – verbindet die Wörter Hoeneß und Nachthimmel automatisch mit jenem Elfmeterschießen im EM-Finale des Jahres 1976. Der Beruf des Sportreporters ist ein wundervoller Beruf – so man sich für Sport interessiert. Er bringt einen an die entlegensten Ecken der Welt. Watutinki, Bahia, Herzogenaurach. Weltmeisterschaftsendspiele, olympische Finalläufe, Handball-Bezirksliga. Herrlich.
Magenta überträgt – Arte nicht
Die meiste Zeit verbringen Sportreporter bei Großveranstaltungen allerdings mit: Warten. Auf den Bus, der einen zum Training bringt. Auf die Pressekonferenz. Auf den Anpfiff. Im Mediencenter des DFB wird das Warten mit Glotzen verkürzt. Auf zwei kinoleinwandgroßen Bildschirmen wird von morgens bis abends gesendet. Warten auf Godot würde sich anbieten. Weil die EM aber eine fußballerische Großveranstaltung ist, läuft nicht Arte sondern Magenta. Der Sender überträgt sämtliche EM-Spiele. Im Vorlauf des Turniers zeigt er unter anderem alte Spiele.
Also wuchtet Hoeneß den Ball zur Mittagszeit über das Tor. Rob Witschge schießt zu Kaffee und Kuchen das 2:0 gegen Bodo Illgner. Zur Halbzeit wird Manni Binz ausgewechselt. Holland gewinnt 3:1. Vorrunde 1992. Zwischen den EM-Spielen eine Kroos-Doku. Toller Fußballer. Mehr ist kaum zu erfahren, schließlich ist der Ton abgestellt. Gibt ja auch Frauen und Männer, die das permanente Warten mit Arbeit unterbrechen. Die schreiben dann beispielsweise eine Kolumne.
Es ist wirklich ein wundervoller Beruf. Er bietet die Möglichkeit, den Körper fit zu halten. Gesunder Körper: Grundlage für gesunden Geist. Wussten schon die alten Schweden. Nicht jeder Reporter kann für sich in Anspruch nehmen, körperlich ähnlich gut in Form zu sein, wie all die Sportlerinnen und Sportler, über die berichtet wird. Die Warterei geht auf den Rücken. In Herzogenaurach aber hat der DFB eine Tischtennisplatte aufgestellt. Und deswegen endet die Kolumne hier.