Das erst mal vorab: Immer Glück zu haben, hat nichts mit Glück zu tun. Immer Pech zu haben, ist wiederum auch nicht auf Pech zurückzuführen. Stichworte: Mentalität, Hartnäckigkeit, Widerstandsfähigkeit. Sinnbildlich für alles Glück dieser (Fußball-)Erde stand lange Zeit der FC Bayern – der Klub, der regelmäßig Spiele in der letzten Minute gewann, enge Entscheidungen zu seinen Gunsten bekam und am Ende immer oben stand. Der aufmerksame Leser hat es gemerkt: Diese Zeilen sind in der Vergangenheitsform verfasst.
Denn aktuell scheint sich das vermeintliche Glück, dieses scheue Reh, von den Bayern zu Bayer geschlagen haben. Bayer Leverkusen, das immer noch auf seine erste Saisonniederlage wartet, scheint aktuell sämtliche Dusel-Kontingente in Beschlag zu nehmen. Ein aktuelles Beispiel lieferte am Freitagabend das Spiel gegen Mainz. Das hätte vielleicht 1:1 geendet, wenn sich Robin Zentner, der Torwart der 05er, den Ball bei einem eigentlich harmlosen Schuss von Robert Andrich das komplette Slapstick-Arsenal aufgefahren hätte. Zuerst ging ihm der Ball durch die Arme, dann boxte ihn Zentner beim Fangversuch selbst in die Maschen. Das nur schwer widerlegbare Fazit des Schlussmannes: "Den muss ich halten."
Kopfball an den Pfosten: Harry Kane galt zuerst als Sinnbild des Bayern-Pechs
So gewann Leverkusen also sein Spiel, schraubte den Vorsprung auf die Bayern weiter aus. Jene Bayern, bei denen vor einer Woche gegen Bochum so ziemlich alles schief lief, was schief laufen konnte. Auch der Samstagabend gegen Leipzig schien kein Beleg dafür zu sein, dass der Dusel wieder in die Allianz Arena gezogen ist: Bei einem Kopfball von Harry Kane nach vier Minuten war Leipzigs Keeper Blaswich schon geschlagen. Doch anstatt ins Tor zu fliegen, knallte der Ball an den Pfosten und von da aus in die Hände des RB-Keepers.
Überhaupt, dieser Kane: Voll in der Krise. Nur drei Tore aus den zuvor sechs Bundesligaspielen. Und selbst nach seinem Tor wirkte Kane nicht gerade so, als ob er vor Selbstvertrauen kaum noch laufen konnte. Als die Bayern in der Schlussphase immer und immer wieder anrannten, schien das 1:1 klar zu sein, die Meisterschaft angesichts von zehn Punkten Rückstand endgültig weg. Dann kam die Nachspielzeit – und Kane traf zum 2:1. Ist der Bayern-Dusel nun wieder zurück, auch bei Kane?
Wenn es nach Thomas Tuchel geht, hat das nun wiederum nichts mit Glück und Pech, sondern mit Mathematik zu tun: "Seine Torquote ist so unglaublich, seit er 14 ist. Eigentlich steigt bei ihm ja mit jeder vergebenen Chance die Wahrscheinlichkeit, dass er die nächste Bude macht." So kann man es auch sehen. Mathematik ist weniger sprunghaft als Kategorien wie Glück und Unglück.