Startseite
Icon Pfeil nach unten
Sport
Icon Pfeil nach unten

Glosse: In Darmstadt passieren sonderbare Dinge

Glosse

In Darmstadt passieren sonderbare Dinge

Johannes Graf
    • |
    Darmstadts Trainer Torsten Lieberknecht (r)  hat das letzte Mal am 7. Oktober mit seiner Mannschaft gewonnen.
    Darmstadts Trainer Torsten Lieberknecht (r) hat das letzte Mal am 7. Oktober mit seiner Mannschaft gewonnen. Foto: Uwe Anspach, dpa

    Da hatte sich natürlich einiges aufgestaut. Schon während des Spiels, das in Darmstadt keine 90, sondern lediglich 28 Minuten gedauert hatte. In dieser knappen halben Stunde hatten die Spieler des FC Augsburg in der Hintermannschaft des Tabellenletzten derart gewütet, dass auf der Tribüne Tränen flossen. Simone Lieberknecht, Frau von Darmstadts Trainer Torsten Lieberknecht, ließ ihren Emotionen buchstäblich freien Lauf. Traurig ob des Auftritts der Darmstädter Spieler, die unter dem Druck des Gewinnen-Müssens zusammenbrachen. Zwischen der zweiten und 29. Spielminute kassierte das Schlusslicht fünf Treffer. Und das nicht vom FC Bayern oder Bayer Leverkusen, sondern einem FC Augsburg, der sich bislang in der Fremde selten als Kantersieger hervortat. 

    Doch was war schon normal an diesem denkwürdigen Nachmittag im Stadion am Böllenfalltor. Sonderbare Dinge trugen sich dort zu. Beispiel gefällig? Nach dem Spiel standen die Darmstädter Mannschaft und der Trainer auf dem Spielfeld zusammen, um sogleich in die aktive Trauer- und Traumabewältigung einzusteigen. Was zu sehen war, ließ jedoch manchen die Augen reiben. Nicht Lieberknecht sprach, sondern ein Anführer aus der 98er-Ultrabewegung, die in der Pause den Support ihrer Mannschaft eingestellt hatte. Nun lauschte da also eine Gruppe gestandener Männer Schulbuben gleich, während ein junger Mann in Sneakers den Oberlehrer gab und sie verbal zusammenfaltete. 

    Der Torhüter fühlte sich viel zu freundlich behandelt

    Ein ungeheuerlicher Vorgang, mag man meinen. Wo kommt man denn hin, wenn sich so ein Besserwisser-Fan, der nichts von Taktik, Trainingslehre, Mannschaftsführung, abkippender Neun und abräumender Sechs weiß, zum Ratgeber im Abstiegskampf aufspielt? Entsprechend groß war der Ärger bei Darmstadts Trainer, Spielern und Präsident. Nein, war er nicht. Stattdessen: Verständnis. Fehlte nur noch, dass sich die Beteiligten einen Wollknäuel zuwarfen, um sich besser kennenzulernen. Dieses gegenseitige Auf-Bedürfnisse-Eingehen gipfelte in der Aussage von Torhüter Schuhen, der sich – Achtung! – viel zu freundlich behandelt fühlte. „Die hätten uns bewerfen und beleidigen können, das hätte ich alles hingenommen.“

    Darmstadt steht in dieser Bundesligasaison wahrlich für Sonderheiten. Lieberknecht ist weiterhin Trainer, obwohl die Mannschaft am 7. Oktober zum bislang letzten Mal gewonnen hat. Spannend also, was passiert, falls Darmstadt abgestiegen ist? Wird bestimmt eine tolle Party. 

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden