Wir schreiben das Jahr 2018 und man könnte meinen, dass sich in Sachen Sexismus in den vergangenen Jahren einiges geändert hätte. Durch Debatten wie #Aufschrei oder #MeToo sind viele Menschen sensibler gegenüber der Thematik geworden.
Doch pünktlich zur Fußball-Weltmeisterschaft scheint alles mühsam Erkämpfte vergessen. Viele glauben, dass Frauen im Fußball nichts verloren hätten - und tun dies zur WM lautstark kund. Sexisten überbieten sich ungehemmt mit ihren frauenfeindlichen Aussagen.
Dr. Oetker meint, Frauen sollen zur WM für ihren Mann backen
Viel Kritik hat sich der Konzern Dr. Oetker in der Schweiz mit einer WM-Werbekampagne eingehandelt, die so auch aus den 50er-Jahren stammen könnte. "Back deinen Mann glücklich - auch wenn er eine zweite Liebe hat" heißt es über dem Bild einer Frau, die einen Kuchen in Fußball-Form präsentiert.
Auf eine Entschuldigung verzichtete das Unternehmen. Stattdessen rechtfertigte es sich gegenüber der Schweizer Zeitung 20 Minuten. Das Motiv sei ironisch gemeint. Ein Team von modernen Frauen und teilweise auch Teilzeit arbeitenden Müttern habe es entwickelt, heißt es - als ob es damit gleich weniger sexistisch wäre.
Telekom Sport sorgt mit Fußball-Bingo für Kritik
Auch Telekom Sport hat im Netz für Unmut bei vielen Fans gesorgt: Auf Facebook postete das Unternehmen ein Bingo Spiel, dazu der Kommentar "Wenn du mit deiner Freundin Deutschland - Mexiko schaust...!" plus Zwinkersmiley. Der Mann kann dann wohl wegkreuzen, wenn ein Satz kommt wie "Özil hat 16 Millionen Instagram-Follower!" oder "Der hat ja coole Schuhe!". Auch Fragen à la "Wann spielen wir gegen Italien?" oder "Auf welches Tor müssen wir schießen?" sind Telekom Sport zufolge typische Dinge, die Frauen beim Fußballgucken von sich geben. Und natürlich darf der Klassiker nicht fehlen: "Was war Abseits nochmal?"
Der BR befördert sich mit sexistischem Post ins Abseits
Apropos Abseits: Auch der Bayerische Rundfunk hält es für notwendig, die Abseits-Regel auf Facebook nochmal extra für das weibliche Geschlecht zu erklären. Darin der Satz: "An der Kasse im Schuhgeschäft: Eine Frau wirft ihrer Freundin, die bereits vorne steht, ein Paar Schuhe zum Bezahlen zu." Der Post vom 13. Juni wurde inzwischen gelöscht.
Der BR hat sich im Anschluss per Twitter für den missglückten Post entschuldigt.
Auch in anderen Ländern wird Sexismus zur WM großgeschrieben
Nicht nur in Deutschland wird die Fußball-Weltmeisterschaft zum Anlass genommen, Sexismus ungehemmt zu verbreiten. So kritisiert eine britische Twitter-Nutzerin das Angebot der Supermarktkette Sainsbury's, die zur WM zahlreiche Kleidungsstücke mit Fußball-Aufdruck für Jungs im Angebot hat - aber nur ein einziges T-Shirt für Mädchen, bei dem das "o" des Wortes "Love" durch einen Fußball ersetzt ist. Sie schreibt: "Auch junge Mädchen haben Spaß an Fußball."
Argentinien veröffentlicht Flirt-Ratgeber zur Weltmeisterschaft
Mit einem Handbuch sorgte der argentinische Fußballverband AFA bereits vor der WM für Ärger. Der Ratgeber über die "russische Sprache und Kultur" enthielt zahlreiche Flirttipps, mit denen russische Frauen erobert werden können.
Unter dem Titel "Was tun, um eine Chance bei einem russischen Mädchen zu haben?" erhielten Journalisten, Funktionäre und Trainer, die zur WM nach Russland fahren, Tipps, um Russinnen rumzukriegen.
"Weil russische Frauen schön sind, wollen viele Männer nur mit ihnen ins Bett. Vielleicht wollen die Frauen das auch, aber sie sind Personen, die sich wichtig und einzigartig fühlen wollen", heißt es darin. Es folgen Tipps, welche Gesprächsthemen Männer anschneiden, wie sie sich kleiden und wie sie sich russischen Frauen gegenüber verhalten sollten. Zum Schluss noch die Warnung, dass manche Frauen sich nur für reiche oder gut aussehende Männer interessieren. "Mach dir keine Sorgen, es gibt viele schöne Frauen in Russland und nicht alle sind für dich. Sei wählerisch."
Bereits als der Ratgeber vorgestellt wurde, wurde Kritik laut. Der Verband sammelte das Heft bei der entsprechenden Veranstaltung wieder ein und ließ das Kapitel entfernen.
Manchester United-Legende Patrice Evra löst Shitstorm aus
Patrice Evra, der mit Manchester United große Erfolge feierte und mittlerweile bei West Ham United unter Vertrag steht, hat in Großbritannien einen Shitstorm verursacht.
Während der Analyse eines WM-Spiels war Eni Aluko zu Gast im Studio, eine Spielerin der britischen Frauen-Nationalmannschaft. Nach ihrer Analyse des Spiels Costa Rica - Serbien klatschte Patrice Evra gönnerhaft Applaus. Zudem lobte er sie für ihre "sehr gute" Analyse. Ob er das bei einem männlichen Kollegen auch gemacht hätte?
Mexikanische Unterwäschefirma bietet vibrierende Höschen an
Frauen, die sich tatsächlich für Fußball interessieren und ein Spiel gebannt verfolgen? Anscheinend unvorstellbar für die mexikanische Unterwäschefirma Vicky Form. Das sei nur etwas für Männer.
So auch bei dem Paar, das der Konzern in einem Werbespot präsentiert: Wenn er Fußball schaut, existiere für ihren Mann nichts mehr um ihn herum, beschwert sich die Frau. Doch Vicky Form hat DIE Lösung. Ein Höschen, das vibriert, wenn ein Tor fällt - "damit sich beide gleichermaßen für Fußball begeistern und die Leidenschaft des Spiels spüren".
Schweizer Journalist sucht "schöne Olgas" an der Wolga
"Wo sind die schönen Olgas von der Wolga?" fragt nicht irgendein Journalist, sondern der Ressortleiter Sport der Zeitung Südostschweiz. Die Überschrift lässt schon vermuten, dass da nichts Gutes kommt. Es folgt eine 446 Wörter lange Kolumne, in der sich der Reporter beklagt, dass er in Russland noch keine schöne Frau zu Gesicht bekommen hat.
Einige Auszüge: "Jeder (Mann) hat schon von der Schönheit der russischen Frauen gehört und bestimmt schon einzelne perfekte Exemplare gesehen. Weltweit gelten Russinnen als das Maß aller Dinge. [...] Entsprechend hoch waren die Erwartungen, in Russland jeden Tag nur Schönes zu sehen bekommen."
Doch seine Erwartungen wurden in Toljatti, der Stadt, wo die Schweizer Mannschaft ihr Camp hat, enttäuscht: "Was ich bisher in der 700.000-Einwohner-Stadt zu sehen bekam, war jedenfalls nicht viel Schönes."
Sein Tipp: "Darum rate ich allen Schweizer WM-Touristen, beziehungsweise dem einem Flirt nicht abgeneigten helvetischen Fan, nur mit sportlich hohen Erwartungen in den Osten Europas zu reisen. Die Chancen auf Punkte gegen Brasilien, Serbien und Costa Rica scheinen mir klar größer als ein russischer Schönheits-Volltreffer."
Der Artikel wurde inzwischen gelöscht, eine Entschuldigung seitens der Zeitung gab es nicht. Online ist nur noch ein Leserbrief zu finden, in dem eine Leserin "Sexismus in seiner Reinform" kritisiert.
ZDF-Reporterin wird in Sozialen Netzwerken beleidigt
Sexistische Anfeindungen, Häme und Hass schlagen ZDF-Kommentatorin Claudia Neumann in den sozialen Netzwerken entgegen. Dass eine Frau ein Spiel der Männer-Fußball-WM kommentiert, scheint für viele im Jahr 2018 immer noch ein Unding.
Das ZDF stärkte ihr bereits am Wochenende per Twitter den Rücken.
Nun stellte sich auch ZDF-Sportchef Thomas Fuhrmann hinter die Reporterin. Zu der Kritik an ihrem dritten WM-Einsatz beim Spiel Japan - Kolumbien sagte er: "Das ist unterste Schublade."