Es ist die Geschichte eines Fußballvereins, der vor mehr als 50 Jahren eine Saison in der Bundesliga verbringen durfte. Die Rede ist von Tasmania 1900 Berlin (TAS), dem schlechtesten deutschen Erstligisten aller Zeiten.
Es waren seltsame Szenen, die sich da am vergangenen Samstag am Berliner Coubertinplatz vor den Toren des Olympiastadions abspielten. Rund ein Dutzend Fans des Fünftligisten Tasmania wollte die Spieler des FC Schalke 04 aufmuntern, sich beim anschließenden Bundesligaspiel bei Hertha BSC besonders ins Zeug zu legen. "Rettet TAS den Rekord", stand auf Schildern der Demonstranten. Doch die Unterstützung zeigte nicht den gewünschten Erfolg. Hertha besiegte die Knappen mit 3:0. Mit der Schlappe machte Königsblau die Tasmania Fans unglücklich. Die Berliner hatten vor dem Olympiastadion ihre Hoffnung auf einen Schalke-Erfolg zum Ausdruck gebracht. Nun bleibt S04 nach 30 Bundesliga-Spielen ohne Sieg, schon am Samstag kann gegen die TSG Hoffenheim Nummer 31 folgen und die Negativmarke von Tasmania Berlin aus der Saison 1965/66 eingestellt werden. Der Grund der kleinen Fan-Demo: Nur die Rekordserie sichert dem SV Tasmania, dem Tabellenführer der Oberliga Nordost Nord, in diesen Tagen wieder bundesweit Aufmerksamkeit.
Schlechtester Sturm, schlechteste Abwehr: Ein paar Rekorde bleiben Tasmania
Negativerlebnisse haben die Berliner genügend. Den letzten Platz in der ewigen Bundesliga-Tabelle macht Tasmania auch Königsblau nicht streitig. Dass nun dieser Verein, den man über die Grenzen der Hauptstadt hinaus kaum noch kennt, für solche Schlagzeilen sorgt, verwundert vor allen Dingen die jüngeren Fußballanhänger. Doch dies hat einen Grund. Denn es gibt seit der Gründung der Bundesliga 1963 außer Tasmania keinen Erstligisten, bei dem sich so wie in der Saison 1965/66 so viele Pleiten und Pannen anhäuften wie bei den Tasmanen. Schlimmer geht’s nimmer. Sie sind der vermutlich ewige Letzte in der ewigen Bundesligatabelle: TAS schoss 1965/66 in 34 Auftritten die wenigsten Tore (15), kassierte die meisten Gegentreffer (108) und errang nur 8:60 Punkte (nach der damals geltenden Zweipunkteregel für einen Sieg).
Aber wie kam das Team überhaupt ins Oberhaus? Als die Bundesliga 1963 gegründet wurde, ging Tasmania trotz etlicher Titel in den Jahren zuvor leer aus, der Deutsche Fußballbund (DFB) gab nur einem Berliner Klub den Zuschlag – Hertha BSC. Doch die alte Dame leistete sich zwei Jahre danach einige Fehltritte. Bei einer Kontrolle der Hertha-Kassenbücher durch den Verband wurde ein erheblicher Fehlbetrag festgestellt. Der Verein hatte einige Spieler mit damals unerlaubten Handgeldern an die Spree gelockt. Er flog aus der Eliteliga, TAS landete ziemlich unerwartet im Oberhaus.
Der Großteil der Mannschaft befand sich seiner Zeit in Urlaub. Etliche Akteure mussten per Radio-Ferienfunk aus dem Urlaub zurückbeordert werden. Drei Wochen Zeit blieben für die Vorbereitung auf das Bundesliga-Abenteuer. "Die meisten Spieler von uns waren damals schon über ihrem Zenit", erzählt der frühere Kapitän "Atze" Hans-Günter Becker, von dem auch der Spruch stammt, dass man "aus Ackergäulen keine Rennpferde" machen könne. Entsprechend mager waren bei diesem Himmelfahrtskommando die Ergebnisse und der Publikumszuspruch. Bejubelten zur Premiere im Olympiastadion noch über 81.500 Fans den 2:0-Sieg gegen den Karlsruher SC (den ersten von zwei Saisonsiegen), wollten wenige Monate und viele Niederlagen später keine 900 Menschen mehr am 15. Januar 1966 das 0:0 gegen Borussia Mönchengladbach sehen. Auch das ein Tiefpunkt der Bundesliga-Geschichte.
Mit Szymaniak spielte immerhin ein WM-Teilnehmer für Tasmania Berlin
Der Großteil der Mannschaft bestand damals aus Spielern, die schon vorher in der Regionalliga Berlin das Tasmania-Trikot trugen. Bekanntester Neuzugang war Horst Szymaniak. Der 43-fache Nationalspieler und zweifache WM-Teilnehmer (1958 Schweden, 1962 Chile) wechselte schon 1961 nach Italien zu CC Catania und avancierte im Süden zu einem der besten Mittelfeldspieler Europas.
1964 gewann der mit Inter Mailand den Europapokal der Landesmeister. Aus Varese kommend, nahm er 1965 das Angebot aus Berlin an. Doch so richtig in Fahrt kam Szymaniak bei Tasmania nicht. Die Berliner sorgten auch abseits des Rasens für Aufsehen. Etwa Verteidiger Herbert Finken, der sich den Gegenspielern stets mit dem launigen Spruch vorstellte: "Mein Name ist Finken und du wirst gleich hinken" Am Samstag werden alle, die es mit dem SV Tasmania halten, den Schalkern die Daumen drücken. Ein Rekord ist schließlich ein Rekord.
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