Bei der Verlesung der Anklage wird deutlich, wie knapp Stuttgart während der Fußball-EM im Sommer an einem größeren Blutbad auf dem Schlossplatz vorbeigeschrammt ist. Mitten in der Menschenmenge des Public Viewing soll ein 25 Jahre alter Mann, der nun auf der Anklagebank des Landgerichts sitzt, mit einem Messer um sich gestochen haben. Minutenlang. Und nicht wahllos, wie die Staatsanwältin beim Prozessauftakt betont. Sondern gezielt.
Aus purem Hass auf die Türkei habe der Syrer gezielt Jagd auf Menschen in türkischen Trikots, mit Schals oder mit Fahnen des Landes gemacht.
Die Staatsanwaltschaft wirft dem zuletzt in Besigheim (Kreis Ludwigsburg) gemeldeten Mann unter anderem sechsfachen versuchten Mord vor. Denn mit viel Glück war bei der Tat während des letzten Gruppenspiels der türkischen Mannschaft bei der Fußball-Europameisterschaft Ende Juni niemand ums Leben gekommen. Mehrere Menschen erlitten Verletzungen, mindestens einer davon schwebte in Lebensgefahr.
Staatsanwältin: Mann wollte möglichst viele Türken töten
Ziel des Mannes sei es gewesen, «möglichst viele Türken im Laufe des Abends zu töten», sagte die Staatsanwältin. Er habe seine Opfer wegen der Trikots, Fahnen oder Schals als Anhänger des türkischen Teams oder der Mannschaft von Galatasaray Istanbul ausgesucht. Unvermittelt habe er zugestochen, habe Opfer gezielt ausgewählt und zum Teil auch in der Menschenmenge verfolgt. Die Angegriffenen waren allerdings nur teilweise türkische Staatsangehörige.
Laut Anklage stach der Mann zunächst auf einen Besucher der Fanzone ein, der ein Trikot der türkischen Nationalmannschaft trug, und verletzte ihn schwer an der Schulter und im Bauch. Als ein anderer versuchte, den Syrer von seinem Opfer wegzuziehen, soll der Angeklagte erfolglos versucht haben, auch ihn zu verletzen. Danach verfolgte er einen weiteren Fan mit dem Messer, erreichte ihn aber nicht. Drei weitere Männer erlitten Stich- und Schnittverletzungen im Oberkörper.
Aussage des Angeklagten unwahrscheinlich
Polizeibeamte, die privat auf dem Schlossplatz waren und Sicherheitsbeamte überwältigten den Mann nach seinen minutenlangen Attacken. Es kam zu Tumulten. Eine Massenpanik wurde durch das schnelle Eingreifen von Beamten jedoch verhindert. Der Schlossplatz wurde kurzfristig abgesperrt. Wie das Messer mit sieben Zentimeter Klingenlänge in die gut gesicherte Stuttgarter Fanzone gelangen konnte, ist unklar.
Das Schwurgericht will noch mindestens ein halbes Dutzend Mal zusammenkommen, bevor es frühestens Anfang Februar ein Urteil verkündet. Eher unwahrscheinlich ist eine Aussage des Angeklagten, der zum Prozessauftakt in Fußfesseln in den Gerichtssaal geführt wurde. Er winkte in die Besucherreihen und hob kurz selbstsicher einen Daumen hoch.
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