Der Social-Media-Eklat um Vizepräsident Hermann Winkler trifft den Deutschen Fußball-Bund knapp einen Monat vor dem symbolträchtigen 1000. Länderspiel gegen die Ukraine zur Unzeit.
DFB-Präsident Bernd Neuendorf verurteilte Winklers abschätzige Äußerungen über den ukrainischen Staatschef Wolodymyr Selenskyj am Montag in bislang unbekannter Schärfe als "unvereinbar" mit den Verbandsgrundsätzen. An diesem Mittwoch soll die Konferenz der Regional- und Landesverbandspräsidenten über Konsequenzen beraten. Winkler entschuldigte sich am Montag mit einem "allerdings".
Neuendorf telefoniert mit Winkler
Der 60-Jährige hatte Selenskyj in Bezug auf dessen Deutschland-Besuch am Sonntag bei Instagram und Facebook als "ehemaligen ukrainischen Schauspieler" bezeichnet, ohne den Namen und das Amt des ukrainischen Präsidenten zu nennen. Das sei "unerträglich und beleidigend" gewesen, habe Neuendorf seinem Vize in einem Telefonat überbracht, schrieb der DFB.
Winkler deaktivierte seinen Instagram-Account und schrieb bei Facebook, er würde den Eintrag nicht noch einmal so verfassen. Auf seine Entschuldigung, "auch für die entstandenen Irritationen", folgten die Sätze: "Mich deswegen in die "Putinversteher-Ecke" zu stellen, weise ich entschieden zurück". Er verurteile die Aggression des russischen Präsidenten Wladimir Putin, "allerdings bin ich auch nicht mit allem, was Selenskyj macht persönlich einverstanden". In den sozialen Medien wurde der Funktionär scharf kritisiert - aber nicht nur.
Post sorgt für Kritik von allen Seiten
Über den weiteren Umgang mit dem früheren CDU-Politiker, der in der Vergangenheit mehrfach mit mindestens fragwürdigen politischen Äußerungen aufgefallen war, beraten am Mittwoch die Chefs der 21 Landesverbände und sechs Regionalverbände. Winkler führt den einflussreichen Nordostdeutschen Fußball-Verband (NOFV). Als DFB-Vize abberufen werden könnte er von seinem eigenen Regionalverband. Der Posten im Präsidium ist mit einem monatlich vierstelligen Betrag dotiert.
"Wir haben für unser 1000. Länderspiel die ukrainische Nationalmannschaft eingeladen, um ein weiteres Symbol gegen den russischen Angriffskrieg und für den Frieden zu setzen", sagte der Konferenz-Vorsitzende und Chef des Süddeutschen Verbands, Ronny Zimmermann, der Deutschen Presse-Agentur. Winkler habe "nach meinem Verständnis den ukrainischen Staatspräsidenten" verhöhnt. Das Benefiz-Länderspiel in Bremen wird am 12. Juni angepfiffen.
Auch innerhalb des NOFV wurde Winkler angezählt. "Das ist nicht die Haltung des Berliner Fußball-Verbandes. Unsere Werte sind andere", sagte der Verbandschef Bernd Schultz der dpa. "Eine Persönlichkeit wie einen Staatspräsidenten greift man nicht so an", sagte Schultz. Der DFB rufe zu Spenden für die Menschen in der Ukraine auf. Grundsätzlich kenne man aber die politische Haltung Winklers, fügte Schultz an.
Wie aus NOFV-Kreisen am Montag zu hören war, wird dort ein Imageschaden für die gesamte Fußball-Region mit ihren fünf Landesverbänden von Mecklenburg-Vorpommern bis Sachsen befürchtet. Holger Stahlknecht, der Präsident des Verbands Sachsen-Anhalt, äußerte sich verwundert über Winkler. "Ich halte das für ungeschickt", sagte der ehemalige Innenminister Sachsen-Anhalts. Er sei grundsätzlich dagegen, "den Sport zu politisieren".
Selenskyj und das ukrainische Volk waren am Sonntag in Aachen mit dem Karlspreis ausgezeichnet worden. Der Staatschef war erstmals seit dem Angriff Russland auf die Ukraine in Deutschland zu Gast. Am selben Tag diesen Beitrag abzusetzen, verstärke "die verhöhnende Symbolik gegenüber dem ukrainischen Präsidenten noch", sagte Neuendorf.
(Jan Mies, Arne Richter und Tom Bachmann, dpa)