Der Bundestrainer hatte nicht vor, mit seinen Kenntnissen bezüglich der Monatsreihenfolge zu protzen. „Jetzt kommen November, Dezember, dann Januar, Februar März“, tauchte Joachim Löw in die Tiefen des Kalendariums ein. Er wollte aber mitnichten verdeutlichen, dass die Jahresuhr niemals stillsteht – viel mehr war es ihm ein Anliegen, darauf hinzuweisen, dass die wirklich strapaziösen Monate erst noch folgen. Zuvor wurde der Bundestrainer auf die Meniskusverletzung seines Lieblingsschülers Joshua Kimmich angesprochen und dass diese ja möglicherweise mit der herausfordernden Belastung dieser Saison zu tun habe.
Gerade einmal zwei Monate seien erst gespielt worden, wies Löw auf die noch junge Spielzeit hin, wirklich hart werde es erst noch in Zukunft. Es sei nun wirklich an der Zeit, dass diejenigen, die für den Terminkalender zuständig sind, „mal die Köpfe zusammenstecken“, regte Löw an. Er selbst macht kaum einen Hehl daraus, was er von der komprimierten Terminplanung hält: nicht viel. Das Freundschaftsspiel gegen Tschechien am Mittwoch ist für ihn daher im wahrsten Wortsinne eine Testpartie. Anders als in den folgenden Spielen gegen die Ukraine am Samstag und Spanien (Dienstag) geht es ja nicht einmal um Punkte in der sowieso schon nachrangig behandelnden Nations League. Löw sieht sich bestätigt in seiner Maßnahme, mit Ridle Baku, Philipp Max und Felix Uduokhai drei Neulinge nominiert zu haben. Allen dreien sicherte er zu, „gute Chancen“ zu haben, gegen Tschechien (20.45 Uhr, RTL) auch eingesetzt zu werden.
Und am Ende der schlauchenden Saison: eine schlauchende EM
Nur so ist es möglich, den Vielspielern aus München, Madrid oder Leipzig auch mal eine Pause zu gönnen. Eben das hatten einige Experten beim letzten Zusammentreffen der Nationalmannschaft massiv kritisiert. Sie sähen am liebsten Spiel für Spiel die Besten der Besten auf dem Feld. Wer aber über ein halbes Jahr im Drei-Tage-Rhythmus aufläuft, wird dies im kommenden Sommer nur noch wankend machen. Blöd nur, dass dann die paneuropäische Europameisterschaft angesetzt ist und die Deutschen dann ansetzen wollen, die WM-Schmach von 2018 auszuwetzen.
Löw sieht seine Mannschaft auf einem guten Weg dorthin, Euphorie unter den Fans mag sich aber noch nicht entwickeln. Oliver Bierhoff hatte das tags zuvor mit einer „dunklen Wolke“ beschrieben, die sich über die Nationalmannschaft geschoben habe, und appellierte daran, den jungen Spielern doch bitte eine Chance zu geben. Löw und Bierhoff zeigten sich so in verbindender Nachdenklichkeit und der Bundestrainer räumte auch ein, „Fehler gemacht“ zu haben. Gleichwohl sind es wohl nicht die Nominierungen von Uduokhai oder Max, die Fans und Nationalmannschaft entzweit haben. Es ist wohl nicht einmal das Vorrunden-Aus in Russland. Die Nationalmannschaft ist 2000 und 2004 bei Europameisterschaften ebenso krachend gescheitert. In einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Civey für t-online gab rund die Hälfte der 2000 befragten Personen an, der Hauptgrund für das nachgelassene Interesse läge in der Kommerzialisierung der Nationalmannschaft.
Bierhoff aber fordert: „Gebt den Jungs Vertrauen. Ich bin überzeugt, dass die das zurückzahlen.“ Es scheint, als habe er die Stoßrichtung der Kritik nicht in ihrer Gänze wahrgenommen. Es ist nicht nur die Mannschaft, der weniger Vertrauen entgegengebracht wird – es sind vor allem die Macher rund um das Team. Die sich immer wieder dafür preisen, nach der WM wieder öffentlich zugängliche Übungseinheiten angeboten zu haben. Noch aber ist nicht der Zeitpunkt gekommen, Gutes zu tun und darüber zu reden. Gutes zu tun genügt vollkommen.
Mit einem Sieg gegen Tschechien hätte die Mannschaft zumindest schon einmal für etwas Ruhe rund um Joachim Löw gesorgt. Dessen Nominierungspolitik dürfte auf mehr Akzeptanz stoßen, wenn die berufenen Nationalspieler mehr als nur andeuten, warum ihnen denn nun Vertrauen entgegengebracht werden soll.
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