Joachim Löw kann sich dann wohl doch noch nicht ganz sicher sein, ob er wirklich im kommenden Jahr die deutsche Mannschaft während der EM betreuen kann. Nach dem 0:6 von Sevilla hatte es ja überraschend schnell nach jener Wagenburg-Mentalität ausgesehen, die einer kurzfristigen Befriedung dienlich sein mag – deren längerfristige Konsequenzen aber im Vagen liegen. Weder Verbandspräsident Fritz Keller noch der für die Nationalmannschaft verantwortliche Oliver Bierhoff wollten sich nach der Niederlage gegen Spanien gegen den Bundestrainer stellen. Zwar erwähnte Keller einen Tag nach der Pleite den Namen Löws in einer Erklärung kein einziges Mal, unterstrich aber seinen Willen, den eingeschlagenen Weg weiter fortzusetzen.
Somit hätte zumindest bis zum kommenden März alles in ruhigen Bahnen verlaufen können. Dann stehen WM-Qualifikationsspiele an. Die Nationalmannschaft wird erstmals seit dem historischen Debakel wieder zusammenkommen. Er sind zudem die letzten Spiele vor der Kadernominierung für die Europameisterschaft.
Oliver Bierhoff muss dem Präsidium erklären, wie es mit der Mannschaft weitergeht
Nun aber muss sich Oliver Bierhoff am 4. Dezember in einer Präsidiumssitzung zur Lage der Nationalmannschaft erklären. Das 18-köpfige Gremium tritt nur selten öffentlich in Erscheinung. Meist dann, wenn es um die nationale Auswahl nicht sonderlich gut bestellt ist. Bierhoff selbst hat einen Sitz im Präsidium, wurde also nicht extra vorgeladen. Bis zum 4. Dezember aber soll er zusammen mit Löw ausarbeiten, wie es denn nun eigentlich wirklich um die Mannschaft steht und warum im kommenden Jahr der Titel nicht vollkommen abwegig sein sollte.
„Einen Freifahrtschein für Jogi Löw gibt es nicht“, zitiert die Bild ein namentlich nicht genanntes Mitglied des Präsidiums. Fraglich ist nur, wie denn das Gremium in dem unwahrscheinlichen Fall handelt, dass Bierhoffs Ausführungen eine katastrophale EM befürchten lassen. Schließlich müsste der DFB vorerst auf eine Lösung zurückgreifen, die wohl nur die Sehnsüchte der wenigsten Fußballfans befriedigen könnte. Sowohl Hansi Flick als auch Jürgen Klopp stehen derzeit nämlich nicht als Löw-Nachfolger zur Verfügung. „Jetzt? Nein. Ich hab keine Zeit, ich habe einen Job – einen ziemlich intensiven Job übrigens“, sagte Klopp. Der Trainer ist noch bis 2024 vertraglich an den FC Liverpool gebunden. Immerhin könne er sich vorstellen, zu einem anderen Zeitpunkt die Nationalmannschaft zu übernehmen. „In Zukunft vielleicht.“ Wann auch immer das ist.
Auch Hansi Flick steht nicht als Löw-Nachfolger bereit
Ähnlich äußerte sich auch Bayern-Trainer Flick. Er verschwende „keine Gedanken“ an den Job des Bundestrainers. „Ich stehe hier unter Vertrag, habe eine tolle Mannschaft und arbeite für einen tollen Verein. Derzeit stimmt vieles“, sagte der 55-Jährige der Welt am Sonntag. „Dass nach dem Ergebnis Kritik aufkommt, ist nachvollziehbar, ändert aber nichts an meiner Einschätzung, dass die DFB-Elf mit einer entsprechenden Vorbereitung bei der EM im nächsten Jahr eine gute Rolle spielen wird. Die Frage nach mir stellt sich für mich dabei nicht.“
Wenn aber Flick und Klopp nicht verfügbar sind, wären die um etliches sperrigeren Thomas Tuchel und Ralf Rangnick die nächsten Kandidaten auf der Trainer-Liste. Beide aber dürften in dem Präsidium nur schwer vermittelbar sein. So kann sich Löw zwar noch nicht sicher sein, die Mannschaft in die pan-europäische EM zu führen – die schwerfällige Funktionärsgruppe wird ihn aber allein schon aus Mangel an Alternativen kaum vor Weihnachten entlassen.
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