Das Gerechtigkeitsempfinden der meisten Menschen meldet sich sich dann am lautesten, wenn sie sich selbst ungerecht behandelt fühlen. Und wer bitte wurde in den vergangenen neun Monaten nicht von einem Virus und dessen Folgen zutiefst unfair behandelt? Kontaktbeschränkungen, Gastro-Schließungen, Verbot des Amateursports. Die Profi-Fußballer aber dürfen weiter kicken. Obwohl vier Spieler der Ukraine positiv auf das Coronavirus getestet wurden. Das kann nicht gerecht sein. Ist es aber dennoch. Dass die deutsche Nationalmannschaft gegen die Ukraine angetreten ist, war die richtige Entscheidung.
Große Teile der Bevölkerung finden es verständlicherweise unfair, dass ein paar Jungmillionäre ihrer Arbeit nachgehen dürfen, der normale Büroangestellte aber nicht mal mehr das Fitness-Studio besuchen darf. Es wäre aber genauso ungerecht, wenn die Fußballer nicht spielen dürfen, obwohl sie – nach allem was bekannt ist – kaum einer Infektionsgefahr ausgesetzt sind. Der Fußball hat sich diese Sicherheit gekauft. Vereine und Nationalmannschaften setzen Hygienekonzepte um, die sich mittelständische Unternehmen nicht leisten können. Sie haben sich Test-Kapazitäten in privaten Laboren gesichert. Das ist Marktwirtschaft. Würde die Politik anders priorisieren, hätte sie sich diese Kapazitäten kaufen können.
Deutschland gegen Ukraine: Ein symbolhafter Akt hätte niemandem geholfen
So aber konnte am Samstag eine unwichtige Partie in einem unwichtigen Wettbewerb ausgetragen werden. Eine Partie, die dem DFB Millionen Euro bringt. Geld, das zu Teilen auch in den Breitensport fließt. Wem wäre geholfen gewesen, wenn die deutsche Nationalmannschaft nicht angetreten wäre? Es wäre ein symbolhafter Akt gewesen. Ein weithin sichtbares Zeichen für jene Demut, die die Verantwortlichen des Profi-Fußball in den vergangen Monaten immerzu betonen. Anschließend aber wäre bei jedem weiteren Corona-Fall berechtigterweise die Frage aufgetaucht, ob denn eine Spielabsage nicht zwingend nötig wäre. Bislang aber haben die Hygienekonzepte überraschend gut funktioniert. Der Profifußball ist ein Wirtschaftszweig. Diesen jetzt auch noch aus falsch verstandener Solidarität abzusägen, ist falsch. Das mag unfair erscheinen, ist aber letztlich die gerechteste Lösung.
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